Während wir diese Zeilen schreiben, gehen die Kämpfe rund um den Tahrir Platz weiter. Über Stunden werden die Demonstranten mit Reizgas beschossen. Es ist unklar, worum es sich bei den eingesetzten Kampfgasen handelt, von unabhängigen Ärzten wurde inzwischen bestätigt, dass mehrere Todesfälle eindeutig auf den Einsatz der Reizgase zurück zu führen sind. Auch ein improvisiertes Lazarett auf dem Tahrir, in dem herbeigeeilte Ärzte und medizinisches Personal die Verletzten behandelt, wurde von den Sicherheitskräfte angegriffen. Die Meldungen über die Opferzahlen steigen ständig, in einer letzten Meldung des ägyptischen Gesundheitsministerium wird von 22 Toten und über 1500 Verletzten gesprochen, die „Sicherheitskräfte“ meldeten bisher keine Todesopfer in ihren Reihen.
Nachdem es gestern am frühen Abend den „Sicherheitskräften“ gelungen war, den Platz zu erobern, und die Bilder der von den Bullen in Brand gesetzten Zelte auf dem Tahrir über die Bildschirme in Kairo flimmerten, mussten sie sich später zurück ziehen, und den symbolträchtigen Ort wieder den Demonstranten überlassen, die sich seither auf dem Platz behaupten.
Die Kämpfe werden nicht von den verschiedensten neu entstandenen politischen Organisationen getragen, sondern von Basisstrukturen- und- Netzwerken. Eine Demonstration zog von der Uni zur Unterstützung herbei, wie schon im Januar/Februar beteiligen sich die Ultras der Fussballclubs Zamalek und Ahly an den Kämpfen.
Bekannte Aktivisten und blogger rufen seit Beginn der Auseinandersetzungen dazu auf, zum Tahrir zu kommen, um die Kämpfenden zu unterstützen. Zahlreiche Aktivisten kamen im Laufe des gestrigen Abends und der Nacht auf Al Jazeera zu Wort (das bisher ungehindert berichten darf und ein wichtiges Informationsmedium in Ägypten darstellt) und erklärten, dass es keine Ruhe geben werde, bis das Militär sich nicht endgültig von der Macht verabschiede.
„It is still the first revolution … we are just trying to finish the job.“
Offenbar beeindruckt von der Entschlossenheit und dem massenhaften Zustrom von Demonstranten haben sich jetzt auch verschiedene Organisationen, die bisher nicht an den Ereignissen auf und um den Tahrir beteiligt waren, dazu entschlossen, ihre Haltung zu überdenken, und solidarisieren sich mit den Protesten, wie z.B. die einflussreiche „Bewegung des 6. April“. Einige Kandidaten der säkularen Opposition haben inzwischen erklärt, dass sie nicht mehr zu den anstehenden Wahlen antreten werden.
Es gibt einen „internationalen Aufruf" zur Unterstützung der ägyptischen Revolutionäre, der allerdings bisher vorwiegend nur in GB verbreitet wird und zu Kundgebungen vor ägyptischen Vertretungen aufruft.
Für Hamburg gibt es einen Aufruf für den kommenden Samstag zu einer Kundgebung um 14.00 Uhr von „Yalla – Initiative für arabische Freiheit und Demokratie“, der Kundgebungsort steht aber noch nicht fest. Informationen dazu bisher leider nur auf facebook (ohne Anmeldung) unter
de-de.facebook.com/event.php?eid=263909396993753