Für die einen ist es ein liebgewonnenes Traditionsfest, für andere eine Plattform für rechtes Gedankengut. Der Marktfrühschoppen spaltet die Lager. Ob es 2013 das "kürzeste Volksfest der Welt" gibt, ist unklar.
Marburg. Pünktlich um 11 Uhr auf dem Marktplatz mit einem Bierchen anstoßen, die Begegnung von Studentenverbindungen mit Marburger Bürgern feiern - das ist das Ziel der Traditionsveranstaltung. Im vergangenen Jahr jedoch erteilte Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) dem Fest nicht seine Zustimmung. Grund: Burschenschaften mit extremer rechter Einstufung nutzten im Vorfeld die Veranstaltung für ihre Werbezwecke. Dem wollte der Rathaus-Chef keine Plattform bieten. Die Stadtteilgemeinden, die das Fest bisher ausrichteten, stimmten ebenfalls für die Absage. Bleibt die große Frage: Was passiert im Juli 2013 - hat das Fest eine Zukunft?
Genau diese Frage stellt die Burschenschaft Alemannia in ihrem Verbindungshaus und hat sich lokale Politiker zur Diskussionsrunde eingeladen. „Zusammen mit den gewählten Stadtverordneten sollen die Chancen für den Fortbestand des Marktfrühschoppens thematisiert werden“, sagt Serhat Sarikaya, Sprecher der Burschenschaft. Auf dem Podium treffen neben den Vorsitzenden der SPD und CDU-Fraktion, Steffen Rink und Philipp Stompfe, auch Jan Sollwedel (Grüne), Roland Frese (Bürger für Marburg) sowie der Vorsitzende des FDP Kreisverbandes Marburg-Biedenkopf, Jörg Behlen, aufeinander. Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag um 19 Uhr im Verbindungshaus im Hainweg 9. Vorab ist klart: Es prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander. Für Steffen Rink (SPD) ist das Fest in dieser Form tot. „Die Veranstaltung hat sich durch die Diskussion der letzten Jahre überlebt.“ Man dürfe keine Plattform für rechtsradikale Gesinnung bieten. „Wer seine Mitgliedschaft auf rechtem Gedankengut basiert, der hat dort nichts verloren.“
Ziel: Neue Form eines Marburger Festes finden
Diese Diskussion werde aber immer wieder beim Marktfrühschoppen aufkommen. Würde man an dieser Veranstaltung festhalten, wäre das nicht zum Wohl des Festes, nicht zum Wohl die Festkultur und schlussendlich nicht zum Wohl der Stadt. „Es gilt nun, eine neue Form für ein Volksfest zu finden“, sagt Rink und erntet dazu nur ablehnendes Kopfschütteln. „Es war ein Fehler, den Marktfrühschoppen im vergangenen Jahr nicht auszurichten“, sagt Philipp Stompfe (CDU). Ein demokratisches, großes Volksfest aufgrund rechts- und linksextremistischer Störungen abzusagen stellt den Fraktionsvorsitzenden auch rechtsstaatlich vor große Schwierigkeiten. „Was ist dann die nächste Stufe?“.
Historische Aspekte bringen die „Bürger für Marburg“ in die Diskussion ein. „Es wird immer vergessen, dass die Burschenschaften die treibende Kraft der deutschen Revolution von 1848 waren“, sagt Andrea Suntheim-Pichler. Die meisten Studentenverbindungen gingen mit der Zeit und wüssten, dass sie sich demokratisch ausrichten müssen.
Die Diskussion habe der Stadt nur geschadet. „Was wollen denn die Füxe der Verbindungen und die Besucher des Marburger Frühschoppens? Ein paar Stunden Spaß haben und bei guter Laune auf dem historischen Marktplatz ein paar Bierchen trinken. Nicht mehr und nicht weniger“, sagt die Stadtverordnete und ergänzt: „Rechte Studentenverbindungen wie die Rheinfranken oder die Germanen dürfen aus unserer Rechts- und Staatsauffassung nicht gestützt werden. Es ist aber der falsche Weg, diese zu isolieren, da das aggressive Verhalten gegen die Linke zusätzlich geschürt wird.“ Die Bürger seien es am Ende, die in eine rechte Ecke gestellt würden.
Mit Spannung wird Oberbürgermeister Vaupel die Debatte im Verbindungshaus verfolgen. Eine Entscheidung, ob das Volksfest 2013 ausgerichtet wird, ist noch nicht gefallen. Unter anderem will er den Ausgang der Alemannia-Veranstaltung abwarten. Eine Tendenz gebe es zwar. Fakt für ihn ist aber einzig: „Burschenschaften mit rechter Gesinnung will ich keine Plattform geben.“
von Carsten Bergmann