Die Ludwigsburg-Verbindung des NSU

Erstveröffentlicht: 
30.01.2013

Neonazis Immer mehr Hinweise belegen, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Kontakte in die Barockstadt und Umgebung gehabt haben. Der NSU-Untersuchungsausschuss will sich diesen Komplex deshalb noch einmal gesondert vornehmen. Von Hilke Lorenz

 

Ludwigsburg Das Foto zeigt Beate Zschäpe vor dem Ludwigsburger Schloss. Der NSU-Terror scheint damit auf einmal ganz nah. Das Bild lasse sich zeitlich grob einordnen, sagt Clemens Binninger (CDU), Bundestagabgeordneter aus dem Kreis Böblingen und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Es müsse vor den Fassadenarbeiten am Schloss im Jahr 2004 entstanden sein. Genauer datieren lässt sich der Fund aus der im November 2011 von Beate Zschäpe zerstörten Zwickauer Wohnung nicht.

Am Wochenende wartete die Berliner Tageszeitung taz nun mit einer weiteren Ludwigsburg-Episode auf, die intensive Beziehungen Uwe Mundlos' und Uwe Böhnhardts in die Stadt belegt. Eine Person aus dem Umfeld des NSU-Trios berichtete den Ermittlern des Bundeskriminalamtes (BKA) der taz zufolge von einem Einkauf Uwe Mundlos' in einer Kaufland-Niederlassung. Der Befragte erinnert sich an eine bemerkenswerte Szene: Uwe Mundlos soll einen farbigen Kunden bemerkt und ausgerufen haben: 'Schaut mal, da kommt ein Nigger.' Danach soll er auf die Knie gegangen sein und 'Weiche von mir!' in Richtung des Kunden gerufen haben. Das Ganze habe sich im Jahr 2003 zugetragen. Da hatte das Trio schon regelmäßig, auch das belegen die Anhörungen des Untersuchungsausschusses, Kontakt in die rechte Szene der Stadt.

Ins Visier der Ermittler ist Ludwigsburg aber schon 1998 geraten, wenn auch nur kurz. Im Januar hatte die Polizei in einer Garage in Jena unter anderem Adresslisten gefunden. Die Auflistung, so Binninger, lese sich wie eine Landkarte der Flucht und der Tatorte des NSU: Jena, Chemnitz, Nürnberg, Rostock - und Ludwigsburg. Die Telefonnummern wurden überprüft und zu­geordnet. Man kam damals aber zu der ­Erkenntnis, dass die Ludwigsburger Telefonnummern auf dem zwei bis drei Seiten umfassenden, handschriftlich ergänzten Worddokument nicht in Zusammenhang mit den in der Garage beschlagnahmten Rohrbomben und dem Sprengstoff stünden.

Der Thüringer BKA-Beamte, der damals vor Ort war, soll demnächst vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Und in naher Zukunft soll dort der Komplex Ludwigsburg-Heilbronn noch einmal genau durchleuchtet werden. Das hat auch der Generalbundesanwalt getan, nachdem seine Behörde im November 2011 die Ermittlungen übernommen hatte. Der Behördensprecher Marcus Köhler sagte auf Anfrage: 'Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Beteiligung ortskundiger Dritter an den Anschlägen des NSU haben die Ermittlungen bisher nicht ergeben.' Einzelauskünfte gibt die Bundesanwaltschaft mit Blick auf die mittlerweile erhobene Anklage gegen Beate Zschäpe am Oberlandesgericht München nicht.

Direkte Anhaltspunkte für einen geplanten Anschlag in Ludwigsburg gibt es bis jetzt ebenfalls nicht. Zwar gibt es einen Stadtplan mit Markierungen, der in der Zwickauer Wohnung gefunden wurde, aber es gebe auch viele vergleichbare Pläne anderer Städte, so Binninger. Darüber, ob die Kontakte in die Ludwigsburger Kernstadt gehen oder in den Kreis, liegen bislang keine Angaben vor. Die Rede ist vielmehr von der Region Ludwigsburg-Heilbronn. Der Bezug dorthin ist im Fall der in Heilbronn ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter mit Händen zu greifen. 'Das Motiv für den Mord liegt jedoch noch völlig im Dunkeln', sagt Hartfrid Wolff (FDP), ebenfalls Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses. Fakt ist jedoch, dass das Zwickauer Wohnmobil, mit dem die Täter flüchteten, am Tattag, 25. April 2007, um 14.37 Uhr bei Oberstenfeld registriert wurde. Eine Spur, die die zuständige Sonderkommission nicht verfolgt hat, obwohl ein Zeuge am Tag zuvor ein Wohnmobil am späteren Tatort bemerkt hatte, so die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses.

Im Moment sitzt ein Team von drei Ermittlungsrichtern über dem Aktenberg, den der thüringische Verfassungsschutz in Form von 1800 Ordnern mit ungeschwärzten Schriftstücken an den Untersuchungsausschuss übergeben hat. Sie sichten weitere Akten für den Ausschuss.

 

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Die Spuren der Terrorzelle im Raum Stuttgart

 

Taten. Nach bisherigen Erkenntnissen gehörten zum NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die als rechtsterroristisch eingeordnete Gruppierung soll von 2000 bis 2006 neun Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln getötet haben. Bei einem Nagelbombenattentat wurden 2004 in Köln 22 Menschen verletzt. Auch der Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn wird dem NSU zugerechnet. Mundlos und Böhnhardt entzogen sich im November 2011 ihrer Verhaftung durch Selbstmord.

Region. Neben Verbindungen in den Kreis Ludwigsburg hatte die Terrorzelle offenbar auch Kontakte in den Rems-Murr-Kreis. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff, der auch Mitglied des Untersuchungsausschusses ist, hat vor Kurzem bestätigt, dass im Rems-Murr-Kreis aus dem Umfeld der NSU zwei Personen wohnen oder zumindest dort gewohnt haben sollen. In Stuttgart soll der NSU im Jahr 2003 einen Dönerimbiss und einen Lebensmittelladen beim Nordbahnhof ausgespäht haben