[S] Datenschützer rügt Oberstaatsanwalt

Oberstaatsanwalt Häußler
Erstveröffentlicht: 
14.10.2011

Stuttgart 21. Der Stuttgarter Chefermittler Häußler gab die Namen von Anzeigenerstattern preis - offenbar zu Unrecht.

Von Andreas Müller

 

Der Landesdatenschutzbeauftragte ermittelt wegen eines Datenschutzverstoßes gegen die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Sein Vorwurf: die Behörde habe unrechtmäßig die Namen von Personen preisgegeben, die im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 erfolglos Anzeige gegen Bundes- und Landespolitiker sowie Verantwortliche der Bahn erstattet hatten. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen nach dem Umgang der Ermittler mit Hinweisgebern auf.

Die Prüfung des Landesbeauftragten Jörg Klingbeil war durch eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung in Gang gekommen; inzwischen liegt auch die Beschwerde eines Betroffenen vor. Etwa ein halbes Dutzend Personen hatten unabhängig voneinander Strafanzeige wegen des Bahnprojekts erstattet. Sie äußerten den Verdacht der Untreue und des Betrugs, weil die Bahn und teilweise auch Politiker Kostensteigerungen verschwiegen haben (die Stuttgarter Zeitung berichtete). So sei etwa der Bundestag getäuscht worden, als er das Vorhaben in den Bundesverkehrswegeplan aufnahm.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sah jedoch keinen Grund, Ermittlungen aufzunehmen. Dies begründete sie in einer einheitlichen 15-seitigen Verfügung des Oberstaatsanwalts Bernhard Häußler, die allen Anzeigeerstattern zuging. Darin werden die Hinweisgeber mit Vor- und Nachnamen sowie ihren akademischen Graden aufgeführt. Die Nennung der Staatsanwaltschaft, an die sie sich wandten - Stuttgart oder Berlin - lässt auch Rückschlüsse auf den Wohnort zu. Mit einer einfachen Internetsuche ließen sich die meisten Personen identifizieren. Zudem gelangte mindestens eine Verfügung an die Medien - mit der Folge, dass das Dokument sogar im Fernsehen gezeigt wurde. Dort waren die Namen zumindest teilweise für die Zuschauer zu lesen.

Dem Datenschutzbeauftragten erschien diese Praxis auf Anhieb fragwürdig. Er forderte die Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme auf und erhielt offenbar die gleiche Auskunft wie die Stuttgarter Zeitung: Das Vorgehen sei rechtlich in Ordnung. Man habe die ähnlich gelagerten Anzeigen bewusst in einer gemeinsamen Verfügung beschieden, erläuterte eine Sprecherin. Die von einzelnen Anzeigeerstattern herausgestellten besonderen Aspekte habe man auch den anderen nicht vorenthalten wollen. Eine Schwärzung der Namen wäre nach ihren Worten „nicht angemessen” gewesen, weil sich der jeweilige Vortrag dann nicht klar hätte zuordnen lassen.

Für den Datenschutzbeauftragten Klingbeil ist diese Argumentation jedoch „nicht überzeugend”. Er fordert von der Staatsanwaltschaft nun eine „profundere Begründung”, die noch aussteht. „Zumindest für die Zukunft sollte das bisherige Vorgehen abgestellt werden”, verlangt Klingbeil. Generell können sich Anzeigeerstatter nach Auskunft der Sprecherin der Staatsanwaltschaft nicht darauf verlassen, dass sie anonym bleiben. Wenn ein Beschuldigter Akteneinsicht erhalte, erfahre er in der Regel auch, wer ihn angezeigt habe. Ausnahme seien besonders gravierende Sachverhalte wie etwa schwere Korruption, bei denen ein Zeugenschutzprogramm greife. Wer seine Identität verlässlich schützen wolle, müsse anonym Anzeige erstatten, sagte die Sprecherin; dies erschwere den Ermittlern jedoch die Arbeit etwa bei Rückfragen.

Zumindest ein Fall deutet darauf hin, dass die Namen von Anzeigeerstattern auch vor der Aufnahme von Ermittlungen gegen konkrete Beschuldigte - nur dann nämlich gibt es Akteneinsicht - nicht geschützt sein könnten. So hatten mehrere Bürger aus dem ganzen Bundesgebiet Ermittlungen wegen des EnBW-Deals gefordert, unter anderem gegen Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sah jedoch keinerlei Anhaltspunkte etwa für Untreue. Keiner der Anzeigeerstatter machte seinen Namen öffentlich. Trotzdem sah sich zumindest einer von ihnen in seinem beruflichen Umfeld erheblichen Pressionen von Anhängern der Regierung Mappus ausgesetzt.