Von Demokratie hielt er noch nie viel, schon gar nicht im eigenen Land - so deutlich wie jetzt hat sich Weißrusslands Präsident Lukaschenko aber selten geäußert. Sogar für den blutigen Terror-Anschlag auf die Metro in Minsk machte er demokratische Tendenzen mitverantwortlich.
Minsk - Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat am Donnerstag mit einer eigenwilligen Einschätzung der politischen Verhältnisse in seiner Heimat überrascht. In einer Rede vor Abgeordneten verteidigte der seit 17 Jahren regierende Despot seine umstrittene Wiederwahl im Dezember 2010.
Mit Blick auf den Terroranschlag in der Minsker U-Bahn am 11. April, bei dem 13 Menschen starben, sagte der seit Jahren autoritär herrschende Staatschef, dies sei auf eine "Übelkeit erregende" Demokratisierung zurückzuführen. "Wir sind selbst daran schuld", so Lukaschenko weiter, "vor der Wahl waren wir so demokratisch, dass Ihnen und mir nur schwindelig dabei wurde. Es gab so viel Demokratie - einfach ekelerregend". Wenig später schien er jedoch von seiner Aussage abzurücken. "Wir sind nicht gegen Demokratie. Weißrussland braucht eine konstruktive Demokratie, keine destruktive", sagte er.
Der Vorsitzende der oppositionellen Vereinigten Bürgerpartei kritisierte Lukaschenkos Aussagen. "Lukaschenko erklärt, dass er von der Demokratie genug hat", sagte Anatoli Lebedko. "Dabei ist es gerade das Fehlen von Demokratie, Wettbewerb und marktwirtschaftlichen Reformen, das Weißrussland an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat."
Außerdem machte Lukaschenko in seiner Ansprache erneut ausländische Kräfte für die versuchte Destabilisierung des ehemaligen Sowjetstaates verantwortlich. Dabei nannte er keine Namen, machte aber deutlich, dass er sich auf die Europäische Union und die USA bezog, die nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Sanktionen gegen Weißrussland verhängt hatten.
"Weißrussland ist unter massiven Druck geraten"
Lukaschenko sagte vor Abgeordneten, es politische Drohungen gegeben, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht anzuerkennen, dann seien einigen Reisebeschränkungen auferlegt worden - "Weißrussland ist unter massiven Druck geraten", so Lukaschenko. Zudem seien wirtschaftliche Sanktionen verhängt worden, man habe Panik am Devisenmarkt geschürt und schließlich nach dem Bombenanschlag in Minsk "auf den Gebeinen getanzt", zählte er auf. "Dies sind alles Glieder einer Kette."
Bei dem Anschlag kamen 13 Menschen ums Leben, 200 wurden zudem verletzt. Nachdem Lukaschenko den Anschlag wenig später als "aufgeklärt" bezeichnet hatte, sagte er nun, dass es keine Hinweise auf die Drahtzieher des Verbrechens gebe. "Wir haben bisher überhaupt keine Verbindungen gefunden - weder zur Kriminalität noch zu Banditen noch zu Politikern", sagte Lukaschenko.
Jeder Versuch einer Revolution soll verhindert werden
Die Behörden in Minsk hatten einen Schlosser, seinen Komplizen sowie eine Bekannte der beiden festgenommen. Die Beschuldigten hätten ein Geständnis abgelegt. Über ihr Motiv wird in einigen Medien seither spekuliert. Von Geldgier und Mordlust etwa ist die Rede. Die Angaben der Ermittler werfen weiter viele Fragen auf. Es gibt Befürchtungen, der autokratisch regierende Präsident könnte den Anschlag als Vorwand nutzen, um Druck auf politische Gegner auszuüben. In einigen Internetforen wird den Behörden vorgeworfen, den Anschlag aus diesem Grund initiiert zu haben.
In Minsk vertreten nicht nur viele Oppositionelle die Meinung, dass der Geheimdienst KGB oder andere Kräfte im Machtapparat den Terroranschlag inszeniert haben könnten. Verbreitet ist die Ansicht, dass wie zu Zeiten des Sowjetdiktators Josef Stalin die unzufriedene Bevölkerung mit blutigem Staatsterror eingeschüchtert werden soll.
Lukaschenko sagte, dass jeder Versuch einer Revolution verhindert werde. "Es wird nicht gelingen, unser Land kaputtzumachen. Wir werden jede 5. oder 25. Kolonne vernichten." Mit "Kolonne" fühlt sich die prowestliche Opposition in Minsk angesprochen.
Lukaschenko hatte schon nach den gewaltsam aufgelösten Protesten gegen seine Wiederwahl am 19. Dezember Dutzende seiner Gegner ins Gefängnis werfen lassen. Weißrussland ist das letzte Land in Europa, das die Todesstrafe vollstreckt - durch Genickschuss.