Kleine Anfrage
Die Deutsche Burschenschaft ist zuletzt noch weiter nach rechts gerückt, doch die Bundesregierung nimmt den Dachverband weiter in Schutz - es handele sich um Einzelfälle. Das entzürnt die Opposition: Berlin schütze die Bünde "aus Rücksichtnahme auf die vielen Alten Herren in Politik und Wirtschaft".
Die Deutsche Burschenschaft (DB) steht politischer weiter rechts als zuvor, ist tief zerstritten und einige national-liberale Bünde haben deswegen den Dachverband verlassen. Trotzdem sagt die Bundesregierung: "Auch zum jetzigen Zeitpunkt liegen der Bundesregierung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dachverband der Deutschen Burschenschaft (DB) Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind."
Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, hatte mit ihrer Fraktion erneut zur Deutschen Burschenschaft eine Kleine Anfrage gestellt, zuletzt stellte sie im vergangenen Sommer eine Anfrage zum Dachverband. Die Antworten der Regierung, die SPIEGEL ONLINE vorliegen, ähneln sich - und das verärgert die Opposition.
Bundesregierung schaut genau hin
Denn in der Zwischenzeit hat sich der Zwist im Dachverband verschärft, etwa durch die umstrittenen Abstimmungsergebnisse auf dem außerordentlichen Burschentag im November in Stuttgart. Dort hatten liberale Burschenschaften beispielsweise beantragt, dass eine Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung unvereinbar sein soll mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft. Zwar ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen worden, aber in entscheidend veränderter Form: Statt der Mitgliedschaft in einer "verfassungsfeindlichen" Organisation ist nun die in einer "nationalsozialistischen" Organisation verboten - ein Kriterium, das ungleich schwerer zu belegen ist. Dazu erklärte die Regierung: Dies könne ein Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen sein.
Obwohl die jüngsten Antworten der Regierung teilweise denselben Wortlaut haben wie die aus dem Sommer 2012, wird aus dem jetzigen Dokument deutlich: Die Bundesregierung schaut offenbar genauer hin - vor allem auf einige Mitglieder. "Vereinzelt sind Burschenschafter Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen beziehungsweise bestehen Kontakte rechtsextremistischer Personen oder Organisationen zu einzelnen Burschenschaften", heißt es in dem Schreiben. Verdichteten sich solche Anhaltspunkte bei einer Burschenschaft, dann werde diese durch das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.
In Einzelfällen seien bereits Informationen unter anderem über das neu eingerichtete Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum (GETZ) ausgetauscht worden, "die mögliche Bezüge zu Mitgliedern von Burschenschaften aufwiesen". Diese Informationen seien an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden. Bei der Gesamtbewertung des Dachverbandes berücksichtige die Bundesregierung zudem unter anderem auch weiterhin "Argumentationsmuster von Einzelpersonen im Zusammenhang mit dem abstammungsbezogenen Volkstumsbegriff".
"Wie viele Naziskandale muss es noch geben?"
Jelpke kritisierte diese Bewertung. "Wie viele Naziskandale muss es noch geben, bis endlich auch die Bundesregierung erkennt, dass die Deutsche Burschenschaft kein demokratischer Studentenverband ist, sondern von knallharten Rechtsextremisten dominiert wird?" Die Regierung räume immer nur Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ein, weigere sich aber beharrlich, diese Vorfälle zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. "Der Verdacht liegt nahe, dass die Bundesregierung aus Rücksichtnahme auf die vielen Alten Herren in Politik und Wirtschaft ihre schützende Hand über die Deutsche Burschenschaft breitet", sagte Jelpke.
Der außerordentliche Burschentag in Stuttgart war notwendig geworden, weil beim Burschentag in Eisenach 2012 eine tiefe Zerrissenheit zwischen eher liberalen und extrem konservativen Burschenschaften sichtbar geworden war. Zu einer Auflösung des Dachverbandes DB kam es in Stuttgart jedoch nicht - anders als von liberalen Burschenschaftern zuvor gefordert.
Aktuell hat die Wiener akademische Burschenschaft Teutonia den Vorsitz der DB. Sie zählt zu den extrem konservativen Studentenverbindungen, interne Papiere und bisher unbekanntes Propagandamaterial offenbarten: Dort herrscht rechtsextremes Gedankengut. Hierzu teilte die Bundesregierung jetzt mit: Die Wiener Teutonia sei ein "ausländischer Personenzusammenschluss, zu dem der Bundesregierung keine verfassungsschutzrelevanten Informationen vorliegen".
lgr/dapd