[PF] Auch friedliche Demonstranten holen sich kalte Füße im Wartberg-Kessel

Erstveröffentlicht: 
24.02.2013

Pforzheim. So sollte der Jahrestag der Zerstörung Pforzheims am 23. Februar 1945 eigentlich nicht ablaufen: Auf der einen Seite eine Fackelmahnwache des „Freundeskreis - Ein Herz für Deutschland“ auf dem Pforzheimer Wartberg und weitere Rechtsextreme, die in Mühlacker eher aus Verlegenheit und spontan eine zweite Fackelmahnwache starten. Und auf der anderen Seite einige gewaltbereite Antifaschisten, die sich in vorderster Front auf dem Wartberg positioniert haben, um das Treiben der Rechtsextremisten zu blockieren. Mittendrin sind am Samstagnachmittag aber nicht nur gewaltbereite Linksautonome, sondern auch friedliche Pforzheimer jeden Alters.

 

Zum Beispiel ein paar Familien mit Kindern und Jugendlichen, die sich spontan der Demonstration am Ende der Kundgebung der "Initiative gegen Rechts" angeschlossen haben und sich gemeinsam auf den Weg durch die Nordstadt in Richtung Wartberg machen. Auch ein paar Kollegen aus der „Pforzheimer Zeitung“ sind dabei.

 

Nach gefühlten zehn Kilometern Fußmarsch kreuz und quer durch die Stadt kommt der Demonstrationszug auf der Wiese neben dem Wartberg-Freibad an. Das Erstaunen, ohne Eingreifen der Polizei mit so vielen Menschen bis auf den Wartberg gelangt zu sein, hält allerdings nicht lange an. Kurz darauf beginnt die Polizei einen Kessel zu bilden. Rausgelassen werden soll niemand. Die ersten Demonstranten versuchen wohl eher aus Panik rennend an den Seiten auszubrechen.

 

Mahnwache der Rechtsextremen, Demonstration der Neonazi-Gegner, Großaufgebot der Polizei – haben Stadtverwaltung und Politiker genug getan, um den Gedenktag würdig feiern zu können?
Angst und Unbehagen empfinden bestimmt viele friedliche Nazi-Gegner am hinteren Rand der Gruppe. Zwei ältere Frauen, schätzungsweise um die 60, versuchen aus dem Kessel herauszukommen. Nicht möglich. Eine andere Frau möchte in die Büsche, um auf die Toilette zu gehen. Das darf sie nicht. Zwischendrin stehen viele Jugendliche, die noch nicht volljährig sind. Schon nach 20 Minuten sind die Füße eiskalt.

Zwischendurch stellt sich mir die Frage: Was ist eigentlich „vermummen“? Eine Mütze plus Schal vor dem Mund gegen die klirrende Kälte? Die Kapuze vom Parka aufsetzen, damit es nicht an den Nacken zieht? Nicht jeder im Wartberg-Kessel ist ein Linksautonomer. Viele Pforzheimer, die sich hier einfinden, wollen nicht gewalttätig sein.

 

Wir haben Glück und können den Kessel verlassen. Nach etwa 90 Minuten treten wir den Rückweg in die Stadt an. Das können nicht alle. Der Kessel wird laut Twitter-Meldungen erst nach 23 Uhr aufgelöst. Vorbei geht es am „Lidl“ und dem „Café Hasenmayer“, wo einige Nazi-Gegner die Zufahrt zum Wartberg blockieren. Wieder sind auch viele ältere Bürger dabei oder ein paar junge Demonstranten, die mit Trommeln und Gesang ihre Meinung kundtun: „Ihr habt Fackeln, wir haben Sticks. Wir können Samba, Ihr könnt nix.“

 

Da wissen sie noch nicht, dass die Teilnehmer der Fackelmahnwache längst zum größten Teil auf dem Wartberg sind und ihre Versammlung (fast) wie geplant abhalten können. Bei Twitter und Facebook, das kann man live verfolgen, werten die vielen Demonstranten es aber doch als Erfolg, den Ablauf durcheinandergebracht zu haben. Den Erfolg aber schmälern so Aktionen wie Steinwürfe oder Pfefferspray-Attacken gegenüber den Polizisten. Gewalt bringt einfach nichts - egal von welcher Seite.