Deutschland
Studentenverbindungen werden oft mit rechten Ideen in Verbindung gebracht. Ihr Dachverband versucht das angeschlagene Image zu verbessern. Doch die jüngsten Skandale erschweren das.
Die Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft sei "unvereinbar mit der in einer Organisation, die nationalsozialistische Ziele verfolgt", heißt es in einer Pressemitteilung des Dachverbandes der Deutschen Burschenschaft. Denn die deutschen Burschenschaften empfinden die wiederkehrenden Berichte über ihre Nähe zum rechten Rand als Imageschaden. "Der Schaden ist aber schon in der Welt - weil ein Zusammenhang hergestellt wird, der für die meisten unerträglich ist. Dagegen kann man jetzt nur noch wenig tun", erzählt Michael Schmidt von der liberalen Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) im Gespräch mit der DW.
Wertegemeinschaft: "Ehre, Freiheit, Vaterland"
Entstanden sind die Korporationen im 19. Jahrhundert, zunächst als staatskritisches Organ. "Ehre, Freiheit, Vaterland", lautete ihr Grundsatz. Ähnlich wie die Kämpfer der französischen Revolution betonten sie die Verbundenheit zum Vaterland und die Orientierung an militärischen Werten. Später vereinnahmten die Nationalsozialisten die Studentenorganisationen. Erst in den 1970er Jahren öffneten sich einzelne liberale Studentenbündnisse für Frauen, andere Nationalitäten und nicht-christliche Konfessionen.
Heute besteht der Dachverband Deutsche Burschenschaft aus 123 Bünden und 10.000 Verbindungsbrüdern. Bei flaggentragenden Burschenschaften werden zu offiziellen Anlässen militär-ähnliche Abzeichen am Revers getragen, ältere Mitglieder - sogenannte "alte Herren" - fühlen sich für die Karriereförderung der jüngeren zuständig. Wer Verbindungsstudent war, zahlt ein Leben lang für die Gemeinschaft. Die Vorteile für Erstsemester sind gerade in Großstädten zunächst offensichtlich: schnell soziale Kontakte knüpfen, billig in einem oft luxuriösen Verbindungshaus leben und sich einer Elite zugehörig fühlen, ohne sich zuvor über Leistung qualifizieren zu müssen. Manche Burschenschaften identifizieren sich über Narben, die bei Fecht-Duellen entstanden sind. Mit all dem lässt sich angeben - und mit solchen Argumenten werben die Verbindungen für sich.
"Diese Welt ist unfassbar komplex, und wenn da jemand einfache Deutungsschemata anbietet (wie die Burschenschaften, Anm. d. Red.), ist das für manche Leute natürlich attraktiv", erklärt der Soziologe Armin Nassehi im Interview mit der DW. "Darin unterscheiden sich die Burschenschaften nicht von Opus Dei oder der RAF."
Aufnahmebedingung "Arier-Nachweis"
Der Imageschaden der Burschenschaften, von dem auch Schmidt von der liberalen IBZ spricht, liegt ein knappes Jahr zurück. Vor dem Burschentag im vergangenen Frühjahr kam es zum Eklat: Die Verbindung "Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks in Bonn" plante einen Antrag, die Deutschstämmigkeit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in die allgemeine Satzung aufzunehmen. Auslöser war ein deutscher Staatsbürger mit chinesischen Eltern, Bursche bei "Hansea Mannheim". Der Antrag wurde noch vor dem Burschentag zurückgezogen. Doch wurde die "grenzwertige Formulierung", wie Schmidt sie nennt, da bereits breit in der Öffentlichkeit debattiert.
Mitglieder eine sogenannten Schlagenden Verbindung trinken Bier. Foto: Wolfram Steinberg Exzessives Trinken gehört zu den burschenschaftlichen Ritualen
Weitere Skandale kamen dazu. So betitelte Norbert Weidner, ehemaliger Sprecher der Deutschen Burschenschaft und Mitglied eben jener konservativen "Raczeks" den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in einem öffentlichen Brief als "Landesverräter". Dessen Ermordung durch die SS bezeichnete er als "juristisch gerechtfertigt". "Diese Auffassung hat es in der Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre in breitem Maße gegeben, fast die Hälfte der Bevölkerung war damals dieser Meinung", stellt der Widerstandsforscher Joachim Perels, emeritierter Professor für Politikwissenschaft in Hannover, im Interview mit der Deutschen Welle fest.
"Aber rechtlich ist sie falsch: Es hat einen Prozess gegeben, dass Bonhoeffer und andere Deutschland aus den Klauen einer korrupten Politikerclique reißen wollten. Der Widerstand war auf die Rettung Deutschlands gerichtet." Das Gefährliche an den Burschenschaften sei, dass ausgerechnet hier keine Aufarbeitung des historischen Erbes stattgefunden habe: "Die Gedankenwelt der 20er Jahre - antisemitisch, antidemokratisch, antiliberal, antipazifistisch - ist von den Burschenschaften nie selbstkritisch aufgearbeitet worden. Aber erst das wäre ein Schritt nach vorne!", so Perels.