Cochem: Prozess wegen Anti-Atom-Aktion

Atombombe

Cochem: Gerichtsprozess gegen Atomwaffengegner

Am 24.10.2011 um 11 Uhr hat das Amtsgericht Cochem zwei Friedensaktivisten geladen, um sie wegen einer Aktion des zivilen Ungehorsams zu jeweils 50 Tagessätzen Strafe zu verurteilen. Ihnen wird vorgeworfen, auf das Gelände des Fliegerhorst Büchel eingedrungen zu sein, um gegen Atom- und Uranwaffen zu protestieren. In Büchel lagern 20 US-Atombomben, die von Bundeswehrpiloten mit Tornado-Kampfjets ins Ziel geflogen werden sollen.

 

„Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, tatenlos zuzusehen, wie in Büchel von einer Regierung, die sich ständig anmaßt, auch in meinem Namen zu sprechen, das Potential für die sofortige Vernichtung tausender Menschen aufrecht erhalten wird“ sagte einer der Aktivit_innen. Deshalb rufen die beiden Angeklagten alle Menschen, die mit der Existenz von Atombomben ebenfalls nicht einverstanden sind, dazu auf, sie solidarisch im Gerichtssaal zu unterstützen.

 

Atombomben, „nukleare Abschreckung“ und militärische „Friedenssicherung“

Trotz Warnung auch von an der Entwicklung der Atombombe beteiligten Wissenschaftlern wurde der Menschheit in Hiroshima und Nagasaki die grausame Zerstörungskraft dieser Bomben demonstriert. Statt die Gefahr eines weiteren nuklearen Massenmordes durch radikale Abrüstung zu bannen, wurde die Welt durch „nukleare Abschreckung“ mehrmals an den Rand eines Atomkrieges gebracht und halten die NATO-Staaten die nukleare und konventionelle Bedrohung weiterhin aufrecht. Wenn man jedoch der Propaganda, „sechzig Jahre NATO [bedeute] sechzig Jahre Frieden in Europa“, glaubt, hat es den Kalten Krieg (und den Balkankrieg) nie gegeben: „Die militärische Sicherung eines angeblichen Friedens bei gleichzeitiger Beibehaltung der Ungerechtigkeit in den sozialen Verhältnissen wird langfristig immer scheitern. Daran ändern auch Atombomben nichts!“ kommentiert einer der angeklagten Aktivist_Innen die Situation.

 

Taten und Worte

Um die Kritik auch praktisch sichtbar zu machen, befestigten am Abend des 7.August 2009 befestigten Friedensaktivist_innen am Zaun des Fliegerhorstes Büchel (Rheinland-Pfalz) in Anwesenheit der Presse ein Transparent „KEINE URANWAFFEN: GBU-24 + TAURUS AUCH ILLEGAL“. Daraufhin betraten drei weitere Friedensaktivist_innen das Militärgelände, um die im Vorfeld angekündigte zivile Inspektion der in Büchel gelagerten Massenvernichtungswaffen als ersten Schritt zur Abrüstung vorzunehmen. Dort wurden die deeskalierend auftretenden Friendensaktivist_innen sogleich von einer Feldjägerstreife festgenommen und auf angeblich mitgeführte Waffen und Sprengstoff durchsucht. Zwischen der Festnahme durch die Feldjäger und dem Eintreffen der Polizei überreichten die drei Aktivist_innen den Feldjägern zwei Exemplare eines Berichts über die Gesundheitsschäden durch den Einsatz uranhaltiger Munition mit der Bitte, sie dem US- und dem deutschen Lagerkommandanten zu überreichen. Sie erläuterten den Feldjägern ihre Kritik an militärischer „Konfliktlösung“ und riefen die Soldaten dazu auf, im Ernstfall einen völkerrechtswidrigen Befehl zum Atombombenabwurf zu verweigern.

 

Nachspielzeit vor Gericht

Die Aktion soll nun ein juristisches Nachspiel haben. Das Amtsgericht Cochem befand, dass die Aktion den Tatbestand des Hausfriedensbruches erfülle, und erstellte Strafbefehle über 750 Euro. Gegen diesen legten die Friedensaktivist_innen Einspruch ein. Nun kommt es am 24.10.2011 um 11 Uhr im Amtsgericht Cochem zur Hauptverhandlung. „Ich rechne mir keine großen juristischen Chancen aus. In diesem Land ist die Möglichkeit zur staatlich legitimierten Ermordung von Hunderttausenden Menschen ein kleineres Übel als friedlicher Protest dagegen!“ analysiert einer der Angeklagten.

 

Kriminalisierung von Protest

Protest und Widerstand gegen Krieg, Militär, Atomwaffen, Atomkraft usw. sind nicht nur legitim und notwendig, sondern theoretisch sogar auch legal. Theoretisch ist Widerstand gegen die tödlichen Machenschaften von Politik, Rüstungs- und Atomindustrie durch Gesetze wie z.B. das Versammlungsrecht oder den Rechtfertigenden Notstand (§34 Strafgesetzbuch) erlaubt. Aber: „Derlei Gesetze erfüllen lediglich eine Alibifunktion, um Herrschaft zu verschleiern und der Bevölkerung das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung zu vermitteln. Grundsätzlich dient Recht der Aufrechterhaltung der Privilegien von Eliten und ihrer Durchsetzung auch gegen Nichteinverstandene. In der Praxis gilt das Faustrecht zugunsten des staatlichen (ganz wörtlich:) Gewalt-Monopols und die mitunter sehr großzügige Auslegung von Gesetzen zugunsten der herrschenden Zustände bis hin zu ganz unverhohlener Willkür durch die Staatsanwalts- und Richterkaste“, gibt sich einer der beiden Angeklagten überzeugt. Eine logische Konsequenz daraus ist, dass Protest gegen Atom- und Uranwaffen hier konkret als „Hausfriedensbruch“ juristisch verfolgt und dadurch entpolitisiert wird, um Menschen davon abzuschrecken, (weiterhin) außerparlamentarisch gegen herrschendes Unrecht politisch aktiv zu werden.

 

 

Zivile Atom(waffen)industrie

Zivile und militärische „Nutzung“ der Kernenergie sind prinzipiell nicht voneinander zu trennen. Die ersten Kernreaktoren wurden nur zur Erzeugung atomwaffenfähigen Plutoniums gebaut, Stromerzeugung war anfänglich nur ein Nebeneffekt. Aber auch beim Betrieb heutiger dedizierter Atomkraftwerke fällt atomwaffenfähiges Plutonium an – außerdem entsteht bei der Urananreicherung eine große Menge abgereichertes Uran, welches entweder teuer und für lange Zeit sicher gelagert werden muss oder als giftige, panzerbrechende Uranmunition im Krieg eingesetzt wird. Sie kann sogar im Nichtkriegsgebiet Landstriche und die dort wohnende Bevölkerung verseuchen, z.B. beim Absturz eines Kampfflugzeugs, wie am 1. April bei Laufeld nahe Spangdahlem geschehen. Dies ist nur einer der Gründe, sich nicht nur gegen Atomwaffen, sondern auch gegen zivile Atomkraftnutzung zu wehren!

 

Auch Anti-Atom-Aktivist_innen unterstützen

Deshalb rufen die Angeklagten auch zur Unterstützung der noch bis Januar in der JVA Frankfurt III inhaftierten Anti-Atom-Aktivist_In Franziska Wittig auf. Franziska hatte zusammen mit anderen im November 2008 mit einer Gleisblockade an der deutsch/französischen Grenzen den Castortransport ins Wendland für mehrere Stunden aufgehalten. „Kriminell sind nicht die Menschen, die sich gegen den Atomstaat wehren. Kriminell sind diejenigen, die menschenverachtende Technologien einführen und auch gegen Protest durchsetzen! Deshalb rufen wir auch dazu auf, Franziska durch Soli-Aktionen oder Briefe beim Überstehen ihrer Haft zu unterstützen“ schließt einer der Angeklagten das gemeinsame Statement.

 

Post an Franziska Wittig, JVA Frankfurt III, Obere Kreuzäckerstr. 4, 60435 Frankfurt. Sie wird dort für zweieinhalb Monate eingesperrt, weil sie 2008 einen Castortransport blockiert hat (siehe auch http://knast.blogsport.de).

 

Mehr Infos zum Prozess im Amtsgericht Cochem gegen Friedensaktivist_innen am Mo. den 24.10. um 11 Uhr:

http://bye-bye-voelkerrecht.blogspot.com/