"Bandidos"-Verbot auf dünnem Eis?

Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Die Beamten und der Rocker-Boss gehen höflich miteinander um - auch wenn der Termin ein heikler ist: Eine Hausdurchsuchung beim Präsidenten der "Bandidos" steht an. In seinem Anwesen befinden sich im Untergeschoss auch die Clubräume. Ob man die Durchsuchung nicht im Obergeschoss beginnen könne, fragt der Präsident. Dann könne seine schwer kranke Lebensgefährtin zur Ruhe kommen. Die Polizeibeamten entsprechen dem Wunsch. Sie ziehen sich sogar die Schuhe aus, um den weißen Teppich auf der Treppe nicht zu beschmutzen.

 

Sonderwünsche bei der Hausdurchsuchung


Diese Begebenheit findet sich in den Ermittlungsakten zum sogenannten "Subway"-Verfahren aus dem Jahr 2010. Die Papiere liegen dem NDR vor. Wenige Stunden zuvor waren in einem "Subway"-Schnellrestaurant in Neumünster Mitglieder der rivalisierenden "Red Devils" überfallen und zum Teil lebensgefährlich verletzt worden. Schnell gerieten die "Bandidos" ins Visier der Ermittler.

 

"Überaus merkwürdig" findet der Kriminologe Thomas Feltes das Vorgehen der Beamten im Haus des Rocker-Chefs. "Mir ist nicht bekannt, dass es bei Durchsuchungen irgendwelche Wünsche gibt, was die Polizei als erstes, zweites, drittes durchsuchen soll." Haben die Beamten den Raum unten während der Durchsuchung im Obergeschoss gesichert, damit keine Beweismittel verschwinden konnten? Handelte es sich einfach um ein menschliches Entgegenkommen? Eine Antwort liefert die Akte nicht. Die Staatsanwaltschaft Kiel, die für die Durchsuchung verantwortlich war, beantwortet keine Fragen zum "Subway"-Verfahren und verweist auf laufende Prüfungen zu dem Fall. 

 

Bilder nach der Hausdurchsuchung gelöscht


Merkwürdig findet Feltes auch einen zweiten Aspekt: Die Fotos und Videos, die die Ermittler im Haus des Rocker-Chefs machten, wurden nach der Hausdurchsuchung wieder gelöscht. Aktenkundig wird dies erst ein halbes Jahr nach der Durchsuchung. Parallel zum "Subway"-Fall liefen damals auch Ermittlungen gegen den Bandidos-Präsidenten wegen schwerer Hehlerei. Die Bilder aus dem Haus wären offenbar auch für dieses Verfahren interessant gewesen. Eine Beamtin hielt schriftlich fest: Alle Bilder und Videos seien zu dunkel geworden und deshalb nach der Durchsuchung gelöscht worden.

 

"Das alles klingt sehr stark danach, dass hier Beweismittel unterdrückt oder sogar vernichtet worden sind", urteilt Kriminologe Feltes. Selbst wenn Fotos zu dunkel geraten seien, müssten sie aufbewahrt werden, um dieses später auch belegen zu können. Auch hierzu äußert sich die Kieler Staatsanwaltschaft nicht. Der SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner hat ebenfalls zahlreiche Dokumente zu dem Fall gesichtet. "Nach dem Vermerk sind die Fotos mit einer Digitalkamera gemacht worden. Und nach Alltagserfahrungen sieht man bei Digitalkameras das Ergebnis seiner Arbeit ja relativ schnell", sagt Dolgner. Dass der Fehler erst nach der Durchsuchung aufgefallen sei, hält er für unglaubwürdig. 

 

Ranghoher "Bandido" offensichtlich als V-Mann geführt


Der "Bandidos"-Präsident spielt nach bisherigen Erkenntnissen eine besondere Rolle in den damaligen Ermittlungen. Denn nach Informationen des NDR und auch der  "Kieler Nachrichten" wurde er vom LKA als Informant geführt. Von ihm stammt demnach auch die entlastende Information, die innerhalb der "Soko Rocker" für schwere Verwerfungen sorgte: Einer der Beschuldigten für den Überfall im "Subway"-Restaurant sei zur Tatzeit noch gar nicht am Tatort gewesen. Der zuständige V-Mann-Führer beschrieb seinen Hinweisgeber beteiligten Beamten zufolge als langjährige und zuverlässige Quelle. Nach langen Diskussionen im LKA wurde die entsprechende Aussage der Quelle zwar zu den Akten genommen - aber die Identität des Hinweisgebers verschwiegen. 

 

Hätte V-Mann "Bandidos"-Verbotsverfahren gefährdet?


Besonders brisant in diesem Fall: Zeitgleich zu den Ermittlungen im "Subway"-Verfahren befand sich das Verbotsverfahren gegen die "Bandidos" Neumünster auf der Zielgeraden. Das Innenministerium wollte aufzeigen, dass von dem Verein eine Gefahr für Demokratie und Rechtstaat ausging. Kritisch sahen diesen Zusammenhang auch Beamte des LKA Mecklenburg-Vorpommern. Sie gingen den Vorgängen in Schleswig-Holstein als externe Prüfer nach. Nach Informationen von NDR Info hielten sie in ihrem Gutachten fest: Die Zusammenarbeit mit dem Informanten sei äußerst problematisch gewesen. Vor allem auch, weil die verdeckte Zusammenarbeit im laufenden Verbotsverfahren erfolgte: "Der Hinweisgeber stand im Zentrum der vereinsrechtlichen Maßnahmen."

 

SPD-Mann Dolgner sieht eindeutige Parallelen zum gescheiterten NPD-Verbotsverfahren. Wäre damals eine Informanten-Tätigkeit des Rocker-Chefs bekannt geworden, glaubt er, hätte das Gericht das Verbot der Bandidos wohl kaum durchgewunken: "Das Verbotsverfahren wäre schwerst gefährdet gewesen." 

 

Dolgner: "Untersuchungsausschuss notwendig"


Dolgner sieht viele offene Fragen - auch die, ob ein Informant der Behörden Vergünstigungen erhalten hat, die er nicht erhalten durfte. Und er befürchtet, dass dies anhand der Aktenlage nicht zu klären ist. Dafür brauche es Zeugenbefragungen: "Ich glaube, das tut dem Ansehen unseres gesamten Landes nicht gut, wenn das jetzt noch lange rumwabert." Die SPD-Fraktion im Landtag, halte einen Untersuchungsausschuss für notwendig, sagt er.

 

Das Innenministerium erklärte dazu: Den Bericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern habe man zum Anlass genommen, die Führung von V-Leuten in Schleswig-Holstein neu zu organisieren. Eine "strukturierte Zusammenarbeit" mit "Bandidos" habe es zum Zeitpunkt des Verbots nicht gegeben.