Polizeien zahlreicher Länder organisieren ihren Austausch verdeckter Ermittler bereits seit 2001. Deutschland hat grundlegende informelle Strukturen mitgestaltet
Nachdem die Bundesregierung vor wenigen Wochen mit der nichtssagenden Antwort auf eine parlamentarischen Initiative zum "Einsatz verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler sowie Vertrauenspersonen im innerstaatlichen, europäischen bzw. internationalen Kontext" aufwartete, kommt jetzt immerhin etwas Licht in die immer noch nebulöse grenzüberschreitende Spitzelzusammenarbeit: In ihrer gut zwei Monate dauernden Bearbeitung der Anfrage "Internationaler Austausch verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler und Vertrauenspersonen" wird erläutert, wie sich Polizeien der EU-Mitgliedsstaaten grenzüberschreitend zur gemeinsamen Spitzelei verabreden.
Die innerhalb der EU weit fortgeschrittene grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit basiert bislang unter anderem auf dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EU-Rh-Übk), das der EU-Ministerrat vor zehn Jahren angenommen hatte.
Ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über die Rechtshilfe in Strafsachen enthält ebenfalls eine entsprechende, allgemeine Formulierung. Trotzdem bleiben zahlreiche Regelungen offen. Deshalb startete die deutsche EU-Präsidentschaft 2007 eine Initiative, um "rechtliche und tatsächliche Probleme" des internationalen Spitzeltauschs aus dem Weg zu räumen. Anvisiert waren nach einer Problemanalyse EU-weite gesetzgeberische Maßnahmen. Den Auftrag zur Ausarbeitung einer Entschließung des Rates hatte die frühere "Multidisziplinäre Gruppe Organisierte Kriminalität" erhalten, die jetzt in der "Arbeitsgruppe Allgemeine Angelegenheiten und Evaluationen" aufgegangen ist.
Bis jetzt ist allerdings keine Bewegung in die legislative Ausgestaltung der Spitzel-Zusammenarbeit gekommen (Mit falschen Papieren gegen "Euro-Anarchisten"). Nun wird offenkundig, dass die Zusammenarbeit hinter den Kulissen schon sehr viel länger praktiziert wird.
Zusammenarbeit auch mit Russland, Türkei und der Ukraine
Zuständig für die internationale Verständigung über "Einsatz und Austausch von verdeckten Ermittlern" ist die "European Cooperation Group on Undercover Activities" (ECG), an der von deutscher Seite als "zentrale Dienststellen für verdeckte Ermittler" das Bundeskriminalamt (BKA) und das Zollkriminalamt mitarbeiten. Ihr Ziel ist eine "Professionalisierung und Koordinierung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern". Als "Hauptthemenfelder" gelten die Bekämpfung "organisierter" und "politisch motivierter" Kriminalität.
Die ECG existiert laut Bundesregierung seit 2001, ihr Tagungsrhythmus ist einmal jährlich, Treffen werden jeweils in einem anderen ECG-Mitgliedstaat abgehalten. Ihr gehören fast alle EU-Länder an, angeblich mit Ausnahme von Griechenland, Irland, Luxemburg, Malta und Zypern. Internationale Organisationen wie Interpol oder Europol seien wie "privatrechtliche Organisationen" nicht beteiligt.
Doch die informelle Arbeitsgruppe ist längst nicht auf die EU beschränkt: Als weitere Mitglieder sind Albanien, Kroatien, Mazedonien, Norwegen, Russland, Schweiz, Serbien, Türkei und die Ukraine repräsentiert. Dabei ist die ECG laut Bundesregierung "bei keiner nationalen oder zwischenstaatlichen Institution/Behörde angegliedert" und somit der Europäischen Union nicht rechenschaftspflichtig. Sie kann also auch nicht vom EU-Parlament, sondern höchstens durch Parlamente der Mitgliedsstaaten kontrolliert werden. Bis zum Herbst letzten Jahres war ihre Existenz den Suchmaschine und damit vermutlich auch den Parlamentariern unbekannt.
Die "European Cooperation Group on Undercover Activities" trat erstmals in Polen zusammen, schon damals angelegt als informelle "Ost- und Westeuropa übergreifende Zusammenkunft". Ein Folgetreffen 2002 in Belgien verstetigte die Arbeitsgruppe. Weitere Treffen fanden in Tschechien (2003), Kroatien (2004), Ungarn ("2005), Deutschland (2006), Litauen (2007), Türkei (2008), Niederlande (2009) und Russland (2010) statt. Die Treffen dienen der "Darstellung der aktuellen nationalen Situation", auf der Tagesordnung stehen das "Aufzeigen rechtlicher, struktureller und organisatorischer Entwicklungen" und "Informationen zu Ausbildungsmaßnahmen".
Laut Bundesregierung steht angeblich keine "Koordinierung oder Verabredung grenzüberschreitender Einsätze" auf der Agenda. Das klingt verharmlosend, zumal es aus Berlin heißt, dass die "Erörterung der internationalen Zusammenarbeit" auch anhand von "Fallbeispielen" vorgenommen würde. Die innerhalb der Arbeitsgruppe entstehenden Kontakte dürften zudem für die jeweilige bi- oder multilaterale Verabredung zukünftiger Einsätze grundlegend sein.
Um das Zusammenspiel zwischen entsendendem und empfangendem Staat besser zu synchronisieren, hatte die ECG 2003 eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung einer rechtskräftigen Modell-Vereinbarung beauftragt. Einzelheiten wie die Erinnerung, dass ausländische Polizisten keine Straftaten begehen dürfen, werden jetzt in einem standardisierten, für den jeweiligen Einsatz bilateral abgeschlossenen "Memorandum of Understanding" (MoU) geregelt. Dieses "Papier zur "Festlegung gemeinsam erarbeiteter Grundsätze für die internationale Zusammenarbeit" wurde der ECG 2004 von Polizisten aus Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Belgien, Rumänien und Finnland vorgelegt. Erörtert wird im MoU auch, wie eine Maßnahme im Falle ihres Auffliegens gegenüber der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden soll oder ob Missionen von "Agents Provocateur" möglich sind.
Zuvor hatte die Bundesregierung bereits die Existenz einer "Cross-Border Surveillance Working Group" (CSW) bestätigt, an der auch Europol beteiligt ist. Ihre Tätigkeit bleibt indes in Dunkeln: In der Antwort auf eine frühere Anfrage zum grenzüberschreitenden Ausforschen privater Rechnersysteme wurde beschwichtigt, dass in der zweimal jährlich tagenden CSW "Fachvorträge zur grenzüberschreitenden Observation" gehalten werden, um eine "Optimierung von Arbeitsabläufen" zu erzielen. Neben den "operativen und taktischen Möglichkeiten" würden die "rechtlichen Rahmenbedingungen" verschiedener Länder vorgestellt.
Europol hingegen erläutert zur CSW, ihr Zweck sei die Entwicklung "sicherer und effektiver Überwachungstechniken". Dies wird jetzt auch von der Bundesregierung wiederholt und erklärt, es handele sich um eine "Plattform für Diskussionen".
Bundeskriminalamt als internationaler "Makler" für Länderpolizeien
Das BKA hat den Einsatz britischer Spitzel nach Angaben seines Präsidenten Jörg Ziercke an die Länderpolizeien aus Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg weiter vermittelt, in denen der G8- bzw. NATO-Gipfel ausgetragen wurde.
Laut BKA-Gesetz ist das Amt grundsätzlich zuständig für den Dienstverkehr von Polizeien des Bundes und der Länder mit "zuständigen öffentlichen Stellen" anderer Staaten. Ausnahmen sind etwa für Eilfälle oder bezüglich "Kriminalität von regionaler Bedeutung im Grenzgebiet" vorgesehen.
Wegen der Länderzuständigkeit ist es zumeist unmöglich, von der Bundesregierung weitere Auskünfte über vermittelte Missionen zu erhalten. Die Landesregierungen geben sich wiederum zugeknöpft. Mecklenburg-Vorpommern teilt immerhin mit, dass "Mark Kennedy bzw. Mark Stone von der britischen "National Public Order Intelligence Unit" (NPOIU) entsandt wurde". Eine Vereinbarung "zwischen den zuständigen Behörden der britischen Polizei und der zuständigen Behörde der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern" regelte Details, darunter dass die "einsatzbezogenen Aufwendungen (z. B. Reise-,Übernachtungs- und Verpflegungskosten) erstattet" wurden, jedoch angeblich keine weiteren Zuwendungen flossen.
Der Einsatz in Mecklenburg-Vorpommern verlief auf Basis einer Rahmenkonzeption zur "Durchführung abgestimmter polizeilicher Maßnahmen der Länder und des Bundes aus Anlass des deutschen G8-Vorsitzes im Jahr 2007 sowie der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007", die auch die "Durchführung verdeckter polizeilicher Maßnahmen" vorsah.
Aus einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommerns geht hervor, dass in der Rahmenkonzeption "die verstärkte Inanspruchnahme von Informanten und der Einsatz von Vertrauenspersonen sowie verdeckter Ermittler" empfohlen wird. Explizit wird die Zusammenarbeit mit anderen Regierungen angeregt: So sollten "in geeigneten Fällen und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auch ausländische Vertrauenspersonen und verdeckte Ermittler" eingesetzt werden.
"Einsatzmodalitäten" wurden im Einzelfall zwischen den Ländern und dem Bundeskriminalamt "mit den ausländischen Sicherheitsbehörden abgestimmt", wobei "die verstärkte Gewinnung relevanter Erkenntnisse und die konsequente Anwendung präventiv-polizeilicher Maßnahmen" im Vordergrund standen. Tatsächlich ist von informierter Stelle zu hören, dass für den G8-Gipfel in Heiligendamm mehr als zehn ausländische Polizisten bzw. Vertrauenspersonen in Deutschland schnüffelten.
"Optimierungsmöglichkeiten erarbeiten"
Zur Verrechtlichung des deutschen Spitzelwesens haben die Innen- und Justizminister der Länder eine gemeinsame Richtlinie über die "Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung" geschlossen, die allerdings keine genaueren Regelungen für Polizisten aus dem Ausland trifft.
Deutsche Polizisten berufen sich auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), der 2007 entschied, dass ein "verdeckt eingesetzter ausländischer Polizeibeamter" als polizeiliche Vertrauensperson zu betrachten ist. Ihr Status ist demnach eine Privatperson, deren auf einige Dauer angelegte Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist.
Allerdings handelt es sich bei der BGH-Entscheidung mitnichten um ein Grundsatzurteil, stattdessen wollte das Gericht lediglich klären ob durch einen ausländischen Polizisten erlangte Beweise in einem Gerichtsverfahren verwertbar wären. Zudem bezogen sich die Richter auf einen Einsatz zur Strafverfolgung, was die Bundesregierung kurzerhand auch zur angeblichen Gefahrenabwehr gelten lassen will.
Die ausländischen Polizisten unterliegen also anderen Beschränkungen als deutsche polizeiliche Spitzel. Allerdings dürfen sie laut Innenministerium ebenso wie ihre deutschen Kollegen keine Liebesbeziehungen oder sexuelle Affären zur Ausforschung einsetzen, da dies den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" verletze. Dies sei sogar durch interne Vorgaben des Bundeskriminalamts ausdrücklich verboten und gelte - jedenfalls im Bereich der Bundesbehörden - für verdeckte Ermittler wie auch für Vertrauenspersonen. Zu "taktischen Liebesbeziehungen" durch "Herrn Kennedy" lagen der Bundesregierung im Mai keine Informationen vor.
Um das Durcheinander der rechtlichen Stellung ausländischer Spitzel zugunsten der Verfolgungsbehörden zu ordnen, hat das BKA jetzt den polizeilichen Gremien der Innenministerkonferenz der Länder vorgeschlagen, die "derzeitige Praxis im Rahmen des verdeckten Einsatzes ausländischer Polizeibeamter in Deutschland" zu evaluieren und "gegebenenfalls etwaige Optimierungsmöglichkeiten zu erarbeiten".
Das BKA sieht sich bislang als "Makler" von Ersuchen zum Einsatz von ausländischen Polizeispitzeln und reicht diese an die Länderpolizeien durch. Das Bundesamt hat den Landesbehörden damit die Möglichkeit zur Vertiefung eigener Kanäle ermöglicht: Die Länderpolizeidienststellen können fortan ihre eigenen "Direktkontakte ins Ausland" zur Ausgestaltung ihrer "zwischenzeitlich intensiven internationalen Zusammenarbeit" nutzen.
An Großbritannien verliehene deutsche Polizisten sind laut Bundesregierung von der britischen National Public Order Intelligence Unit (NPOIU) "unter anderem" für den Gipfel im schottischen Gleneagles angefordert worden. Derlei Spitzeltausch sei laut BKA-Präsident Ziercke üblich und würde auch bei "Hooligans, im Umfeld von Weltmeisterschaften oder bei anderen großen Sportereignissen" angewandt.
Die steigenden Einsätze deutscher Polizisten im Ausland stehen unter der Leitung von Landesinnenministerien und dienen größtenteils der Strafverfolgung oder aber der Hilfe beim Aufbau oder Aufrechterhalten der falschen Identität ("Legende"); Einsätze zur Gefahrenabwehr sind selten.
Die polizeiliche Zusammenarbeit mit Großbritannien findet laut Bundesregierung bisher mit der dortigen "Serious Organised Crime Agency" (SOCA), der "Her Majestys Revenue and Customs" (HMRC) und der Metropolitan Police bzw. Scotland Yard statt. Zur Frage, wer die Stelle der NPOIU einnimmt, nachdem diese unter anderem aufgrund von skandalösen Ermittlungsmethoden keine Spitzel mehr führen darf, sei der Bundesregierung und ihren Behörden "noch keine Veränderung mitgeteilt" worden.
Briefbomben als Rechtfertigung für Einsatz bei Gipfelprotesten
Ziercke hatte den Abgeordneten im Innenausschuss erklärt, die EU-Mitgliedstaaten würden ihre Spitzel gegen "Euro-Anarchisten, militante Linksextremisten und -terroristen" in Stellung bringen, die sich angeblich in Griechenland, Spanien, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Deutschland organisierten.
Obgleich die bekanntgewordenen Bespitzelungen allesamt rund um Gipfelproteste durchgeführt wurden, werden sie nachträglich mit anderen Delikten begründet. Die Bundesregierung schreibt, eine "Europäisierung der Anarchoszene" sei sichtbar in der "grenzüberschreitenden Versendung von Briefbomben" oder der "länderübergreifend abgestimmten Begehung schwerer Anschläge". Auch die von Ziercke als Rechtfertigung internationaler Spitzeleinsätze angeführte angebliche Verletzung "von über 400 Polizisten" bei der Auftaktdemonstration gegen den G8-Gipfel am 2. Juni 2007 in Rostock ist tendenziös; die Behauptung ist von Journalisten wie Bürgerrechtlern längst widerlegt - der größte Teil der Polizeikräfte stand im eigenen Tränengasnebel.
Für die Arbeit der Spitzel würde es "stets Lob vonseiten der Politik" geben, hatte Ziercke den Innenausschuss des Bundestages im Januar beschwichtigt. Auf Nachfrage zur Quelle dieses Lobes rudert die Bundesregierung jetzt zurück: Gemeint sei ein "störungsfreier Verlauf", der dem "planmäßig vorbereiteten und überlegten polizeilichen Handeln" zugeschrieben würde. "Kriminalpolizeiliche Spezialkräfte" wie verdeckte Ermittler würden "aus nachvollziehbaren Gründen" nicht eigens erwähnt.
Weder zu früheren G8-Gipfeln noch zum NATO-Gipfel in Strasbourg möchte die Bundesregierung genauere Angaben zu Entsendeländern und Adressaten der Spitzel machen. Noch nicht aufgeflogene Spitzel sollen geschützt werden, da sich diese in "verbrecherischen und terroristischen Umfeldern" bewegen, deren Angehörige sich "durch einen hohen Grad an Staatsferne, Kriminalisierung sowie Aggressions- und Gewaltpotential" auszeichneten. Eine politische Bewertung dieser Kriminalisierung von Gipfeldemonstranten bleibt also versagt, da "Gesichtspunkte des Staatswohls und des Schutzes der Grundrechte Dritter" gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht zurückstehen.
Keine Auskunft zu geheimdienstlichen Polizeimethoden
Ein Bekanntwerden der Klarnamen sei zwar "solange diese Beamten nicht wie im Falle Mark Kennedy bzw. Mark Stone bereits in der Öffentlichkeit enttarnt wurden" in jedem Fall zu vermeiden. Trotzdem schweigt die Bundesregierung in der Affäre um den Einsatz von Kennedy; brisante Details bleiben in der Geheimschutzstelle des Bundestages unter Verschluss, Unklarheiten werden auf Nachfrage wiederholt mehrdeutig vorgetragen und nicht aufgeklärt. Auch auf die Frage nach den Konsequenzen aus den von Kennedy in Deutschland begangenen Straftaten wird knapp quittiert, die "Angelegenheit" sei "mit den zuständigen Stellen auf britischer Seite erörtert" worden. Die erforderliche Strafverfolgung oder juristische Schritte wurden demnach noch nicht eingeleitet.
Offen bleibt ebenso die Rolle von internationalen Polizeiorganisationen. Während der BKA-Präsident im Innenausschuss erklärte, Europol habe von Mark Kennedy gewusst, behauptet die Bundesregierung dass sie beim Spitzeltausch "weder mit Europol noch mit Interpol" zusammenarbeitete. Dabei ist Europol durchaus umtriebig in jenem Spektrum, das von den Spitzeln ausgeforscht wird: Die von Europol jährlich erstellte "Trendanalyse" zu Terrorismus in der EU erläutert für 2010, die "anarchistischen Extremisten" würden sich vor allem in den Bereichen Antikapitalismus, Antimilitarismus und "No Borders" engagieren. In mehreren Ländern kämen auch Umweltthemen bzw. die Beschäftigung mit dem Klimawandel sowie Hausbesetzungen oder Migration hinzu.
Die zuständigen nationalen Polizeien wie das deutsche Bundeskriminalamt behalten durch die Mitarbeit in internationalen Strukturen stets den Überblick über den internationalen Spitzeltausch und werden, wie das deutsche Beispiel zeigt, zu unkontrollierbaren "Maklern" grenzüberschreitender verdeckter Zusammenarbeit. Zwar haben sie bislang keine neuen Kompetenzen erhalten, dennoch arbeiten sie in informellen Arbeitsgruppen an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für internationale Einsätze. Ihre parlamentarische Kontrolle wird erschwert: Der Weg durch ausländische Spitzel übermittelter Information ist nicht mehr zu verfolgen, weitergehende Auskünfte wären nur über Parlamente der Entsendeländer zu erhalten.
Gleichzeitig zeichnet sich eine zunehmend geheimdienstliche Formierung kriminalpolizeilicher Ermittlungsmethoden ab, wenn verbotene "szenetypische Straftaten" scheinbar skrupellos zur "Legendenbildung" begangen werden und eine etwaige Strafverfolgung lediglich "in den zuständigen Gremien erörtert" wird.
Die juristische Aufklärung wird auch vereitelt, wenn unklar ist, wohin etwa eine in Deutschland zu stellende Strafanzeige überhaupt adressiert werden muss: Wäre im Falle der von Mark Kennedy begangenen Brandstiftung er selbst strafrechtlich zu verfolgen, seine Vorgesetzten von der britischen NPOIU, deren privatrechtlich organisierte Führung der "Association of Chief Police Officers" (ACPO), das deutsche Bundeskriminalamt als "Makler" der Zusammenarbeit oder das Land Berlin, wo der feurige Einsatz zur angeblichen "Legendenbildung" stattfand?