HEIDENHEIM - Asylbewerber sollen Geld statt Essenspaketen bekommen

Erstveröffentlicht: 
19.04.2013

Die Asylbewerber wollen's, der Flüchtlingsrat verlangt es, und die meisten Landkreise praktizieren es bereits. Jetzt steigt auch die Heidenheimer Kreisverwaltung um und will Asylbewerber nicht länger mit Essenspaketen versorgen, sondern bares Geld auszahlen.

 

Einen knappen Monat ist es her, seit 30 von derzeit 180 im staatlichen Übergangswohnheim einquartierten Asylbewerber zum Landratsamt marschiert waren, um dort in Form einer sehr friedfertigen Demonstration auf die Abkehr vom bislang geübten Sachleistungsprinzip zu drängen. Statt Lebensmittelpakete entgegennehmen zu müssen, wollen sie für ihr Essen und auch die Kleidung lieber selbst verantwortlich sein, plädieren also für eine Umstellung auf Bargeldauszahlung.

Dass man auf behördlicher Seite diesem Ansinnen nunmehr folgt, geht nach Darstellung von Landrat Thomas Reinhardt nicht kausal auf die jüngste Demo zurück. Vielmehr habe sich schon länger abgezeichnet, dass immer mehr Landkreise – auch in der unmittelbaren Nachbarschaft – auf die Barleistung umsteigen. Zudem plane man in Stuttgart, diese Form der Versorgung als Regelleistung einzuführen: „Wir wollen die Bargeldauszahlung also im Vorgriff auf eine landeseinheitliche Regelung einführen.“

Frühestens ab 1. August würde Geld fließen

Die endgültige Weichenstellung wird der Kreistag in seiner Sitzung am 29. April vornehmen müssen, wo über den von Landrat Reinhardt eingebrachten Antrag entschieden wird. Stimmt das Gremium zu, kann die Umstellung nach Angaben von Sozialdezernent Anton Dauser frühestens am 1. August erfolgen, weil die mit den Anbietern der Sachleistungen vereinbarten Kündigungsfristen eingehalten werden müssen.

Aber auch nach der Neuregelung will sich der Landrat zumindest eine Hintertür offen lassen. Sollte festgestellt werden, dass ein Leistungsempfänger Missbrauch betreibt, indem er das ihm zustehende Geld etwa in Alkohol umsetzt oder in Spielhallen verzockt, will er sich vorbehalten, in einer Einzelfallentscheidung wieder auf eine Sachleistungs- oder Gutschein-Regelung umzuschwenken.

Unterm Strich ergeben sich für die Kreisverwaltung durch die geplante Umstellung keine Mehrkosten. Den Asylbewerbern wird exakt jener Geldbetrag ausbezahlt, den der Staat bislang für den zentralen Einkauf jenes Warenkorbes aufgewendet hat, in dem – so die gesetzliche Definition – alle „Grundleistungen zur Sicherung des physischen Existenzminimums“ enthalten sind. Dafür stehen beispielsweise einem alleinstehenden oder alleinerziehenden Erwachsenen 217 Euro, einem Ehe- oder Lebenspartner 195 Euro und einem Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 130 Euro pro Monat zu. Darüber hinaus erhalten Flüchtlinge schon bisher ein Taschengeld, das bei einem erwachsenen Alleinstehenden 137 Euro beträgt, sodass er zusammen mit der neuen Barleistung monatlich über 345 Euro verfügt.

Heidenheim bilde bisher "unrühmlich Ausnahme"

Mit der Umstellung auf Bargeld schwenkt der Landkreis auf eine Regelung ein, die auch und gerade vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg immer wieder angemahnt worden ist. Nach Kenntnis und Einschätzung der zweiten Vorsitzenden Vera Kohlmeyer-Kaiser bildet Heidenheim mit dem zurzeit noch praktizierten Sachleistungsprinzip eine „sehr unrühmliche Ausnahme“. Eine Abkehr von dieser Regelung sei in höchstem Maße geboten.

Unabhängig von dem jetzt eingeleiteten Richtungswechsel hat die im Vorfeld geführte Diskussion Teile der Heidenheimer Öffentlichkeit mobilisiert und im Ergebnis zur Bildung eines Arbeitskreises Asyl geführt. Hier haben sich Menschen zusammengefunden, die auf örtlicher Ebene zur Verbesserung der Situation der im Landkreis lebenden Flüchtlinge beitragen wollen. So möchte man die aus aller Herren Länder hier gelandeten Menschen beim Erlernen der deutschen Sprache unterstützen und denkt darüber hinaus an den Aufbau eines Dolmetscher-Pools. Die Kontaktpflege zu den im Übergangswohnheim lebenden Menschen, die Begleitung der Flüchtlinge auf Behördengängen und das Thema „ärztliche Versorgung“ bilden weitere Ansätze, die man in diesem Kreis verfolgen will. Maren Becker ist eine der Heidenheimer Initiatoren dieses Geschehens, das im Mai in die offizielle Gründung einer Untergruppe des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg münden soll. In diesem Rahmen plant man eine Informationsveranstaltung mit dem Kultur- und Politikwissenschaftler Andreas Linder vom Flüchtlingsrat.

Mit um eine Verbesserung der Flüchtlings-Situation ist auch eine Arbeitsgruppe „Kultur und Kampf“ besorgt, die sich als parteiloser Zusammenschluss von Einzelpersonen versteht, deren Engagement sich gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus wendet. Die Mitglieder dieser Gruppe hatten bereits vor Ostern eine Sachspendenaktion für die Bewohner des Übergangswohnheimes organisiert. Auch sie wollen die Kommunikation und den Austausch mit den Menschen anregen, die leider von vielen nur als unerwünschte Fremdkörper gesehen würden.