Karlsruhe. Chemikalien, Fernzünder, Anleitung zum Bombenbau: Die Giftküche des "Bombenbastlers von Lörrach" war legal. Um den Neonazi unter Terror-Verdacht anzuklagen, fehlen der Justiz die konkreten Anschlagspläne.
Sie haben seine E-Mails und schriftlichen Unterlagen nach Hinweisen durchforstet. Sie werteten akribisch seine Äußerungen auf Neonazi-Plattformen im Internet aus. Sie durchsuchten die Wohnungen von acht Bekannten und Freunden. Mehr als ein Jahr lang ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft gegen einen als "Bombenbastler von Lörrach" bekannt gewordenen Rechtsextremen - auf der Suche nach dem entscheidenden Hinweis. "Es waren sehr weit gehende Ermittlungen", sagt der Lörracher Oberstaatsanwalt Otto Bürgelin.
Doch das kritische Puzzlestück fanden die Ermittler nicht: Einen Hinweis auf konkrete Planungen für einen Anschlag auf ein bestimmtes Ziel. Deswegen wird sich der heute 24-jährige Neonazi nicht wegen der "Vorbereitung eines Explosionsverbrechens" oder der "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" vor Gericht verantworten müssen. Das hat das Oberlandesgericht Karlsruhe gestern entschieden. Die Anklage der Staatsanwaltschaft wird nicht zugelassen.
Nach der Hausdurchsuchung im August 2009 hatte die Sache noch ganz anders ausgesehen. Die Polizei fand kiloweise Chemikalien für den Bombenbau, drei Handbücher zum Thema Sprengstoff, eine Zündvorrichtung samt Fernzünder sowie einen "Stahlrohrkörper mit Verschlusskappen", wie er für Rohrbomben eingesetzt wird. Polizei und Staatsanwaltschaft waren sicher, ein Sprengstoffattentat verhindert zu haben. Als Ziel wurde die Freiburger Antifa vermutet. Das Problem: Die beschriebene Giftküche ist an sich völlig legal, alle Einzelteile sind im Handel frei käuflich, ihr Besitz ist nicht strafbar. Zu einer funktionstüchtigen Bombe waren sie noch nicht zusammengefügt - was aber nur wenige Stunden gedauert hätte.
Deshalb suchten die Ermittler so fieberhaft nach Hinweisen für konkrete Anschlagspläne, etwa Skizzen vom geplanten Tatort oder Verabredungen mit Komplizen. Außer ein paar nebulösen Andeutungen in Mails und Internetprotokollen fand sich aber nichts.
Zwar sei davon auszugehen, "dass der Angeschuldigte sich intensiv mit dem Thema eines Sprengstoffeinsatzes befasst habe", schreiben die Karlsruher Richter. Es fänden sich jedoch "keine konkreten Anschlagspläne oder -ziele oder Hinweise auf einen Zeitpunkt, zu dem an einen Einsatz des ohnehin noch herzustellenden Sprengstoffs gedacht gewesen sei." Dies ist aufgrund der Rechtslage aber entscheidend (siehe Infokasten). "Uns war klar, dass es schwierig werden würde", sagt Oberstaatsanwalt Bürgelin. Man habe damals auch erwogen, die Umtriebe des Rechtsextremen, der als Stützpunktleiter der NPD-Nachwuchsorganisation JN aktiv war, über längere Zeit verdeckt zu überwachen. Keine unübliche Praxis: Im Fall der islamistischen Sauerland-Terroristen etwa beschatteten rund 500 Ermittler die Verdächtigen über Monate hinweg rund um die Uhr - und griffen erst zu, als die Beweislage überwältigend war.
Doch die Lörracher Ermittler entschieden sich dagegen. "Die Gefahrenlage sprach für den schnellen Zugriff", sagt Bürgelin. Ein weiterer Grund war, dass der anonyme Tipp, der die Polizei erst auf die Spur des Bombenbastlers brachte, aus der linken Szene kam, die den E-Mail-Verkehr des damals 22-Jährigen abgefangen hatte. "Es gab die Gefahr, dass der Beschuldigte gewarnt wird und Beweismittel vernichtet."
Vor Gericht wird sich Thomas B., der heute im Ulmer Raum lebt, allerdings in jedem Fall verantworten müssen. Denn bei der Durchsuchung wurden auch ein Schweizer Sturmgewehr, drei Patronen sowie illegale Messer gefunden. Das Sturmgewehr war zwar unbrauchbar gemacht - es fehlte der Verschluss -, dennoch stellt der Besitz einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz dar, was juristisch als Verbrechen eingestuft wird.