Von den braunen Bergen

Erstveröffentlicht: 
18.06.2004

Im südhessischen Odenwald häufen sich rechtsextreme Übergriffe. Dort treibt auch die Kameradschaft Bergstraße ihr Unwesen.

Noch scheint die »Aktion Schulhof« nicht angelaufen zu sein. 250 000 Propaganda-CDs mit Rechtsrock wollen Neonazis an Schulen im ganzen Bundesgebiet verteilen. (Jungle World, 32/04) Nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung wurden bei Razzien Lieferscheine über 50 000 CDs, nicht aber die Ware selbst gefunden. Mittlerweile können die CDs nach einem Beschluss des Amtsgerichts Halle in ganz Deutschland beschlagnahmt werden, sobald sie auftauchen. Teil des Netzwerks von über 50 Gruppen und Organisationen, das hinter der Aktion steht, ist nach Informationen der Zeitschrift Blick nach Rechts auch die südhessische Kameradschaft Bergstraße.

Die Gruppe um René Rodriguez-Teufer tritt seit dem Jahr 2002 im Raum Odenwald/Bergstraße unter dieser Bezeichnung auf. Rodriguez-Teufer aus Viernheim ist ein langjähriger Kader der militanten Neonazi-Szene. Seine Karriere begann dem »Handbuch deutscher Rechtsextremismus« zufolge Anfang der neunziger Jahre in der Aktionsfront Nationalrevolutionärer Kameraden (ANK).

Kameradschaftsabende der ANK fanden auf dem Anwesen der Familie Müller in Mainz statt. Ursula Müller, die mit ihrem Mann Curt seit den frühen siebziger Jahren in der Neonazi-Szene aktiv ist, ist seit 1991 Vorsitzende der »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)«, berichtet der »Informationsdienst gegen Rechts«.

Zu den Aktivisten der ANK hat nach dem »Handbuch deutscher Rechtsextremismus« auch der im Raum Mannheim umtriebige Skinhead und NPD-Funktionär Christian Hehl gehört. Er entging Anfang dieses Jahres nur knapp einer erneuten Haftstrafe, weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er beschlagnahmte Nazidevotionalien hatte herstellen lassen. In früheren Haftzeiten, die er u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung verbüßte, wurde Hehl von der HNG betreut. Antifas aus der Region berichten, dass eine Gruppe von 70 Neonazis, darunter auch Hehl, im März 2003 versucht habe, sich unter der Führung von René Rodriguez-Teufer an einer Antikriegskundgebung in Mannheim zu beteiligen.

Ein Lieblingsthema dieses illustren Kreises ist das Gedenken an Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß. Auf der aktuellen Gefangenenliste der HNG wird ihm an erster Stelle als »Märtyrer des Friedens und Symbol der unterdrückten Freiheit in Deutschland« gehuldigt. Heß, der im Nürnberger Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und sich 1987 im Gefängnis das Leben nahm, wird als Prototyp des »nationalen Gefangenen« präsentiert.

Der zu seinem Todestag regelmäßig durchgeführte Gedenkmarsch, zuletzt mit 3 500 TeilnehmerInnen aus ganz Europa, ist derzeit die bedeutendste Veranstaltung der europäischen Neonazi-Szene. Auf der Veranstaltung wird der Mythos von Heß’ Ermordung propagiert.

1998 sei René Rodriguez-Teufer beim Heß-Gedenken in Dänemark mit Neonazis aus Norddeutschland unterwegs gewesen, berichtet das Antifaschistische Infoblatt. Im Jahr 2003 wurde im Einzugsgebiet seiner Kameradschaft Bergstraße eine entsprechende Plakataktion durchgeführt, und auch in diesem Jahr ruft die Gruppe zum Gedenken an Heß auf.

Dem widmet sich auch das im Jahr 2002 gegründete Aktionsbüro Rhein-Neckar, in dem nach dem hessischen Verfassungsschutzbericht neben der Kameradschaft Bergstraße auch Gruppen aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vertreten sind. Anfang dieses Jahres lud das Aktionsbüro zu einer Veranstaltung mit dem verurteilten Bombenleger Peter Naumann in Heppenheim ein. Für einen weiteren altbekannten Neonazi, nämlich Friedhelm Busse, der für den Satz, »wenn Deutschland judenfrei ist, brauchen wir kein Auschwitz mehr«, verurteilt wurde, hat die Kameradschaft Bergstraße im Jahr 2003 eine Solidaritätsdemonstration mitorganisiert. Eine Rede hielt dabei unter anderem Christian Worch, eine wichtige Führungsfigur des militanten Neonazismus.

Die Einbindung der Kameradschaft in die nationale und internationale Szene zeigte sich auch im April dieses Jahres. Zur Einweihung der neuen Räume, die sie im Örtchen Hochstädten angemietet hatte, sollen Rechte aus dem gesamten Bundesgebiet und der Schweiz gekommen sein, berichtete der Bergsträßer Anzeiger. Der Eigentümer der Halle wusste anscheinend nicht, mit wem er es zu tun hatte. Auf Druck der Öffentlichkeit sowie der zuständigen Gemeinde Bensheim wurde das Mietverhältnis aufgegeben.

Die wachsende Bedeutung von Neonazis in der Region vom Odenwald über die Bergstraße bis nach Mannheim ist deutlich spürbar. Im Jahr 2002 wurde ein bisher ungeklärter Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Erbach im Odenwald verübt. Immer wieder werden die Besucher einer Gaststätte in Bensheim bedroht, die als Treffpunkt nicht rechter Jugendlicher bekannt ist, so zuletzt im Anschluss an ein rechtes Grillfest in Lindenfels im Mai dieses Jahres. Im Juni fanden die Besucher eines öffentlich angekündigten Rundgangs über den jüdischen Friedhof in Alsbach zerstörte und mit Hakenkreuzen besprühte Grabsteine vor.

In Gesprächen mit Jugendlichen aus der Region und Beschäftigten aus der Jugendarbeit wird der stärker werdende Einfluss der extremen Rechten auf die Jugendkultur deutlich. Es wird berichtet, dass einerseits bereits zwölf- bis 14jährige von den Rechten geködert würden, während andererseits immer häufiger nicht rechte Jugendliche bedroht oder tätlich angegriffen würden.

So wurden bereits im Jahr 2002 in Bensheim rechtsextreme Flugblätter gegen eine Initiative für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in Briefkästen verteilt. Kürzlich wurde ein ähnliches Hetzblatt verteilt, diesmal mit einem Postfach in Viernheim als Kontaktadresse. In beiden Fällen war ein Frank Scholz aus Altena als presserechtlich Verantwortlicher genannt. Dieser Name wird nach Angaben des Blick nach Rechts seit Jahren als Verantwortlicher für rechtsextreme Projekte genannt, zuletzt für das Vorwort zu der Rechtsrock-CD, die an den Schulen verteilt werden soll.