Vor dem Antifa-Aktionstag gegen das Nazi-Zentrum im „Rössle“ am 23. Oktober in Rastatt und Rheinmünster-Söllingen geben Anna und Tobias von der Autonomen Antifa Karlsruhe in einem Interview Auskunft über den aktuellen Stand. Sie arbeiten in der antifaschistischen Initiative „Rössle – Schachmatt“ mit, die seit einigen Wochen gegen das überregionale Nazi-Zentrum in Söllingen arbeitet. Dabei sprechen sie auch über den Spaltungsversuch der regionalen Nazi-Szene, die nun für den selben Tag eine eigene Kundgebung in Offenburg angekündigt hat.
RedAktion: Hallo, schön, dass ihr Zeit gefunden habt. Ihr arbeitet gerade intensiv gegen das Nazi-Zentrum in Söllingen, könnt ihr uns kurz einen aktuellen Überblick über die Aktivitäten dort geben?
Anna: Ja, Neonazis aus dem Kameradschaftsumfeld nutzen seit mittlerweile über einem halben Jahr den Saal eines bis dato kaum noch genutzten Gasthauses in Söllingen als sogenanntes „Nationales Zentrum“. Dort finden regelmäßig an fast jedem Wochenende Rechtsrock-Konzerte, Propaganda-Veranstaltungen und Kameradschaftsabende statt. An manchen Abenden kommen dazu bis zu 250 Neonazis aus ganz Baden-Württemberg und den angrenzenden Gebieten.
RedAktion: Wie sind denn die Reaktionen vor Ort auf die drohende Gefahr eines dauerhaften Nazi-Zentrums vor der Haustür?
Tobias: Zum Großteil fühlen sich die Anwohner_innen natürlich schon gestört, melden sich aber kaum zu Wort, auch da die Neonazis kaum Angriffsfläche bieten. Sie geben sich im 800-Seelen Dorf Söllingen betont „bürgernah“. In Söllingen selbst hat sich im Sommer ein Bündnis aus lokalen Organisationen bis hin zur CDU gebildet, in dem leider auch ein Staatsschutzbeamter der Rastatter Kripo sitzt. Insofern wundert kaum, dass auf der einzigen Veranstaltung des Bündnisses Neonazis ungestört bleiben durften und sich inhaltlich eher mit der Gleichsetzung von Rechts und Links beschäftigt wurde.
Anna: Die zuständigen Behörden versuchten durch eine Verfügung, die Nutzung des „Rössle“ für Konzerte und Musikveranstaltungen zu unterbinden. Diese inhaltlich schwache Verfügung des Landratsamts Rastatt wurde jedoch Mitte September vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gekippt. Damit sind die Möglichkeiten der Behörden, das Nazi-Zentrum auf rechtlichem Weg zu Fall zu bringen, nahezu ausgeschöpft.
RedAktion: In einer solch ländlichen Umgebung gestaltet sich Antifa-Arbeit ja meist schwieriger. Wie geht ihr damit um?
Anna: Wir arbeiten gemeinsam mit Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden in einem regionalen Bündnis unter dem Namen „Kein-Nazi-Zentrum in Söllingen“. Als erste gemeinsame Aktion steht am 23. Oktober eine Demonstration in Rastatt und eine Kundgebung in Söllingen auf dem Programm. In Rastatt haben wir drei Ziele für unseren Protest. Die dortige Kameradschaft hat bereits in Kuppenheim und Rastatt einige Erfahrung mit Nazi-Zentren gesammelt und ist nun auch in Söllingen federführend beteiligt. Zudem sitzt in Rastatt eine der bedeutendsten Anwaltskanzleien der Nazi-Szene, die Kanzlei Harsch & Kollegen vertritt seit Jahren nahezu sämtliche Neonazis in Nordbaden. Ferner sitzt in Rastatt mit dem Landratsamt die zuständige Behörde. Danach wollen wir mit einer Kundgebung direkt vor dem Nazi-Zentrum im „Rössle“ ein deutliches Zeichen setzen.
Tobias: Dabei geht es uns auch darum, die Menschen vor Ort zu erreichen. Dazu laden wir gemeinsam mit der Antifa-Initiative „Rössle – Schachmatt“ am kommenden Mittwoch, 13. Oktober zu einer Info-Veranstaltung mit Robert Andreasch nach Rheinmünster ein. Beginn ist um 19:30 Uhr im Ristorante Angelo’s. Daneben haben wir eine Informationsbroschüre herausgebracht, die die Nazi-Aktivitäten in Söllingen dokumentiert und Möglichkeiten aufzeigt, dagegen aktiv zu werden. Diese kann mit einer Chronik auch auf der Schachmatt-Homepage runtergeladen werden.
RedAktion: Uns haben Meldungen über einen geplanten Nazi-Aufmarsch in Offenburg erreicht. Wie steht ihr dazu?
Anna: Dabei handelt es sich eindeutig um ein Ablenkungsmanöver. Die Nazis versuchen unseren antifaschistischen Widerstand zu spalten. Entgegen der Pressemeldung der Stadt wurde der Aufmarsch nicht von der NPD, sondern aus dem Kameradschaftsumfeld angemeldet. Nach dem versuchten Heß-Marsch in Karlsruhe ist die Ankündigung für Offenburg bereits der zweite Aufmarschversuch der Nazis, der seine Wurzeln in Söllingen hat. Bevor uns nun im Monatstakt weitere Aufmärsche in Baden-Baden, Lahr oder Oberkirch erwarten, wollen wir offensiv am Kern des Problems aktiv werden. Gerade deshalb halten wir weiter voll an unserer Mobilisierung nach Rastatt und Söllingen fest. Nur wenn wir jetzt gemeinsam und entschlossen gegen das Nazi-Zentrum vorgehen, können wir dem weiteren Aufbau von Nazi-Strukturen in der Region effektiv entgegenwirken.
Tobias: Natürlich erklären wir uns gleichzeitig solidarisch mit allen, die die Nazi-Kundgebung in Offenburg verhindern wollen und rufen alle, die nicht nach Rastatt und Söllingen können, dazu auf sich an den Protesten dort zu beteiligen.
RedAktion: Wie sehen Eure Planungen für den Tag selbst aus?
Tobias: In Rastatt wollen wir uns um 12 Uhr am Bahnhof treffen und von dort in die Innenstadt demonstrieren. Auf der Straße wollen wir deutlich machen, dass es auch hier an der Zeit ist, den organisierten Nazi-Strukturen den Kampf anzusagen. Danach wollen wir um 15 Uhr in Söllingen sein. Dazu stellen wir mehrere Shuttle-Busse für die Teilnehmenden zur Verfügung. Direkt vor dem Nazi-Zentrum wollen wir dann ein klares antifaschistisches Aufbruchssignal setzen und die Bevölkerung zu eigenem Engagement ermutigen.
RedAktion: Ok, dann viel Erfolg und danke für das Gespräch.
Anna: Gerne und wir sehen uns am 23. Oktober in Rastatt und Söllingen.
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