Hoyerswerda
Im 
September 1991 griffen Neonazis unter Mithilfe und Applaus vieler 
Bürger_innen zwei Wohnheime von Vertragsarbeiter_innen und Asylsuchenden
 im ostsächsischen Hoyerswerda an (Videos).
 Mehrere hundert Menschen belagerten die Unterkünfte fünf Tage lang, bis
 schließlich alle Heimbewohner_innen aus der Stadt gebracht wurden. 
Nationale und internationale Medien berichteten über die Geschehnisse. 
Die „Evakuierung“ aller Bewohner_innen der Heime wurde nicht nur in 
Hoyerswerda selbst von vielen als „Erfolg“ gewertet. Die Angriffe 
bildeten damit den Startschuss für eine jahrelang anhaltende Welle der 
rassistischen Gewalt im wiedervereinigten Deutschland, die neben 
hunderten Verletzten zahlreiche Todesopfer forderte.
Anlässlich des zwanzigsten Jahrentages gründete sich im Jahr 2011 die Initiative Pogrom91,
 um sich für eine kritische Aufarbeitung der Pogrome einzusetzen. Auch 
20 Jahre nach dem rassistischen Pogrom schienen nur die Wenigsten in 
Hoyerswerda bereit zu sein, sich offensiv mit der eigenen Vergangenheit 
auseinanderzusetzen. Auf kritische Berichterstattung und Interventionen 
reagiert die Stadtpolitik seit jeher vor allem mit medialer Hetze und 
Geschichtsverdrehung. Ihren Höhepunkt fand diese Art der 
„Vergangenheitsbewältigung“ während eines Besuches ehemaliger 
Vertragsarbeiter_innen und Asylsuchender im vergangenen Herbst. Bei
 der Besichtigung eines der damaligen Wohnheime kam es wiederholt zu 
rassistischen Pöbeleien und schließlich zu einem Übergriff durch Nazis 
und Anwohner_innen, obwohl der amtierende Bürgermeister Stefan Skora
 auf Anfrage im Vorfeld keine Bedenken hinsichtlich eines Besuches 
geäußert hatte. Im Nachgang wurde dieser Angriff von lokalen Medien und 
dem Oberbürgermeister wahlweise verharmlost oder gänzlich in Frage 
gestellt.
Auf einer Demonstration von antifaschistischen 
Initiativen, die sich unter anderem für ein dauerhaften Denkmal zur 
Erinnerung an das Pogrom von 1991 eingesetzt hatten, reagierte die Stadt
 mit einem massiven Polizeiaufgebot und der in Sachsen üblichen Warnung 
vor „gewaltbereiten Extremisten von außerhalb“. Als überaus gewalttätig 
zeigten sich am 20ten Jahrestag der Anschläge jedoch wiederum nur 
örtliche Neonazis, die unter den Augen der Polizei stundenlang in 
Gruppen durch die Stadt patroulierten, Autos von 
Demonstrationsteilnehmer_innen beschädigten und schließlich eine 
Schweigeminute für die Mordopfer rassistischer und rechter Gewalt mit 
Parolen und Drohungen störten. Zeitgleich „gedachten“ Vertreter_innen 
der Stadt ausgerechnet zusammen mit dem „Bund der Vertriebenen“ beim 
eigens ausgerufenen „Tag der Heimat“ der „extremistischen 
Ausschreitungen“ von Hoyerswerda.
Wie schon 1991 stellte die Polizei 
unter Beweis, dass sie sehr wohl in der Lage ist zu handeln, so lange es
 gegen Antifaschist_innen geht. So müssen sich demnächst 
Teilnehmer_innen der Demonstration vor Gericht verantworten. Sie hatten 
sich die Hand vors Gesicht gehalten, um von den Neonazis, die die Demo 
umlagerten, nicht fotografiert zu werden. Der Vorwurf durch die 
Behörden: „Vermummung“.
Auch nach dem Abklingen der medialen 
Aufmerksam hat sich nichts am offen zur Schau gestellten 
Geschichtsrevisionismus seitens der Stadt, ihrer Initiativen und vieler 
Bürger_innen geändert. Die Forderungen für ein dauerhaftes Denkmal für 
die Betroffenen des Pogroms steht nach wie vor im Raum. Tätig wurden die
 Behörden hingegen gegen Teilnehmer_innen der Gedenkdemonstration.
Die Initiative Pogrom91 und die Kampagne „Rassismus tötet!“
 wollen in diesem Jahr noch einmal nach Hoyerswerda fahren und auf die 
Ereignisse von 1991 und aus dem letzten Jahr aufmerksam machen. 
Desweiteren rufen
 sie dazu auf, bundesweit am 17. September in verschiedenen Städten 
Videokundgebungen und öffentliche Filmvorführungen stattfinden zu 
lassen, um die Geschichte des Pogroms, als auch die heutigen Zustände in
 Hoyerswerda zu thematisieren.
Delitzsch
In der nordsächsischen Stadt Delitzsch hat der Naziübergriff vom 18.3., bei dem ein Mensch als Folge wohl auf einem Auge blind bleiben wird, einiges ausgelöst. Auf Abwehrreflexe und Opfer-Täter-Verdrehung von Seiten der offiziellen Stadtpolitik folgte so massive Kritik, dass diese sich eifrig im Zurückrudern übte. An dieser Stelle seien ein Radiobeitrag, Presseartikel, der Redebeitrag der Ska-Band “Tornados” und Bilder der antifaschistischen Demonstration am 25.3.12 dokumentiert. Dass die Demonstration wie eine Nazidemo behandelt
 wurde, ist dabei nur noch eine Provinzposse am Rande. In Sachsen 
gleichen sich die Reaktionen von politisch Verantwortlichen auf 
Naziübergriffe und rechte Hegemonie immer wieder: Abwehrreflexe, 
Bagatellisierung, Entpolitisierung von Gewalt, Verdrehung von Opfer- und
 Täterrolle oder die Extremismuskeule. Maßstäbe dafür hat der Mügelner 
Bürgermeister Gotthard Deuse gesetzt: eine regelrechte Hetzjagd auf MigrantInnen während des Stadtfestes 2007
 wurde von ihm bagatellisiert. Zuförderst verwahrte er sich gegen die 
Denunzierung seiner Stadt. Inzwischen gibt es einen neuen Anwärter für 
den nicht dotierten Preis „Deuse des Jahres“: den Oberbürgermeister der nordsächsischen Stadt Delitzsch, Dr. Manfred Wilde.
Im
 Nachgang eines schweren Übergriffes von Nazis auf OrganisatorInnen und 
BesucherInnen eines Ska-Konzertes in Delitzsch am 18.3.2012 verurteilte 
dieser zwar die „Gewalttat“, vermied es allerdings den Hintergrund des 
Übergriffes zu benennen und diesen in Beziehung zum Normalzustand zu 
setzen. Mehr noch, machte er den Veranstalter des Konzertes dafür verantwortlich,
 dass es dazu gekommen ist, denn der Ausschluss von Nazis von 
Konzertveranstaltungen, würde diese (die Nazis) provozieren und den 
„sozialen Frieden“ stören.
Als Reaktion auf den Naziübergriff und das Verhalten der lokalen Politik zog am 25.3. eine antifaschistische Demonstration "Naziterror entgegentreten – immer und überall"
 mit ungefähr 250 Teilnehmer_Innen durch Delitzsch. Die Menschen, die 
sich an diesem Sonntag mit den Betroffenen solidarisierten, ließen sich 
auch durch die massive Präsenz von Nazis nicht einschüchtern, die sich 
in der Stadt versammelt hatten und immer wieder versuchten, die 
antifaschistische Demonstration zu stören. Die Nazis versuchten einen 
Gegendemo anzumelden, was ihnen jedoch untersagt wurde. In verschiedenen
 Redebeiträgen wurde diese rechte Hegemonie thematisiert. Die Ska-Band „Die Tornados“ forderte
 von der Stadtverwaltung endlich tätig zu werden, indem sie 
beispielsweise alternative, nicht rechte Jugendkulturen fördern solle, 
statt diese auch noch zu behindern.
Am Ende der Demonstration kam
 es zu einem skandalösen Zwischenfall. Ein Polizeibeamter, der auch bei 
anderen Gelegenheiten schon durch gewaltsame Übergriffe aufgefallen ist,
 ging brutal gegen einen der Ordner der Demonstration vor. Es handelte 
sich hierbei um den Veranstalter des Ska-Konzertes in Delitzsch. Er 
wurde in ein Polizeiauto gebracht, welches dann sehr eilig davon raste. 
Für den Grund der vorläufigen Festnahme gibt es unterschiedliche 
Aussagen. Dem Betroffenen wurde mitgeteilt, er sei wegen Beleidigung 
mitgenommen worden.
Was hat sich getan?
Nachdem
 Übergriff im März haben die Menschen in Delitzsch und Umgebung sich 
nicht einschüchtern lassen, so plant die Initiative “NoDancingWithNazis!” für den 15.September eine Demonstration und ein Konzert
 in Delitzsch zu veranstalten. Damit soll in Delitzsch ein klares 
antifaschistisches Signal gesetzt und ein Raum für alle die geboten 
werden, die keinen Bock auf Nazis haben. Wie schon bei der Demonstration am 25.3. ist mit einer massiven Nazipräsenz und behördlichen Gängelungen zu rechnen.
Zwickau
In der Nacht zum Sonntag wurden in Zwickau zwei Asylsuchende aus der Türkei und Iran vor einer Diskothek von einer Gruppe von sechs bis zehn Deutschen angegriffen (Interview
 mit einem Betroffenen). Mit „Heil Hitler“-Rufen und anderen 
rassistischen Parolen visierten sie nach Angaben von Augenzeugen gezielt
 die beiden Betroffenen an, die schwere Verletzungen erlitten. Eine 
Augenzeugin sprach von einem „eingetretenen Auge“. Einer der beiden 
Betroffenen schwebte für mehrere Tage in Lebensgefahr, ist jetzt jedoch 
wieder ansprechbar und nicht mehr auf der Intensivstation. Die Täter 
flüchteten unerkannt. Bereits am Wochenende zuvor attackierten und 
verletzten zwei Nazis einen 25-Jährigen nachdem sie ihn als „Zecke“ 
beschimpft hatten.
Ein Kommentar beim MDR-Artikel dazu:
"Das
 ist doch nichts neues in Zwickau. Erst am Donnerstag des Stadtfestes 
wurde ein linker Jugendlicher von 2 Neonazis in der Sparkasse am 
Hauptmarkt zusammengeschlagen, am Freitag gab es diverse Rangeleien und 
am Samstag des Stadtfestes haben sich 20 Neonazis mit Baseballschlägern 
bewaffnet am Georgenplatz versammelt. Die Polizei konnte da 
ausnahmsweise (es ist kaum zu glauben) schlimmeres verhindern. Und die 
Frau Findeiß ignoriert es immer noch..."
Beachtung finden die 
Angriffe bisher kaum. Eine routinierte dpa-Kurzmeldung hier, ein 
Fernsehbericht dort – ansonsten Schweigen in Zwickau. In der Stadt, die 
im November letzten Jahres noch gänzlich überrascht tat, als der NSU
 aufflog und eine städtische Bundestagsabgeordnete eiligst kundtat: „Mit
 Zwickau hat das Ganze nichts zu tun!“ Für Nazis ist Zwickau eine 
ausgezeichnete Adresse, die neuerlichen Angriffe bestätigen das 
eindrücklich. Wer in Zwickau genauer hinschaut, wird das leicht 
erkennen, gilt jedoch schnell als linksextremistischer Nestbeschmutzer.
Eine Gruppe die genauer hinschaut ist das "Antifa Recherche Team Zwickau"
weitere Informationen:
 Berichte zur Situation in Delitzsch und dem Umland:
Kühe, Schweine, Hinterland…
Einige Berichte von Gamma:
Schein und Sein: Ein Blick hinter die “Erfolgsmeldungen” der NPD in Leipzig und Nordsachsen
Oschatz: JN-Sympathisant ermordet Obdachlosen
Maik Scheffler: neue “Nummer Zwei” der Sachsen-NPD
Paul Rzehaczek: Razzia beim “Anführer” der nordsächsischen NPD-Jugend
“Freies Netz”: Internes Forum belegt Aufbau einer NS-Elite-Organisation
NPD und “Freies Netz”: Der Narrensaum
Sachsen: “Interne Differenzen” zwischen NPD und “Freies Netz” eskalieren
Chronik:
Unvollständige Chronik von faschistischen, rassistischen und diskriminierenden Übergriffen und Ereignissen in Delitzsch:
finden sich hier
Eine ältere Chronik findet sich hier
Video: Der alltägliche rechte Terror und das Versagen der Justiz

