[K] ASJ Köln: Aufruf zum emanzipatorischen Block beim CSD am 08.07.12

invadershomophobiaraw

Aufruf der ASJ Köln zur Teilnahme am Emanzipatorischen Block im CSD am Sonntag 08.07.2012

„Queergestellt Köln“ ruft erneut dazu auf, sich am 08. Juli mit emanzipatorischen, antikapitalistischen Inhalten am CSD Köln zu beteiligen und Kritik zu üben. Wir unterstützen diesen Aufruf und wollen mit diesem Text erläutern, warum wir hingehen werden.

 

-Geschichte des CSD-

In den 60er Jahren kam es in New York und anderen Städten immer wieder zu gewalttätigen Razzien in Schwulenclubs. Meist wurden dabei so viele Menschen vorläufig festgenommen, wie Platz in den Polizeiautos war und ihre Daten wurden danach in der Presse veröffentlicht. Einige Menschen wurden dadurch zwangsgeoutet, was oft dazu führte, dass sie ihre Arbeit verloren etc. Es gab massenhaft Klagen gegen Homosexuelle wegen „anstößigem Verhalten“, d.h. Händchenhalten mit Gleichgeschlechtlichen, das Tragen von Kleidung des „anderen Geschlechts“ usw.

 

Am 28.7.1969 fand eine solche Razzia im „Stonewall Inn“ auf der Christopher Street in Greenwich Village, einem Stadtteil von Manhattan in New York, statt. Im Stonewall Inn verkehrten viele people of color, weswegen dieser Club ein Dorn im Auge der Polizei war.

 

Da einen Tag zuvor die Schwulenikone Judy Garland beerdigt wurde, waren sehr viele Homosexuelle in der Stadt und im Stonewall Inn. Als die Besucher_innen von den Polizist_innen aus dem Stonewall Inn abgeführt wurden, entfesselte sich eine Schlägerei. Die Beamt_innen wurden schnell überwältigt und zogen sich ins Stonewall Inn zurück. Es gab Versuche die Bar mitsamt Polizei anzuzünden, andere Leute versuchten mit Parkuhren, als Rammböcke benutzt, die Türen zu öffnen. Die Nachricht der Schlägerei verbreitete sich schnell und es zeigten sich viele Menschen solidarisch und kamen zum Ort des Geschehens. Es gab mehrere Misshandlungen von weiblich* aussehenden Männern* durch die Beamt_innen. In der Nacht des 28. Juli gab es 13 Festnahmen, zwei von der Polizei Schwerverletzte und vier verletzte Polizist_innen. Es waren c.a. 2000 Protestierende vor Ort gegen die 400 Polizist_innen eingesetzt wurden. Die Polizei entsandte Verstärkung in Form der Tactical Patrol Force ,ursprünglich zur Bekämpfung von Anti-Vietnamkrieg-Demos gedacht, um die Menge zu zerstreuen. Dies gelang auch zuerst, jedoch kamen in den Nächten darauf zahlreiche Protestierende zurück und lieferten sich kleinere Scharmützel mit der Polizei. Die Lage beruhigte sich erst nach 5 Tagen. Motiviert von diesen Ereignissen gründete sich Ende Juli 1969 die „Gay Liberation Front“, die offen homosexuell auftrat und die in vielen Städten organisiert war. Zum ersten Jahrestag des Stonewall-Aufstandes organisierte die „Gay Liberation Front“ einen Umzug vom Greenwich Village zum Central Park. Damit war der Christopher-Street-Day begründet.

 

-Homophobie, Veruneindeutigung und patriachale Herrschaft-

Die geschlechtliche Rolle eines Menschen ist niemals genau klar. Sie wird ihm_ihr anerzogen, durch die Eltern, in der Schule und durch Mitmenschen. Jedoch muss kein Mensch diese Entscheidung treffen. Was ist weiblich*? Was ist männlich*? Ist einen Rock zu tragen etwas weibliches*? Ist es schlimm, weiblich* zu sein? Darum versuchen wir und andere, die von außen aufgezogenen Grenzen in uns und anderen Menschen, aufzubrechen, indem wir ganz klar darauf hindeuten, dass niemand in den aufgezogenen Grenzen verharren muss, sondern diese überschreiten kann um sich neu zu erfahren. Wir dürfen also alle Röcke oder Hosen tragen, das sagt nichts über unser Geschlecht oder unsere Sexualität aus. Wir können alle hoch oder tief reden, wir können sensibel und laut sein, auch das sagt nichts über unser Geschlecht aus. Nur dadurch kann das Konzept vom in uns aufgebautem Geschlecht zerstört werden und dadurch können Menschen entdecken, wie sie sich wohl fühlen, ob als Frau*, als Mann* als beides oder gar nichts oder etwas völlig anderes. Erst dann endete die Diktatur von Zweigeschlechtlichkeit, die Menschen, die nicht in dieses Konzept passen oder sich diesem entziehen wollen, als „krank“ oder „abnormal“ erklärt und es wird versucht sie in die beiden bestehenden Konzepte „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ hinein zu drängen.

 

Es ist sehr wichtig, die Ausbeutung der Frau* in der Entwicklung von struktureller(1) Macht und Unterdrückung als Herrschaftsmittel zu benennen. Sie ist eine der ältesten Formen der Ausbeutung und hatte und hat auch noch massiven Einfluss auf die Gesellschaft. Ein zentrales Element dieser Unterdrückung ist, das Moment der Objektivierung(2). Oft werden Frauen* von Männern* nur noch als ein reines Objekt für ihre Lust und ihren Sexualtrieb gesehen. Hinzukommen gesellschaftlichen Privilegien, die nur als Männern* wahrgenommenen Menschen zu Teil werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich alle Männer* grundsätzlich wohl in ihrer gesellschaftlich privilegierten Rolle fühlen oder sich darin gefallen und auch nicht, dass die Reproduktion von diesem Machtverhältnis immer bewusst geschieht. Und leider gibt es auch eine Menge Frauen*, die ihre Rolle gar nicht als Beherrschung wahrnehmen, weil diese ihr gesamtes Dasein durchzieht und sich somit fast „normal“ (weil gewohnt) anfühlt. Dann kann es dazu kommen, dass sich Frauen* (z.B. ganz traditionell: Mütter während der Kindeserziehung) mit den gegebenen Rollenbildern arrangieren und patriachale Muster in sich selbst und anderen reproduzieren.

 

Durch die patriachalen Machtbeziehungen in der Gesellschaft kommt, in unseren Augen, auch erst Transphobie und Homophobie(3) zustande, denn Trans* und Homosexualität stellt für das Patriachat einen Machtverlust dar. Der Mann* spürt das, denn er fürchtet sich vor Objektivierung, in die Rolle der Frau* zu geraten und fühlt sich unwohl, hat Angst, seine Privilegien zu verlieren. Es ist nicht unbedingt die Angst vor den Taten der Trans* oder Homosexuellen, sondern die Angst vor dem eigenen, männlichen Selbst. Unbewusst weiß jeder Mann*, wie Frauen* gesellschaftlich betrachtet und behandelt werden und inwiefern er diesen Umgang reproduziert. Es ist die Furcht vor diesem eigenen und bekannten Verhalten, dass Trans- und Homophobie unter anderem bedingt.

 

-Lookismus-

Lookismus ist eine Unterdrückungsfrom, bei der individuelle Menschen aufgrund ihres Aussehens diskriminiert werden. Das heißt, zwischen den Menschen findet eine Hierachisierung(4) statt, die allein an Hand von körperlichen Merkmalen, eines Individuums festgemacht wird, welche als „schön“ oder „hässlich“ definiert werden. Dieses beginnt mit dem Gewicht eines Individuums und geht über die Körpergröße, körperlichen Proportionen bis hin zu, welche Haare eine weiblich* sozialisierte Person am Körper oder wie viele Muskeln ein „echter“ Mann* hat. Dabei werden jene Schönheitsideale in einer Gesellschaft besonders durch die Werbung vorgegeben, der Charakter eines Individuums bleibt dabei außen vor, im Mittelpunkt steht allein das Aussehen. All diejenigen, die nicht diesem „Schönheitsideal“ entsprechen, bekommen die Repressionen tagtäglich zu spüren. Angefangen bei Kommentaren und Sprüchen, gipfelnd in das Nichterhalten von Jobs, Ausgrenzung, keinen Anschluss an ein soziales Umfeld finden u.v.m. Die Ursache von diesem diskriminierenden Normalzustand, ist und bleibt das Bewerten des Körpers eines Individuums als „hässlich“, oder genauso als „schön“. Diese beiden Kategorien können nur gemeinsam überwunden werden, schließlich gibt es „hässlich“ nur, wenn es auch „schön“ gibt und beides reduziert ein Individuum auf den Körper!

 

-Kapitalismus, Nationalismus und der ganze Rest-

Widerstand kann nicht aus einer einheitlich beschaffenen Bewegung entstehen. Widerstand ist immer als ein vielfältiger Zusammenschluss zu begreifen gegen Herrschaft im Allgemeinen, gegen staatliche Gewaltverhältnisse im Speziellen. Ein Kampf gegen die heterosexuelle Deutungshoheit muss verknüpft sein mit jenen gegen patriachale Herrschaft, gegen Rassismus, gegen Diskriminierungen aufgrund von körperlichen Zuschreibungen und Aussehen. Die neoliberale Sexualpolitik des kommerziellen CSD, welche die Homosexuellen-Rechte als die bloß individuelle Freiheit vermarktet - als eine unpolitische Forderung, die sich auf das Privatleben, die Häuslichkeit und den Konsum beschränkt - hat sich in den Communities etabliert. Ein solches Gefüge begünstigt und reproduziert den rassistischen und marktwirtschaft-lichen Mainstream. Es unterhöhlt queere Ideen, schließt Menschen aus und reproduziert Unterdrückung. „Der Westen“ wird als augeklärter Raum deklariert, als „gemäßigte Zone“ im Vergleich zum Rest der Welt. Dabei wird vergessen, dass Menschen, die vor homophober Verfolgung durch Gerichte und Polizei flüchten mussten nun hier zusätzlich unter Rassismus leiden müssen. Ungeachtet der gesellschaftlichen Homophobie in Deutschland, der LGBTI(5) – einschließlich Migrant_innen - täglich ausgesetzt sind, wird ein vermeintlich immer homophobes „Fremdes“ kreiert, welches durch Zuwanderung die europäischen Homosexuellen bedroht. Dem folgend gelten die erkämpften Rechte nur für das weiße staatsbürgerliche Subjekt. Diese Instrumentalisierung nützt dem Staat um seine Sicherheitspolitik zu rechtfertigen und Festung Europa auszubauen. Im Kampf gegen Diskriminierung ist folglich kein Platz für Rassismus, kein Platz für Nationalismus.

 

Der Kampf gegen Patriachat, gesellschaftliche Geschlechternorm, Lookism, sowie Sexismus/sexualisierte Gewalt ist ein gemeinsamer aller nach Freiheit strebenden Menschen. Es gibt keinerlei Grenzen zu anderen Herrschaftsformen, vielmer bedingen/stabiliseren sich z.B. Patriachat und Kapitalismus gegenseitig. Das kann in Konsequenz nur eine Verknüpfung verschiedenster Kämpfe bedeuten. Eine stärkere Zusammenarbeit von verschiedensten Gruppen, die alle in kleinen, isolierten Bereichen agieren wäre für alle Beteiligten von Vorteil. Also in diesem Sinne ...

 

 

Widerstand organisieren. Geschlecht dekonstruieren. ANARCHIE IST FORMLOS!

 

Anarchistisch Syndikalistische Jugend Köln

 

Treffpunkt: Sonntag, 08.07.12 um 11:00 Uhr am Ottoplatz (Vordereingang Bahnhof Deutz)

 


 

Anmerkung: Um darauf hinzuweisen, dass Geschlechtidentitäten weder angeboren noch von Gott gegeben sind, sondern sich vielmehr durch Sozialisation entwickeln und auch verändern können und um die grundsätzlich angenommene Zweigeschleichtlichkeit in Frage zu stellen, kennzeichnen wir Genderzuschreibungen mit einem *.

 


Fußnoten: (1)Strukturell: Eine bestimmte Beschaffenheit/Struktur aufweisend und dieser folgend. (2)Objektivierung: Eine Person nicht als eigenständiges Subjekt, sondern als Gegenstand betrachten und behandeln. (3)Trans- und Homophobie: Feindlichkeit gegen trans*/homosexuellen Menschen (4)Hierarchisierung: Die Herabstufung bestimmter Personen und gleichzeitige Aufwertung anderer Personen. (5)LGBTI ist eine Abkürzung für „lesbian, gay, bisexual, transgender and intersexual people“

 

 

Links: asjkoeln.blogsport.de queergestellt.de lookism.info