linksunten Archiv |
|
Köln vor dem Anti-Islam-Kongress
Ticker
Ab dem kommenden Freitag wollen die Rechtspopulist_innen von „pro Köln“ und „pro NRW“ ihren im September 2008 kläglich gescheiterten Anti-Islam-Kongress wiederholen. Daran, dass dieses Treffen von Nazis und Rechtspopulist_innen aus den USA und ganz Europa scheiße ist, hat sich nichts geändert. Und doch ist einiges anders als im September.
Gegen den ersten Kongress regte sich bereits ein halbes Jahr vorher Widerstand. Die Antifaschistische Koordination Köln und Umland [AKKU] initiierte ein breites linkes Bündnis mit dem Ziel, den Kongress durch Massenblockaden zu verhindern. Der Antifa-AK Köln lud zu einer Konferenz mit den Themen Islamismus und Rechtspopulismus sowie zur antifaschistischen Vorabenddemo. Nach einem kurzen Intermezzo im Blockadebündnis rief der DGB sein Bündnis „Wir stellen uns quer“ ins Leben, das in den folgenden Monaten aus Angst vor einem Bedeutungsverlust immer wieder Zugeständnisse an das Blockadebündnis machte.
Am ersten Kongress- bzw. Aktionstag zwangen Antifaschist_innen die „pro Köln/NRW“-Funktionär_innen mit einem morgendlichen Steinhagel für Stunden auf ein Schiff, die von ihnen geplante Stadtrundfahrt durch sog. „Problemviertel“ fiel aus. Abends demonstrierten über 3.000 Antifaschist_innen durch die Innenstadt. Der zweite Tag begann bereits früh morgens mit ersten Blockaden. Im Folgenden war der Kundgebungsort Heumarkt für Stunden vollständig blockiert, das allgemeine Gewusel von mehreren zehntausend Menchen sowie Scharmützel zwischen Linken und Polizei bzw. einigen Nazis machten die Situation derart unübersichtlicht, dass die Polizei die Kundgebung letztendlich abbrach. Anschließend wurden über 1000 Personen für Stunden eingekesselt, über 500 von ihnen wurden in die GeSa nach Brühl verschleppt und teilweise erst im Morgengrauen freigelassen. „pro Köln/NRW“ schaffte es auf ganze etwa 250 Menschen, inklusive der drei Busse aus Flamen und dem Fußvolk, das an den Blockaden hängenblieb.
Doppelt oder nichts Der zweite Kongress ist genauso scheiße wie der erste – wenn nicht sogar noch ein wenig mehr. Zu den „prominenten“ Teilnehmer_innen vom letzten Jahr gesellen sich diesmal die „národní strana“-Chefin Petra Edelmannová, die im tschechischen Wahlkampf zur Zeit die „Lösung der Zigeunerfrage“ propagiert, der langjährige „Front National“-Generalsekrätar Carl Lang sowie Robert Spieler von „Alsace d’abord“. Jean-Marie Le Pen sowie Heinz-Christian Strache kündigt man diesmal vorsorglich gar nicht erst an – offenbar hat man wenigstens eine Sache gelernt. Für genau vier bzw. fünf Tage waren auch die Journalistin Pamela Geller, der Blogger Robert Spencer und der Geert-Wilders-Vertraute Lars Hedegaard als Gäste angekündigt. Nach einer „massiven Kampagne“ (Zitat „pro Köln“) eines anderen rechten Bloggers sagten sie ihre Teilnahme jedoch ab.
Auch wenn man das bei „pro Köln“ und „pro NRW“ anders sieht: der zweite Anti-Islam-Kongress hat deutlich weniger Bedeutung als der erste. Man hatte im September internationale Presseaufmerksamkeit, regionale und bundesweite Medien berichteten beinahe täglich. Doch das nutzte man lediglich dazu, sich als beispiellose Ansammlung von Dilettant_innen, Kulturkämpfer_innen und Rassist_innen zu outen. Ende März veröffentlichten der „Express“ und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ dann eine Umfrage, nach der bei der Kommunalwahl im Herbst lediglich 1,9% der Stimmen auf „pro Köln“ entfallen würden – weniger als die Hälfte des Anteils bei der letzten. Auch wenn sich die Aussagekraft der Umfrage in Grenzen hält: dass „pro Köln/NRW“ im letzten September in breiter Öffentlichkeit die bürgerlich-demokratische Maske heruntergerissen wurde, lässt sich kaum verleugnen.
Da halfen auch die sechs Mahnwachen vor dem DITIB-Moschee-Gelände in Ehrenfeld nicht, die „pro Köln“ von November bis April veranstaltete. Nicht einmal die Linke zeigte ernsthaftes Interesse. Die Zahl der Gegendemonstrant_innen schrumpfte von 250 bei der ersten Mahnwache auf etwas mehr als 50 bei der letzten. Dabei boten die kontinuierlich von jeweils den gleichen 40 bis 60 Menschen besuchten Mahnwachen immer wieder die Aussicht auf Realsatire der besonderen Art. Am zweiten Februarwochenende etwa ließ man unter „Kölle Allah!“-Rufen dutzende Ballons aufsteigen – als Beweis für die „Lufthoheit über Ehrenfeld“ (!). Im weiteren Verlauf der Kundgebung tanzte man dann als Polonaise und mit Karnevalsmusik über die abgesperrte Straßenecke.
Am Ausmaß der diesmaligen Aktionen gegen den Kongress lässt sich der Bedeutungsverlust ebenfalls ablesen. Eine ähnliche linksradikale und zivilgesellschaftliche Massenmobilisierung wie im letzten Jahr gibt es nicht. Während damals den Blockadeaufruf über 350 Gruppen, Personen, Künstler_innen und Kneipen unterzeichneten und das linksradikale sowie das Blockadebündnis zusammengenommen etwa 50 Mobilisierungsveranstaltungen durchführten, sind es diesmal lediglich eine Handvoll. Fast schon dankbar kann man da der Kölner Polizei sein, die vor zwei Wochen eine Infoveranstaltung durchführte, zu der zwar nicht die Zielgruppe – Schüler_innen, Eltern, Lehrer_innen – , dafür aber jede Menge Presse kam.
Dennoch: egal wie groß oder klein der Kongress letztendlich ausfällt, es gilt, ihn zu verhindern.
Drei mal werden wir noch wach Eingeläutet wird das Kongresswochenende am Freitag diesmal um 10 Uhr mit einer Kundgebung in Leichlingen. Parallel dazu soll um 11 Uhr in der Kölner Innenstadt eine Pressekonferenz stattfinden, der genaue Ort ist jedoch noch nicht bekannt. Um 13 Uhr zieht der Tross dann von Leichlingen weiter nach Leverkusen und von dort um 16 Uhr nach Dormagen. Antifaschistische Gruppen rufen zu Gegenaktionen in Leverkusen und Dormagen auf. Für Sonntag ist eine Kundgebung in Bergheim angekündigt. Ob sie stattfindet, dürfte maßgeblich vom Ablauf der Hauptkundgebung am Samstag abhängen. Beim ersten Kongress wurde die für Sonntag angesetzte Saalveranstaltung angesichts des Fiaskos vom Vortag kommentarlos gestrichen. Erheblich dazu beigetragen haben dürfte auch die vorzeitige Abreise der Delegationen von BNP und Vlaams Belang (Freitag bzw. Samstag Mittag).
Ebenfalls fraglich ist noch immer, ob die Demonstration durch die Innenstadt zum DITIB-Moschee-Gelände in Ehrenfeld stattfindet. Nachdem die Polizeiführung der „Bürgerbewegung“ im Februar den prominent gelegenen Roncalliplatz verwehrte und deren Kundgebung stattdessen auf den abgelegenen Barmer Platz auf der anderen Rheinseite verlegte und das Verwaltungsgericht Köln diese Entscheidung bestätigte, meldete „pro Köln“ diese Demo im Anschluss an die Kundgebung an. Die Polizei verbot die Demo mit der gleichen Begründung wie auch schon die Kundgebung: zu schwer zu schützen. Gegen das Verbot legte „pro Köln“ umgehend Klage ein, scheint die Hoffnung jedoch aufgegeben zu haben. In einer Ablaufübersicht vom Montag wird die Demo jedenfalls nicht mehr aufgeführt.
Für Freitag Abend mobilisiert der Antifa-AK Köln zu einer antinationalen Demonstration unter dem Motto „DE*NATIONALIZE – Europa.Deutschland.Köln.Scheiße“. Vor einigen Wochen veröffentlichten antideutsche Gruppen aus dem Ruhrgebiet den Aufruf „Die Konsequenzen ziehen: Deutschland auflösen!“. Die Demonstration ist der Abschluss einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe zum Anti-Islam-Kongress und dem deutschen Jubiläums-Jubel-Jahr.
Für Samstag ruft das Bündnis gegen „pro Köln“, das beim ersten Kongress die Blockaden organisiert hatte, unter dem Motto „Aufgestanden! Hingegangen! Abgepfiffen!“ dazu auf, sich auf die Kundgebung zu begeben und diese von innen zu verhindern.
Einer geht noch Die Chancen auf einen erneuten Erfolg stehen nicht allzu schlecht. Weder Polizei noch „pro Köln/NRW“ wissen so recht, wie sie mit der Aktionsform des Bündnisses umgehen sollen. Die Polizeiführung will den Kongress nach der konservativen Medienschelte beim letzten Mal offenbar militärisch durchsetzen, man möchte nicht nicht nochmal „vor den Chaoten kapitulieren“. Blockaden und andere direkte Aktionen sollen also vermieden werden. Hierzu werden nach vertraulichen Angaben etwa 5000 Polizist_innen aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen und schweres Gerät aufgefahren, der Barmer Platz wird weiträumig abgesperrt. Andererseits hält man auf der Infoveranstaltung und in den Medien das Versammlungsrecht hoch garantiert den Gegendemonstrant_innen, sie auf dem Barmer Platz ihren Protest äußern zu lassen, solange sie keine „groben Störungen“ begehen.
Diese Störungen will auch „pro Köln/NRW“ verhindern, nach eigenen Angaben umfasst der eigene Ordnerdienst etwa 200 Personen, wahrscheinlich vor allem von den Schlägertrupps des Vlaams Belang. Zusätzlich zu den Vorkehrungen am Kundgebungsort setzt man auf einen zentralen Anreisepunkt für nicht organisierte Teilnehmer_innen, hierzu dient der ICE-Bahnhof Siegburg. Zumindest was die Anreise angeht, setzt „pro Köln/NRW“ auf Kooperation mit der Polizei, sie dürfte generalstabsmäßig durchgeplant sein. All das macht eines klar: „pro Köln/NRW“ und die Polizei haben eine gehörige Portion Respekt.
Fakten, Fakten, Fakten Infotelefon: kommt noch
DE*NATIONALIZE – Europa.Deutschland.Köln.Scheiße
Aufgestanden! Hingegangen! Abgepfiffen! |