Die EZB braucht frisches Geld der Mitgliedsländer, weil sie sich gegen Verluste aus Ankäufen von Staatsanleihen rüstet
Die Nein-Non-Achse, die sich von Berlin nach Paris zieht, stößt auf immer heftigere Kritik. Sie wächst sowohl im Ausland wie im Inland. So sprach sich der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, offen für eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms aus, was von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy abgelehnt wird. Trichet machte deutlich, dass die Stabilisierung des Euro wohl noch deutlich teurer werden wird. Die EZB hat vor dem EU-Gipfel, der heute in Brüssel beginnt, einen höheren Kapitalbedarf angemeldet, weil sie Verluste aus dem Sündenfall befürchtet, dass seit der Griechenland-Krise auch Staatsanleihen gekauft werden. Im Umweg über London machte nun die SPD-Spitze ihrer Sorge Luft, dass die EZB zu einer "Bad Bank" verkommen könnte, weshalb man sich in der Financial Times für Euro-Bonds ausspricht, die Merkel ebenfalls ablehnt.
Wie ein Kampf des kleinen Davids gegen gleich zwei riesige Goliaths nimmt es sich aus, dass vor allem das kleine Luxemburg die Stimme gegen die deutsche "Überheblichkeit und Arroganz" erhebt. Bisher war es vor allem der Chef der Euro-Gruppe, der luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker, der gegen die egoistische Politik aus Berlin ins Feld zog. Schließlich verschafft sich Deutschland mit seiner Politik auf Kosten der armen Länder Vorteile für den Export, indem der Euro geschwächt wird. Zudem dient das Land als Fluchtland für Anleger, die aus Staatsanleihen von Problemländern aussteigen, was deren Zinsen steigen und die Deutschlands fallen lässt. Diese Vorteile hat die Bundesregierung auch im Haushalt 2011 eingeplant.
Nun hat vor dem EU-Gipfel auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die verbale Steinschleuder Davids ausgepackt, um die Goliaths zur Raison zu bringen. Deutschland und Frankreich hätten eine "Machtanspruch, der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt, die das europäische Prinzip der Solidarität missachten", erklärte er im Interview. Er sprach damit den Versuch an, mit dem Deutschland und Frankreich schon versuchten, vor dem letzten EU-Gipfel die Beteiligten durch ihre Vorbeschlüsse in Deauville zum Abnickverein zu degradieren. Er meint auch die Einigung zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in Freiburg, mit der die Forderungen nach einer Ausweitung des EU-Rettungsschirms und nach gemeinsamen Euro-Anleihen beerdigt werden sollen.
Asselborn wirft Merkel und Sarkozy vor, vor dem letzten Gipfel Probleme erst geschaffen zu haben. "Dann sind sie nach Brüssel gekommen und haben theatralisch gezeigt: Wir haben die Probleme gelöst und Europa vorangebracht." Jetzt brauche man aber Beschlüsse, die keine weiteren "Unsicherheiten schaffen und damit die Spekulationen anheizen und die Euro-Zone in neue Turbulenzen stürzen." Damit spielte er auch auf die Berliner Winkelzüge vor der Griechenland-Nothilfe an, die für Griechenland richtig teuer wurden.
Gemeint war aber auch der kürzliche Vorstoß von Merkel, dass Staatsinsolvenzen möglich werden sollen, an denen sich die Banken beteiligen müssten. Der eigentlich richtige Vorschlag kam zur Unzeit und beschleunigte die Pleite Irlands. Er könnte noch als Merkel-Crash in die Annalen eingehen (Dieser Vorstoß, auch wenn er schnell zurückgenommen wurde, könnte sich als der Impuls zeigen, der den Dominostein Portugal ins Fallen bringt, der dann Spanien mit sich reißt. Letztlich könnte, auch angesichts der immer diffuser werdenden politischen Lage in Italien, der große EU-Schuldenmeister umfallen, mit unabsehbaren Folgen für den Euro (Die Zeitbombe Italien tickt lauter)
So ist es eigentlich nicht mehr verwunderlich, dass angesichts dieser Perspektive die Rufe nach einer Ausweitung des Rettungsschirms immer lauter werden. Zuletzt war es der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, der die Aufstockung gefordert hat: "Maximale Kapazität in punkto Quantität und Qualität", will er, um auf Notlagen reagieren zu können. Doch die Ausweitung lehnt Merkel ebenso kategorisch ab, wie sie die gemeinsamen Euro-Anleihen versucht, vom Tisch zu wischen. Erneut erklärte sie in ihrer Regierungserklärung: "Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung der Risiken, wie es bei Euro-Bonds zum Beispiel geschieht, als Lösung erscheinen zu lassen, die überhaupt keine Lösung ist", sagte Merkel gestern im Bundestag. Als Lösung bot sie "mehr Harmonie und Wettbewerbsfähigkeit gleicher Art in den europäischen Mitgliedstaaten und ganz besonders im Euroraum" an.
EZB geht das Geld aus
Die Opposition warf dagegen der Regierung ihren Schlingerkurs vor. Merkel habe den Ernst der Lage nicht erkannt, sagte der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Er warf ihr vor, die Dramatik der Lage herunterzuspielen. Er hielt Merkel vor, sie höre das "letzte Alarmsignal der EZB nicht". Nötig seien jetzt ein kräftiges Signal und ein mutiger Entwurf, um die zweifelnden Märkte zu überzeugen. Die Zeit des Durchmogelns und Durchwurstelns sei vorbei. Als Alarmsignal bezeichnete er es, dass die Trichet nicht nur für eine Ausweitung des Rettungsschirms ausgesprochen, sondern die EZB inzwischen auch neue Liquidität für die Zentralbank forderte, der es offensichtlich an Geld mangelt.
Die Financial Times Deutschland (FTD) hatte berichtet, dass die EZB die nationalen Notenbanken, die an ihr beteiligt sind, zu einer Aufstockung ihres Grundkapitals dränge. Zunächst hatte die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet und der FTD wurde diese Meldung aus dem EZB-Umfeld bestätigt. Auch Trichet, direkt von Journalisten darauf angesprochen, hat die Meldung nicht dementiert. Es ist klar, dass man den Hinweis gezielt als Warnung vor dem EU-Gipfel an die Presse durchsickern ließ. Denn es ist auch klar, dass die EZB bei einer Zahlungsunfähigkeit von einzelnen Ländern auf einem Teil der Kosten hängen bleibt. Offensichtlich bereitet man sich in Frankfurt schon auf den Ernstfall vor. Schließlich hatte die Europäische Zentralbank den EU-Rettungsschirm mit dem Tabubruch sekundiert, Staatsanleihen von Problemstaaten aufzukaufen (Historischer Wendepunkt in der Geldpolitik der EU).
Diese Praxis, die im Rahmen der Irland-Krise wieder verstärkt wurde, ist auch in der EZB schwer umstritten. Die Zentralbank hat allein in der vergangenen Woche wieder Staatsanleihen für 2,7 Milliarden Euro gekauft. Insgesamt sollen es gut 72 Milliarden sein. Nachdem sich eine lange Zeit vor allem der Bundesbankchef Axel Weber gegen diese Aufkäufe ausgesprochen hat (Der Euro stürzt ab), schlägt auch sein italienischer Kollegen Mario Draghi immer stärker in diese Kerbe. Beide stehen in Konkurrenz um die Nachfolge Trichets an der Spitze der EZB. Ihnen gefällt nicht, dass die Zentralbank die Verschuldung der Staaten mitfinanziert und die EZB zum Erfüllungsgehilfen der Politik verkommt, anstatt sich ihren primären Aufgaben als Notenbank zu widmen. Mit der Ausweitung der Krise kommt eine Rolle auf die EZB kommt, wie sie US-Notenbank (FED) längst innehat. "Ratlos" lässt sie die Notenpressen auf Vollgas laufen, um mit immer neuen Milliarden US-Staatsanleihen zu kaufen.
Deutschland ist der größte Gläubiger der PIGS-Staaten
Deutlicher, um welche Größenordnungen es auch in Europa geht, wird das, wenn man sich die neuen Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) anschaut. Die Zentralbank der Zentralbanken in Basel arbeitet die Verflechtungen der Banken untereinander heraus. Im neuesten Quartalsbericht hat die BIZ gerade deutlich gemacht, dass allein im 2. Quartal viele Banken ihr Geld aus den bedrohten Euro-Krisenländern Portugal, Irland, Griechenland und Spanien abgezogen haben. Die Auslandsforderungen an Banken, Unternehmen und die öffentliche Hand in den PIGS-Staaten sei um mehr als 105 Milliarden Dollar zurückgegangen sind.
Angesichts des Misstrauens nach der Irland-Krise, dürfte sich die Tendenz im 3. Quartal noch deutlich verstärkt haben. Hier muss unter anderem die EZB einspringen, schließlich brauchen die Problemstaaten wegen hoher Haushaltsdefizite und steigender Zinslasten immer mehr Geld. In dem Bericht wird auch noch einmal deutlich gemacht, wer besonders von einem oder mehrerer Abstürze getroffen würde. Fast 513 Milliarden Dollar hatten deutsche Institute insgesamt im 2. Quartal an Griechenland, Irland, Portugal und Spanien ausgeliehen. Da nur etwa 70% deren Schulden Auslandsschulden sind, ist Deutschland der größte Gläubiger der vier Länder, der fast die Hälfte ihrer gesamten Auslandsschulden hält.
Für Asselborn und Steinmeier, obwohl sie aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen, ist klar, dass langfristig kein Weg an den Euro-Bonds vorbeiführen wird. Die Außenstände deutscher Banken in den PIGS-Ländern machen deutlich, dass das natürlich nicht nur uneigennützig für sie geworben wird. In einem Gastbeitrag für die Financial Times, den Steinmeier mit dem Ex-Finanzminister Peer Steinbrück verfasst hat, fordern sie gemeinsame Euro-Anleihen. Noch bevor Steinmeier der Bundeskanzlerin im Bundestag die Leviten gelesen hat, ging er sie im Umweg über London hart an. "Euro-Bonds würden die Botschaft senden, dass Europa stark, einig und bereit ist, jegliche kritische Marktlage gemeinsam anzugehen", argumentieren die SPD-Politiker.
Damit könne die EZB davor bewahrt werden, zu einer "Bad Bank" zu werden, in die toxische Papiere ausgelagert werden und somit ihre "Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit wahren", schossen sie in der Zeitung eine Breitseite auf die konservative Merkel. Denn die Finanzmärkte erwarteten ein "unmissverständliches Signal der Unumkehrbarkeit der Wirtschafts- und Währungsunion". Bedingungslos wollen aber auch die SPD-Führer die Bonds nicht einführen. Mit dem Blick auf Irland, das zwar viele Steuern anhebt, aber die Unternehmenssteuer auf sehr niedrigen 12% belassen darf, fordern sie eine besser abgestimmte Steuerpolitik.
Erforderlich sei zudem "eine Mischung aus einem intelligenten Haircut (Forderungsverzicht) von Gläubigern, Garantien für stabile Länder und der begrenzten Einführung von europaweiten Anleihen auf mittlere Sicht". Nur wenn diese Maßnahmen gemeinsam umgesetzt würden, kann die Stabilität wieder erreicht werden, schreiben sie und fordern eine stärkere Integration Europas. Ein weiteres Abwarten gefährde dagegen die europäische Integration.
Ähnlich argumentiert auch der Luxemburger Asselborn. Die Euro-Bonds seien ein Ausdruck von Solidarität, die den Märkten in der Welt zeigen würden, dass die "Europäer trotz aller Probleme zusammenhalten". Sie seien von den allen Rettungsinstrumenten immer noch das Beste. Dass nach der Ablehnung von Merkel und Sarkozy die Euro-Anleihen Thema des EU-Gipfels sein werden, glaubt er nicht. Er geht aber davon aus, dass sie in Zukunft in irgendeiner Form eingeführt werden. Wahrscheinlich, wie der Rettungsschirm und die Griechenland-Rettung, wenn das Kind schon tief im Brunnen steckt.
Ärgerlich wird Asselborn, wenn man damit kommt, Deutschland würde zum Zahlmeister der EU. "Ich kann das Wort Zahlmeister nicht akzeptieren." Er erinnert daran, dass Deutschland von Europa ganz besonders profitiert. "Deutschland exportiert für 800 Milliarden und davon gehen 50% in die Europäische Union." Das wäre seiner Meinung nach ohne Euro und den Binnenmarkt unmöglich. Wenn also der Euro zusammenbrechen würde, dann hätte das erhebliche Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft. Er plädiert deshalb dafür, die Krise des Euros zusammen zu bewältigen und "europäisch an die Sache heranzugehen" und nicht national, denn sonst werde man das nicht schaffen.