Die NPD / JN am Samstag in Mittelhessen

Erstveröffentlicht: 
17.09.2012

Am 15.9. wurden im Rahmen des „Bundesweiten Aktionstages gegen den Euro“ in (Mittel-)Hessen verschiedene Aktionen der NPD und ihrer Jugendorganisation JN durchgeführt.


Giessen - „Mahnwache“ erst verhindert, dann verlegt.

Für den 15.9. hatte die NPD in Giessen zwischen Karstadt und Elefantenklo eine sogenannte „Mahnwache“ gegen den Euro angemeldet. Diese sollte um 13 Uhr beginnen.
Um kurz vor 13 Uhr belegten allerdings ca. 30 Antifaschist*innen den Platz. Aufgerufen zu den Gegenaktionen hatten Teile des Bündnisses „Giessen bleibt Nazifrei“. Nachdem dieser Ort besetzt war, mussten Polizei und Ordnungsamt auch registrieren, dass diverse andere Plätze in und um die Fußgänger*innenzone bereits von ähnlich großen Gruppen von Antifaschist*innen belegt waren.
Somit war an diesem Punkt die Aktion ein voller Erfolg, da es sowohl verhindert wurde, dass die Nazis an ihrem ursprünglich angemeldeten, als auch an einem ähnlich öffentlichkeitswirksamen Ort stehen konnten.

Da die Stadt Giessen, das Ordnungsamt und die Polizei sich aber scheinbar fest vorgenommen hatten den Neofaschist*innen, ähnlich wie letztes Jahr bei dem Aufmarsch der NPD/JN, mit allen Mitteln zu ermöglichen ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten zu können, wurde den Nazis ein Ausweichplatz an der Galerie Neustädter Tor zur Verfügung gestellt.


Dass dies von aufgeklärten Menschen nicht hingenommen werden kann, war einige Minuten später zu sehen, als ca. 50-70 Antifaschist*innen auf den Platz strömten. Das Vorhaben, die Nazis einzukreisen und ihnen somit die Öffentlichkeit zu nehmen, funktionierte hier leider nur zum Teil; diverse Polizist*innen und zwei Menschen vom Ordnungsamt verhinderten dies. Da es zum Aktionskonsens des Bündnis „Giessen bleibt Nazifrei“ gehört, weder Situationen zum Eskalieren zu bringen, noch Gewalt auszuüben, wurde den Nazis lediglich verbal eine Absage erteilt und Passant*innen mit Flugblättern über die Situation informiert. Wie unnötig eine Verlegung war, zeigt der Umgang mit solch einer Aktion in Alsfeld am selben Tag (s.u.).

Gewalt, Eskalation, Provokation

Bereits letztes Jahr im Vorfeld des Naziaufmarsches wurde dem Bündnis „Giessen bleibt Nazifrei“ unterstellt gewaltbereit agieren zu wollen. Allerdings kam es weder während des Aufmarsches der Neofaschist*innen, noch während der „Mahnwache“ zu ernsthaft körperlicher Gewalt. Vielmehr zeigte sich wieder einmal, dass diese auch während solcher Veranstaltungen von den Nazis ausging und ausgeht. So wurde ein Gegendemonstrant von einem „Autonomen Nationalisten“ aus Wetzlar angegriffen und ins Gesicht geschlagen. Darüber hinaus versuchte die Polizei die Situation mittels überzogener Maßnahmen immer wieder zum Eskalieren zu bringen. Angesichts einer deutlichen personellen Überzahl seitens der Antifaschist*innen wären weitergehende Aktionen sicherlich möglich gewesen, allerdings nicht unter Einhaltung des Aktionskonsens.

Und Bunt?

Zu fragen bleibt, was überhaupt aus „Giessen bleibt bunt“geworden ist? Das Bündnis, welches letztes Jahr kurzerhand aus einem Desaster einen Erfolg zaubern wollte, blieb fern. Aufgrund des mit Sicherheit besseren Kontaktes zum Ordnungsamt, sollte die „Mahnwache“ auch Teilen des „Giessen bleibt bunt“-Bündnisses bekannt gewesen sein. Dass es an diesem Tag sicher hilfreich gewesen wäre, dass sich noch mehr Menschen gegen die Nazis stellen, ist offensichtlich. Ob es an mangelnden Wurstbuden oder mangelndem politischen Bewusstsein lag ist unklar.
Doch fällt auch in diesem Zusammenhang wieder auf, dass die SPD mit ihrer Forderung von 2006 - damals in der Opposition - alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um solche Aktionen zu verhindern, sich selbst nicht gerecht wird. Dass wir uns nicht auf solche Versuche und ein positives Ergebnis verlassen würden, ist klar. Dem entgegen steht der Wille ein politisches Signal zu setzen,  durch den Versuch solche Aktionen zu verbieten. Nichts davon scheint gewollt zu sein. Vielmehr ist die Absicht zu erkennen, solche Aktionen möglichst geräuschlos hinter sich bringen zu wollen.

Erfolg?

So bleibt am Ende eine zweiseitige Bewertung der Gegenaktionen. Einerseits kann das Besetzen der Plätze am und um den Seltersweg, sowie die Mobilisierung in wenigen Stunden durchaus als Erfolg gewertet werden. Andererseits ist es mehr als unbefriedigend, im Anschluss vor einem Dutzend Nazis zu stehen und keine Möglichkeit zu haben solch eine „Mahnwache“ gewaltfrei zu verhindern.

Neben Giessen auch Friedberg, Alsfeld und Wetzlar

Friedberg – Perfiderweise suchte sich die NPD Wetterau an diesem Tag Friedberg für ihre Aktion aus, wo zeitgleich eine Gedenkveranstaltung stattfand. Die Gedenkveranstaltung sollte an 300 Menschen aus Friedberg erinnern, die vor 70 Jahren durch die Nazis in Konzentrationslager deportiert wurden. Währenddessen verteilten die ideologischen Erben Flugblätter im Innenstadtbereich.

Alsfeld – In Alsfeld verhinderten, laut Presseberichten, dutzende Gegendemonstrant*innen einen geplanten Stand der NPD und vertrieben die Nazis von ihrem Versammlungsort. Nach nur einer Stunde wurden die Nazis dann von der Polizei zu ihren Autos geleitet.

Wetzlar – Nach der Aktion in Giessen führten dieselben Nazis, nach eigener Angabe, in Wetzlar eine weitere „Mahnwache“ durch und realisierten am Abend noch eine Veranstaltung im Lahn-Dill-Kreis, die zur Mobilisierung für den Naziaufmarsch am 10.11.12 in Hünfeld diente.

Die Hoffnung, dass aufgrund des geschichtsträchtigen Datums dieser Aufmarsch verboten wird, schwindet allerdings bei genauerer Betrachtung des Umgangs von Städten und Gemeinden in Bezug auf Neonazis.

Für Giessen hat sich die Vermutung, dass NPD/JN nach ihrem erfolgreichen Aufmarsch 2011, der von der Stadt ermöglicht und von der Polizei hofiert wurde, wiederkehren würden, an diesem Tag bestätigt. Lena Roth von der Antifa R4 zog abschließend das Fazit: „Es hat sich heute einmal mehr gezeigt, dass im Bereich Antifaschismus kein Verlass auf städtische oder staatliche Strukturen ist, auch nicht in Gießen. Es liegt an uns einen konsequenten antifaschistischen Widerstand zu organisieren.“