„Wenn Sie um sieben Uhr morgens in Strasbourg City auf der Straße sind,
werden sie das um zehn nach sieben nicht mehr sein. Es wird keine
Verhandlungen, sondern kurze und konsequente Handlungen der Polizei
geben“, so Commissiaire Hartmann, der Polizeiverantwortliche von
Strasbourg kurz vor den Protesten. Zu diesem Zweck waren tausende
Polizisten zusammengezogen und ein „Ring aus Stahl“, wie die
ausländische Presse schrieb, um die Stadt gelegt worden.
Nun, BlockNato war mitten in der Stadt und weder Gas noch Gitter hat die AktivistInnen aufhalten können. Kurzbericht einiger IL-AktivistInnen, die im Rahmen von BlockNato an
den Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Nato-Kriegsgipfel in
Strasbourg teilgenommen haben.
Bereits im letzten Jahr schlossen sich Initiativen, Netzwerke und
AktivistInnen der Friedens- und Antikriegsbewegung aus mehreren
europäischen Ländern, darunter auch die Interventionistische Linke
(IL), zur Initiative BlockNato zusammen. Wir waren uns einig, dass der
NATO-Gipfel als Treffen eines Kriegsbündnisses keinerlei Legitimität
besitzt und daher Aktionen des Zivilen Ungehorsams notwendig und
gerechtfertigt sind. Es war unser erklärtes Ziel, den NATO-Gipfel
effektiv zu blockieren und zu stören, indem am Morgen des 4. April
tausende Menschen die Zufahrtswege zum Tagungsort in Strasbourg
besetzen und den Gipfel so von seiner Infrastruktur abschneiden. Dazu
gab es verschiedene Blockadepunkte mit verschiedenen Aktions- und
Ausdrucksformen, die sich solidarisch aufeinander bezogen und nur
gemeinsam erfolgreich sein konnten. Die Aktionen des Zivilen
Ungehorsams waren - wie Camps, Gegenkongress und Demonstration - ein
Teil der vielfältigen Proteste gegen den NATO-Gipfel.
Im Camp
gab es viele Infoveranstaltungen und Trainings, mit denen die
Überwindung der Polizeisperren und effektives Blockieren geübt wurde.
Zugleich wurde das Gelände und die Stadt von den Aktionsgruppen
erkundet und ein Zeitplan festgelegt. Das Gelände war denkbar
schwierig, eine von der Polizei einfach zu verteidigende erhöhte
Bahnlinie mit wenigen Durchgängen sowie ein Kanalsystem mit wenigen
Brücken forderten den Blockierwilligen einiges an Leistung ab.
Am
frühen Morgen des Samstag rollten Busse aus verschiedenen Ländern auf
die definierten Blockadepunkte zu. Zahlreiche AktivistInnen, die die
Nacht in Strasbourg verbracht hatten, machten sich aktionsbereit.
Zeitgleich standen die Aktionsgruppen im Camp auf und tausende andere
CamperInnen schlossen sich an. Unter Überwachung durch Hubschrauber der
französischen Polizei machten sich die BlockiererInnen auf den Weg und
wurden im Bereich der Bahnlinie sofort unter Gasbeschuß genommen. Die
Taktik des Splitten ging jedoch auf und es gelang – zunächst nur
wenigen Gruppen – über die Eisenbahnlinie zu kommen. Während tausende
Menschen weiter versuchten, die Bahn zu queren, gingen die
durchgekommen Aktionsgruppen und die sich ihnen angeschlossen habenden
CamperInnen auf die Brücken zu. Im Norden Strasbourgs errichteten
derweil 150 AktivistInnen von NatoZU (einer gewaltfreien Struktur
innerhalb des BlockNato-Bündnisses) eine massive Menschenblockade, die
weder den Drohungen mit Gaseinsatz gegen die Sitzenden noch dem
herbeigeführten Sondereinsatzgruppen CRS wich.
Die Polizei
konnte sich nicht lange intensiv um diese „zweite Front“ kümmern, da ab
6 Uhr planmäßig die AktivistInnen im Inneren Strasbourgs loslegten. Mit
Unterstützung der koordinierten Busse blockierten sie Straßen und
machten mehreren Demonstrationen mit hunderten TeilnehmerInnen inmitten
der Stadt.
Diese Aktivitäten führten zu erhöhter Konfusion bei
der Polizei: wahllos beschoß sie ProtestiererInnen mit Gas und
Blendschockgranaten. Auf der Gegenseite führte das zu Schmerzen und
hässlichen Verletzungen, aber auch zu entschlossener Konsequenz: die
überwiegende Mehrheit der AktivistInnen des Zivilen Ungehorsams
schützte Augen, Nase und Mund mit Brillen und feuchten Tüchern… und
ging weiter vor Richtung Brücken.
Hunderten gelang es in den
folgenden Stunden, die Bahnlinie zu überqueren und auch die Brücken
erwiesen sich nicht als unüberwindlich. Der symbolische Händedruck und
der Gipfelbeginn wurde um mehr als eine Stunde verzögert, Straßen und
Bahnverbindungen blockiert, der Gipfel in seinen reibungslosen Ablauf
gestört. Bis ab Mittag die Riots die Medienberichterstattung
dominierten, waren die Blockaden die von der internationalen Presse
transportierte Form des Protestes. Die SprecherInnen und AktivistInnen
von BlockNato wurden oft interviewt, die Inhalte der NatoGegnerInnen
wurden international verbreitet.
Alles im allen ein in vielen
Bereichen erfolgreicher Tag für BlockNato, meinen wir: Unser Konzept
ist aufgegangen, wir haben Protest in der Festung Strasbourg
organisiert und zwar so, dass sich Menschen massenhaft beteiligen
konnten. Wir haben den Gipfel in seiner Infrastruktur gestört und
verzögert. Wir haben das Demonstrationsverbot ignoriert und der
Polizeigewalt getrotzt.
Und wir können es nicht oft genug sagen –
die Gewalt geht von der Nato und ihren Schergen aus. Egal ob bei ihren
Kriegseinsätzen oder bei der Gewalt auf den Strassen Strasbourgs: Sie
haben zuerst geschossen! Vielleicht ein kurzes Zitat aus der gewiß
nicht linksradikalen BILD dazu: „Gipfelgegner legen die
Straßenbahnverbindung und eine Zufahrtsstraße zum Tagungsort der 28
Staats- und Regierungschef des Militärbündnisses lahm. Hunderte
Demonstranten legen sich auf die Straßen, blockieren eine Kreuzung,
musizieren und tanzen friedlich. Dazu rufen sie „Nein zur NATO“.
Weiter
südlich hält die Polizei eine Gruppe von zunächst rund 500
Demonstranten mit Tränengas, Gummigeschossen und Blendschockgranten in
Schach. Auch auf der Hauptverkehrsader Richtung Rheinufer und Kehl
liefern sich Aktivisten stundenlange Gefechte mit der Polizei. Zunächst
verhalten sie sich friedlich, winken den Beamten zu und strecken Blumen
in die Höhe. Die Polizei schießt dennoch ein Gewitter von
Tränengasgranaten in die Menge, berichten Augenzeugen.“
Nach
Heiligendamm und Köln ist jetzt mit Strasbourg für die IL zum dritten
Mal das Konzept des massenhaften zivilen Ungehorsams, des gemeinsamen
Durchbrechens von Regeln zum Zwecke des Protestes und des Widerstands
erfolgreich gewesen.
In diesem Sinne:
Combien de nos chairs se repaissent!
Mais si les corbeaux, les vautours,
Un de ces matins, disparaissent,
Le soleil brillera toujours!
Einige IL-AktivistInnen (Bilder und weiter Text von anderen)