Im Rahmen autonomer Politik wird heute zunehmend die Unterdrückung der diversen Sexuellen Identitäten durch das Heteronormative Schema thematisiert, so wie, als Antwort auf diese Unterdrückung die Auflösung der Geschlechterrollen eingefordert. Dabei bleibt es nicht bei einer einfachen Thematisierung, sondern es wird versucht diese Forderung nach Diskriminierungsfreiheit durch Sprachregelungen und die Strukturierung des Verhaltens innerhalb Autonomer Räume direkt anzugehen. Es wird oft kolportiert das dies Teil einer revolutionären Infragestellung patriarchaler Herrschaft sei. Ein grundsätzlich positives Unterfangen.
Dabei wird aber oft ignoriert das den Theorien, die die den Rahmen dieser Praxis bestimmen, im Allgemeinen den Kapitalismus als solchen bejahen. Des Weiteren fehlt es an einer hinreichenden Analyse patriarchaler Gewalt. Daher besteht die Gefahr, dass das Patriachat als solches nicht nur nicht revolutionär infrage gestellt wird, sondern im Gegenteil, das hier einem Transformationsprozess Vorschub geleistet wird, der es patriarchaler Herrschaft ermöglicht unter den Bedingungen des postindustriellen Kapitalismus weiter zu existieren.
Liberal ist nicht Links
Es ist interessant, dass Theorien zum Thema Gender, die einem liberalen pro-kapitalistischen Diskurs entstammen, dessen Wurzeln an US-Eliteunis liegen, hierzulande als radikale Infragestellung des herrschenden Systems wahrgenommen wird. Eventuell ist dies Ausdruck der besonderen provinziellen miefigkeit der deutschen Gesellschaft. Nichts desto weniger ist vielen aus der Autonomen Szene stammenden Publikationen zu diesem Thema anzumerken, dass sie auf ein zutiefst kapitalistisches Menschenbild abheben. Das ordnende Prinzip, an dem sich im Verhalten zu einander zu orientieren Eingefordert wird, sind die Grenzen der Anderen. Nicht ihre Individualität. Nicht Potentiale, Besonderheiten, Wohlergehen, Freiheit Vorlieben oder Vielfalt. Strukturiert werden soll sich nach Grenzen. Damit gehen diese Theorien absolut d’accord mit dem Kern der Ideologien des Gesellschaftsvertrags, die Teil der Herrschaftsmythologie unserer Gesellschaft sind. Diese gibt es heute in vielen Geschmacksrichtungen, aber die bis heute Wirkmächtigste Formulierung ist wohl die von Thomas Hobbes, den ich hier mal ganz schlecht paraphrasiere weil ich ihn nicht mag[1]. Die Individuen setzen sich selbst und sind absolut Unabhängig. Jedes Individuum ist dabei absoluter Herrscher seiner selbst. Niemand ist niemandem Verpflichtet, und es liegt an jedem einzelnen sich zu entwickeln oder unter zu gehen. Im zweiten Schritt bilden die Individuen eine Gemeinschaft weil diese ihnen bei der Verfolgung ihrer egoistischen Interessen nützlich sein kann. Nun kann es in dieser Gemeinschaft aber dazu kommen das die eine Ich-Diktatur die Grenzen einer anderen verletzt. Dadurch wird die Gemeinschaft gefährdet und damit die egoistischen Interessen jedes Einzelnen. Also geben die Individuen einen Teil ihrer Autonomie an eine Souveräne Macht ab, die ihr Zusammenleben regelt und so überhaupt erst ermöglicht.
Auch in diesem Konzept ist das Ordnende Prinzip nach dem sich die Gemeinschaft zu strukturieren hat, nicht wohlergehen oder Freiheit, sondern der Respekt vor den Grenzen der anderen. Wie es ihnen geht, ob sie leben oder sterben ist nicht mein Problem, ich habe nur ihre Grenzen nicht zu verletzen. Wie kommt es jetzt das mensch in Autonomen Zentren alle Nase lang mit vertragstheoretischen Konzepten konfrontiert wird?
Die Theorien, die aktuell den Diskurs dominieren wenn es um die Interessen von Individuen geht, die von der Mainstream Gesellschaft marginalisiert und angegriffen werden, weil ihnen zugeschrieben wird Teil einer bestimmten, subalternen gruppe zu sein, setzen überwiegend bei der sozialliberalen Philosophie John Rawls an. Rawls geht als liberaler Theoretiker davon aus, dass Individuen prinzipiell unabhängig voneinander sind, und das sie, auf einem Markt konkurrierend und gemaßregelt durch einen Souverän, eine für alle lebenswerte Gesellschaft erschaffen werden. Er kommt allerdings nicht umhin festzustellen, dass dies bisher noch nicht passiert ist. Seine Lösung besteht allerdings nicht in einer Infragestellung der Basis liberal-kapitalistischer Theorie, oder der Erkenntnis, dass diese in erster Linie dazu dient Unterdrückung und Gewalt zu bemänteln indem sie den Opfern die Schuld zu zuschiebt. Er kommt zu dem Schluss das es arbiträre, mit dem Kapitalismus nicht ursächlich zusammenhängende Ausgrenzungsmechanismen seien, die dazu führen das es Ungerechtigkeiten gibt. Wenn wir alle mit denselben Startbedingungen zur Welt kämen, und es nur unsere Schaffenskraft und Motivation wären die unsere Gesellschaftliche Stellung bestimmen wäre der Kapitalismus gerecht. Daher drehen sich die von Rawls geprägten Ansätze vor allem darum, durch direkte Einflussnahme des Souveräns, sowie durch gesellschaftlichen Druck und Normative Regelungen den Einfluss dieser “natürlichen Ungerechtigkeiten“ einzudämmen, so dass wir Schluss endlich doch als “gleichberechtigte“ in einem “fairen“ Wettkampf gegeneinander antreten könne. Die Art und Weise, in der das kapitalistische System notwendig auf andere Unterdrückungsverhältnisse rückgekoppelt sein muss, wird dabei unter den Tisch fallen gelassen. Es ist zwar nicht vorgegeben welche Unterdrückungsverhältnisse spezifisch eine kapitalistische Gesellschaft prägen, aber, dass es solche anderen Unterdrückungsverhältnisse geben muss ist eine inhärente Notwendigkeit des Kapitlismus.
Die Vielfalt der durch Sprachregelungen, politisch korrektes Verhalten und affirmative Action sowie Awareness setzenden Ansätze, zielt schlussendlich auf diese Idee der Gleichberechtigung im kapitalistischen Konkurrenzverhältnis ab, auch wenn dies den Akteur_innen nicht notwendig bewusst sein muss, wenn diese bloß die Praktiken übernehmen ohne den theoretischen Hintergrund zu reflektieren. Der politische Ansatz verbleibt somit auf der Ebene des Spektakels.
Es ließe sich einwenden das diese Theorie und insbesondere das von ihr postulierte Menschenbild autonomer Politik so nicht zugrunde liegen könne, da doch immer wieder betont werde, dass Geschlechterrollen soziale Konstrukte seien, folglich also ein poststrukturalistischer Standpunkt vertreten werde. Das ist aber nicht der Fall, denn üblicherweise wird ihre soziale konstruiertheit als Argument gegen Geschlechterrollen ins Feld geführt, als sei damit schon alles gesagt. Das ist aber nur möglich wenn daran geglaubt wird das „dahinter“ die „wahre“ echte Identität der sich selbst setzenden Individuen läge, und das ist eben keine posttrukturalistische Ansicht, sondern im Gegenteil die Affirmation das liberalen Menschenbildes vor dem Hintergrund der Postmoderne. Sehr schön kommt dieses Denken in folgendem Gedicht zum Ausdruck.
Dear cis-people (a Haiku)[2]
Sex is a
Motherfucking social construct
You asshole
Patriachat und Menschenbilder
Was bei all dieser Kritik auf der Ebene der Erscheinungsformen sozialer Zurichtung geflissentlich übersehen wird, ist dass das so affirmierte Menschenbild den Kern der patriarchalen Identitätskonstruktion bildet. Nicht nur das, patriarchale Gewalt ist diesem Menschenbild quasi eingeschrieben, wie David Graeber eindrucksvoll dargelegt hat.[3] Graeber zeigt auf, dass dieses Bild von uns selbst als sich selbst setzende Herren über uns und unsere Körper, schlussendlich die Internalisierung der Verhältnisse zwischen Herr und Sklave im römischen Haushalt ist. Das verbindende Element zwischen den römischen Haushalten und der heute verbreiteten Ich-Konstruktion bildet das Moment des Privateigentums. Ein Kuriosum heutiger Rechtsauffassungen ist, dass sich die absolute Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein Eigentum aus der besonderen Beziehung des Eigentümers zu seinem Eigentum ableitet. Dies ist insofern Kurios, als das Eigentum heutzutage im allgemeinen Dinge bezeichnet, zu denen sich nur sehr schlecht Beziehungen führen lassen. Graeber arbeitet heraus das die Quelle dieser heute global verbreiteten Rechtsauffassung, römische Gesetzestexte sind. In diesen macht diese Konstruktion durchaus Sinn, denn mit Eigentum sind hier nicht Dinge gemeint, sondern Menschen. Im Zuge der Verabsolutierung des Privateigentums zum Ordnenden Prinzip unserer Gesellschaften haben wir dieses Zwangsverhältnis als Teil unserer Identitätskonstruktion internalisiert, begreifen uns nunmehr als Herren unserer selbst und unsere Körper. Da sich diese Dichotomie im Rahmen liberaler Ideologie schlecht erklären lässt, bleibt schlussendlich nur die Idee des Ich’s, dass als Herr seiner selbst quasi aus dem nichts Auftaucht und absolut gar nichts mit anderen Leuten zu tun hat, und daher auch keine Verantwortung ihnen gegenüber hat. Die Kehrseite dieses Eigentümer unserer Selbst seins ist Offensichtlich: Eigentum kann jederzeit zur Wahre werden. Wenn wir uns selbst und unsere Körper besitzen, können wir uns auch selbst verkaufen. Zwar nicht vollständig, also in die Sklaverei, da wir ja weiterhin selber als unser eigenes patriarchales Herrschaftsverhältnis konstituiert sind. Aber gerade diese leicht schizophrene Doppelrolle macht es uns möglich zu anderen in eine Geschäftsbeziehung in Bezug auf uns selbst zu treten uns Beispielsweise unsere Arbeitskraft zu veräußern.
Die drei Kreise Patriarchaler Gewalt
Patriarchale Gewalt äußert sich gegenüber verschiedenen Individuen auf unterschiedliche Weise. Es erscheint mir sinnvoll sie zum besseren Verständnis in drei Kreise zu Ordnen.
Den ersten Kreis bildet die Gewalt des patriarchalen Individuums gegen sich selbst. Wie Adorno gezeigt hat, ist die Voraussetzung patriarchaler Gewalt gegen andere immer Vorangegangene Gewalt gegen sich selbst.[4] Es ist die Gewalt der sich, im Allgemeinen, männlich sozialisierte Personen selbst unterziehen müssen um gesellschaftlich Überhaupt als Mann anerkannt zu werden. Der Satz, jungs weinen nicht, ist ein gutes Beispiel für diese auf sich selbst ausgeübte psychologische Gewalt. Dabei haben sie permanent einem Idealbild nachzueifern, das sie nie erreichen können. Ein Relevanter Aspekt ist die Notwendigkeit, permanent vor sich selbst und anderen Rechenschaft dafür abzulegen, das man(n) nicht aus dem erlaubten Rahmen patriarchaler Identitäten abweicht.
Den zweiten Kreis bildet die Gewalt der patriarchalen Individuen gegeneinander. Diese Form der Gewalt macht den Großteil der körperlich ausgeübten Gewalt aus. Körperliche Gewalt ist vor allem etwas das zwischen jungen Männern stattfindet. Das mag unrealistisch erscheinen, aber dass körperliche Gewalt zwischen Jungen Männern weniger wahrgenommen wird liegt daran das diese Form kaum skandalisiert wird. Sie ist akzeptiert, oder zumindest nicht Tabuisiert. Jungs sind eben Jungs und Krieg ist Krieg. Diese Form der Gewalt dreht sich oft um Hegemoniale Ansprüche irgendeines patriarchalen Rackets, wobei die die Logik der Gewalt dieselbe bleibt, egal ob Gang oder Staat. Oft geht es allerdings auch nur darum sich selbst als den Anforderungen der Männlichkeit genügend zu beweisen, die Grenzen zum ersten Kreis sind also fließend.
Den Dritten Kreis bildet die Gewalt der Patriarchalen Individuen gegen die “Anderen“. Dieser Kreis ist eigentlich weiter zu unterteilen, da wir es hier mit zwei substantiell unterschiedlichen Formen von Gewalt zu tun haben. Die eine ist die hegemoniale Gewalt gegen die legitimen Anderen, sprich cis-Frauen, die andere die schlussendlich auf Vernichtung abzielende Gewalt gegen alle die sich in das patriarchale Schema nicht einfügen.
Zur Kritik patriarchaler Gewalt
Die Kritik patriarchaler Gewalt verbleibt in ihrer Analyse hebt oft nur auf den dritten Kreis patriarchaler Gewalt ab. Dadurch wird in Ansätzen patriarchale Ideologie reproduziert, denn auch in dieser ist es dieser Kreis der Gewalt der am stärksten skandalisiert wird.
In patriarchalen Ideologien wird den legitimen „anderen“ (Frauen) im Allgemeinen zugeschrieben an sich „schwach“ und „Opfer“ von Gewalt zu sein. Die explizite Ideologische Anweisung an das patriarchale Individuum ist, diese „Opfer“ zu beschützen und so seinen hegemonialen Anspruch der Verfügungsgewalt über diese zu legitimieren. In diese Tabuisierung der körperlichen und sexuellen Gewalt gegen Frauen ist allerdings ihr Gegenteil bereits eingeschrieben. Wie Slavoi Zizek herausgestellt hat, bedingt jede Ideologische Regel zugleich die obszöne Über-Ich Anweisung ihrer Überschreitung.[5] Die „offizielle“ Tabuisierung der Gewalt gegen Frauen in der patriarchalen Ideologie, bedingt also gleichzeitig ihre libidinöse Aufladung und Erotisierung und garantiert so die permanente Reproduktion dieser Formen von Gewalt.
Ebenfalls Gegenstand einer Skandalisierung ist die Gewalt gegen die illegitimen „Anderen“ also alle, die sich nicht in den erlaubten Grenzen patriarchaler Identitäten verbleiben. Hier verläuft die Skandalisierung allerdings anders. Der „Skandal“ ist die bloße Existenz dieser Menschen, und die schlussendlich auf ihre Vernichtung abzielende Gewalt sein Korrektiv. Hier ist die Verknüpfung zum ersten Kreis patriarchaler Gewalt evident. Um sich selbst als patriarchales Subjekt zu erschaffen, muss sich das Individuum permanent auf sich selbst ausgeübter seelischer Gewalt unterwerfen, in dem Versuch dem patriarchalen Anspruch zu genügen dem es nicht genügen kann. Konfrontiert mit Personen, die patriarchale Zwänge nicht vollständig internalisieren (was die Voraussetzung für das ausleben einer trans-Identität ist) fühlt sich das patriarchale Individuum existenziell bedroht, da es seine unterdrückten Persönlichkeitsanteile auf sich selbst zurückgeworfen sieht. Was bleibt ist Projektion, Hass und das Anstreben der Vernichtung des „Anderen“, der schlussendlich dafür verantwortlich gemacht wird, dass das patriarchale Individuum dem patriarchalen Anspruch selbst nicht genügt.
Eine Kritik des Patriachats, die nur auf der Ebene der Skandalisierung dieser Formen von Gewalt verbleibt, stellt also das Patriachat als solches nicht in Frage, sondern verbleibt in Rahmen seines diskursiven Regelwerks.
Die Heteronormativität ist nicht Heteronormativ
Die Bezeichnung „heteronormativ“ für das „offizielle“ Regelwerk der Gender-Identitäten in unserer Gesellschaft, impliziert einen Dualismus wo keiner ist. Tatsächliche Heteronormativität würde Implizieren das es zwei Gesellschaftliche Normen gibt an denen die Individuen sich zu orientieren haben, dass des prototypischen Mannes und dass der prototypischen Frau. Es ist also Lohnenswert zu Untersuchen ob dem tatsächlich so ist. Hierzu am besten geeignet ist eine Untersuchung der großen Popkulturellen Erzählungen, in erster Linie Filme, die einen mehr oder weniger großen Anteil an der Persönlichkeitskonstruktion von jede*r von uns haben, und die die Schemata bereitstellen, nach denen wir uns selbst und andere kategorisieren. Ein Einfaches mittel dieser Untersuchung ist der Bechdel-Test[6]. Dieser Test besteht aus drei Fragen die an die Erzählung gestellt werden:
1. 1. Kommen Frauen in der Erzählung vor?
2. 2. Reden diese Frauen miteinander?
3. 3. Reden sie über etwas anderes als Männer?
Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der großen Mainstream Erzählungen besteht diesen Test. Jede*r kann das selbst nachprüfen.
Dies verdeutlicht eines: Den Nullpunkt, von dem aus in der Konstruktion von sexuellen Identitäten gemessen wird, bildet der prototypische Mann. Dieser ist kein konkretes Bild, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass er einen bestimmten Punkt im psychologischen Koordinatensystem besetzt. Er hat sich selbst absolut diszipliniert und ist jederzeit in der Lage seinen hegemonialen Anspruch gegen Jede noch so große Übermacht zu durchzusetzen. Er ist aber eben keine kohärente Figur, sondern nur der logische Endpunkt einer Projektion. Denn seine absolute Gewalt über sich selbst und andere bedeutet, dass alle Persönlichkeitsaspekte, die einen Menschen menschlich machen, in ihm ausgeschaltet sind. Er kann also nicht als Persönlichkeitsmodell bezeichnet, nur sein Ort in der patriarchalen Hierarchie kann benannt werden, er ist Inhaltsleer, eben der Nullpunkt von dem aus alle anderen gemessen werden. Er ist das Ideal nach dem das Patriarchale Individuum zu streben hat, was es allerdings nie erreichen kann, weil das die Vernichtung seiner selbst bedeuten würde.
Wenn aber keine prototypische Frau in unseren Erzählungen existiert, so bedeutet das doch folgendes: Frauen existieren im Regelwerk der patriarchalen Ideologie nur als defizitäre Männer, beziehungsweise als noch defizitärer als es Männer in diesem Regelwerk ohnehin schon sind. Defizitär natürlich aus Mangel an einem Penis, und der damit einhergehenden Unterstellung der Unfähigkeit zu Phallischer Gewalt. Während sich Männer in der patriarchalen Ideologie einem bestimmten Idealbild anzunähern haben, das nicht erreicht werden kann, können Frauen noch nicht mal das weil ihnen die elementare Voraussetzung fehlt. Sie haben ihre ganze Existenz an Männern auszurichten, insofern sie als legitime „Andere“ akzeptiert werden wollen und sich ihre ihrem hegemonialen Anspruch unterzuordnen, um so wenigstens Indirekt Teilhabe zu erfahren.
Wer diesem Fightclubmäßigen streben nach dem „Nullpunkt“ sexueller Gewalt durch eine queere Identität eben in die Quere kommt, der stellt das komplette unterfangen, ob beabsichtigt oder nicht, infrage, denn er*sie zeigt alternativen auf. Doch es kann nicht sein was nicht sein darf.
Patriachat und Kapitalismus im Wandel
Patriarchale Ideologie und Kapitalistische Ideologie bilden keinen komplex, sondern eine Dualität sich aufeinander beziehende und einander transformierende Systeme. Patriarchale Ideologie ist sehr viel älter als der Kapitalismus, sie muss sich aber, um wirksam zu sein entsprechend der Produktionsverhältnisse strukturieren. Erkennbar ist das zum Beispiel an dem Oben beschriebenen Wandel von der Haushaltsstrukturierung der Sklavenhaltergesellschaft zur Identitätskonstruktion im Industriellen Kapitalismus. Der Kapitalismus befindet sich gegenwärtig in einem weiteren Transformationsprozess, bedingt durch die permanent gewordene Überproduktionskrise. Durch den immer geringer gewordenen Anteil menschlicher Arbeit an der Produktion wird der Kapitalismus gefährdet, da das Potential besteht das der Zusammenhang zwischen Lohnarbeit und Existenzrecht des Menschen, der einen der Kernpunkte kapitalistischer Ideologie bildet, infrage gestellt wird. Am Ende kommen die Leute noch Massenhaft auf die Idee, Leben zu wollen ohne sich dafür vor dem kapitalistischen System durch Anteilnahme an der Profitmaximierung zu rechtfertigen. Die Reaktion darauf ist bekannt: Es ist der Totalitarismus des Marktes, der versucht jeden Lebensbereich betriebswirtschaftlicher Logik zu unterwerfen, und jede*n einzelnen für die Zurichtung durch die Lohnarbeit mobilisieren muss. Diesem Unterfangen steht die klassische patriarchale Ideologie, wie sie oben beschrieben ist, diametral im Wege, denn in dieser wird über die Hälfte der Menschheit aus der Sphäre produktiver Lohnarbeit verbannt und soll sich unentgeltlich um das Haus, die Kinder und die Küche kümmern.
Es muss also ein Transformationsprozess im Gange sein, der es der patriarchalen Ideologie ermöglicht vor dem Hintergrund eines veränderten Kapitalismus weiter zu existieren.
Was geht ab im Autonomen Zentrum?
Es ist interessant zu beobachten wie sich die Konstitution staatlicher Macht in autonomen Freiräumen reproduziert. Eine Gruppe von Menschen kommt zusammen und sieht sich intern mit dem Problem sexualisierter Gewalt konfrontiert. Die Reaktion fällt analog zur Ideologie staatlicher Machtausübung aus. Als wären sie voneinander Unabhängige Existenzen, übertragen die die Individuen einen Teil ihrer Verfügungsgewalt über sich selbst an eine Institution, in diesem Fall die Awareness Gruppe, mit dem Auftrag das diese sie vor Grenzüberschreitungen schützen soll. Dieser Institution als Projektion des gemeinsamen Willens hat Mensch sich nun unterzuordnen. Im Konzept der Definitionsmacht kommt schließlich der hobbessche Leviathan an seinen logischen Endpunkt. Der Leviathan ist tatsächlich jedes Individuum selbst, das Moment der repräsentativen Vermittlung ist ausgeschaltet. Dies bedeutet aber mitnichten das dadurch die grundsätzliche Logik staatlicher Macht ausgeschaltet wäre, denn die Definitionsmacht existiert nur im Rekurs auf die von allen beteiligten geschaffene Institution, nicht aus dem Respekt vor der Besonderheit des betreffenden Individuums heraus. Nun enthält aber wie oben beschrieben, jede Regelung die implizite Aufforderung zu ihrer Überschreitung. Im Falle der zweckgebundenen Machtübertragung ist diese Überschreitung der Machtmissbrauch. Wenn es um staatliche Macht geht ist dies mehr als evident. Es ist natürlich jedem bewusst, dass dies analog auch für die Konstitution von Awareness – Gruppen und Definitionsmacht gelten kann. Das Potential des Machtmissbrauchs reicht aus um für furchtbar viel Streit zu sorgen, unabhängig davon ob dies faktisch der Fall ist oder nicht.
Mit dieser Kritik soll diese Praxis nicht pauschal verurteilt werden. Wenn es gelingt sexualisierte Gewalt einzudämmen ist diese Praxis zu befürworten. Es sollte nur bedacht werden das hier patriarchale Gewalt mit den Mitteln des Patriachats angegangen wird. Es handelt sich also um ein Projekt der Elendsverwaltung, nicht der revolutionären infrage Stellung des Elends.
Problematisch wird diese Reproduktion staatlicher Machtverhältnisse in autonomen Freiräumen allerdings, vor dem Hintergrund der Transformation der patriarchalen Ideologie. Denn eine Kritik des Patriachats, die nur auf die ohnehin schon „skandalisierten“ dritten Kreis patriarchaler Gewalt abhebt, ist eine verkürzte Kritik. Es besteht die Gefahr, dass die Forderung nach einer Auflösung der Geschlechterrollen dann nur ihre Aufweichung bewirkt. Und zwar Aufweichung insofern als das die Position der Individuen im patriarchalen Gewaltverhältnis flexibler wird, nicht das es aufhört zu existieren. So treten dann alle in den ersten und zweiten Kreis patriarchaler Gewalt ein. Denn, dass die ersten beiden Kreise patriarchaler Gewalt in der Autonomen Szene nicht völlig aufgelöst sein können, liegt schon in der Konfrontation mit hegemonialen Rackets begründet. Eine Gruppierung die sich in Konfrontation mit Polizei oder Nazis begibt, muss zumindest temporär selber die Form eines hegemonial gewalttätigen Rackets annehmen. Das Kunststück besteht dann darin diese Form außerhalb der Konfrontation wieder abzulegen. Die bloße Menge der Kritik an „Antifa-Mackern“ belegt das dieses Kunststück ziemlich oft misslingt. Und das auch der dritte Kreis patriarchaler Gewalt nicht aufgehoben ist, sondern sich bestenfalls im Fluss befindet, ist auch recht Offensichtlich.
Es besteht also die Gefahr, das patriarchale Gewalt durch Autonome Politik nicht in Frage gestellt wird, sondern das es den Individuen bloß ermöglicht wird zwischen den verschiedenen Kreisen patriarchaler Gewalt hin und her zu rutschen. Das ist aber ziemlich genau die Struktur die patriarchale Ideologie haben muss, um unter den Bedingungen des Postindustriellen Kapitalismus weiter zu existieren.