Rote Flora, Rigaer Straße, Connewitz - G20 zeigte Gewaltpotenzial: So ist die linke Szene in Deutschland aufgestellt

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Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Die Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfel haben viele entsetzt: Randalierer zündeten Straßensperren und die Autos von Anwohnern an, verwüsteten Geschäfte und attackierten Polizisten. Wenige Tage reichten, um das enorme Gewaltpotenzial zu zeigen, das die linksextremistische Szene hierzulande entfesseln kann.

 

Aber wie ist die Szene überhaupt aufgestellt und wie viele Gewaltbereite gibt es? Eine Übersicht.


Kurz erklärt: Wer ist Linksextremist?


Linksextremisten sind Menschen, die das kapitalistische System ablehnen und die Errichtung einer neuen Gesellschaftsform anstreben, teils mit Gewalt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unterscheidet zwei Hauptströmungen:


1. Marxisten-Leninisten und sonstige Marxisten und Leninisten, die eine sozialistische oder kommunistische Gesellschaftsordnung errichten wollen.
2. Autonome, Anarchisten und sonstige Sozialrevolutionäre, die ein „herrschaftsfreies, selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher staatlicher Autorität“ anstreben.


Wie viele Linksextremisten gibt es in Deutschland und wie viele sind gewaltbereit?


Der Verfassungsschutz geht für das Jahr 2016 von 28.500 Linksextremisten in Deutschland aus. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren (2015: 26.700; 2014: 27.200) und der höchste Stand seit 2012.


Besonders beunruhigend: Den größten Zuwachs gab es laut BfV im Bereich der „gewaltorientierten* Linksextremisten“. Der Zuwachs betrug mehr als zehn Prozent, es handelt sich um 8500 Personen. Die größte Gruppe unter ihnen sind sogenannte Autonome (6800 Personen).

 

*Das Bundesamt verwendet seit einiger Zeit statt „gewaltbereit“ den Begriff „gewaltorientiert“. Wie im Verfassungsschutzbericht 2014 erklärt ist, schließt der Begriff nicht nur "gewaltbereite" Personen ein, sondern beispielsweise auch "gewalttätige" und "gewaltbefürwortende" Personen. Unter "gewaltbefürwortend" verstehen die Verfassungsschützer Personen oder Gruppen, die sich gewaltbefürwortend äußert, und zwar mit der Absicht, andere zu Gewalt zu animieren. Der Begriff reicht also weiter als das früher übliche "gewaltbereit".


Was sind Autonome, was ist der „Schwarze Block“?

 
Die Autonomen sind keine homogene Gruppe, dem Verfassungsschutz zufolge haben sie aber übereinstimmende Ziele: „Das Individuum und seine Selbstverwirklichung stehen im Mittelpunkt, jegliche Form der Fremdbestimmung wird abgelehnt und die „autoritäre“ Staats-und Gesellschaftsordnung soll zugunsten einer herrschaftsfreien Ordnung überwunden werden“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht.


Ob und welche Formen der Gewalt Autonome für akzeptabel halten, ist innerhalb der Szene umstritten. Für „klassische Autonome“ sei Gewalt ein „Mittel subjektiver Befreiung“ und „ein unverzichtbares Element im Kampf gegen ein angebli­ches System von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung“. Es gebe aber auch anderslautende Tendenzen, Gewalt zumindest nicht offen gutzuheißen, um breitere Schichten anzusprechen.


Insgesamt gelten die Autonomen den Verfassungsschützern als „Hauptträger linksextremistischer Gewalt“. Neben „Straßenmilitanz“, Brandanschlägen und Farbschmierereien komme es auch zu körperlichen Attacken. Dabei nähmen die Täter „sogar schwerste Verletzungen ihrer Opfer in Kauf“.


Bei Demonstrationen von Linksextremisten spricht man oft von einem „Schwarzen Block“: In der Regel gewaltorientierte Autonome, die sich mit schwarzer Kleidung vermummen, damit sie schwerer von der Polizei zu identifizieren sind. Es handelt sich also nicht um eine feste Gruppe, sondern um einen Teil einer Demonstration, der sich teils spontan von den restlichen Demonstrationsteilnehmern absetzt und häufig die direkte Auseinandersetzung mit der Polizei sucht. Oft kommen die Angehörigen bereits mit schwarzer Kleidung, Experten berichten aber auch davon, dass die Vermummung versteckt und erst später angelegt wurde, um bei Polizeikontrollen nicht aufzufallen.


Eine Sache, die uns Hoffnung macht


Das Bundesamt für Verfassungsschutz bietet für Mitglieder der linksextremistischen Szene ein Aussteigerprogramm an. Das Programm „bestärkt sie in ihrer Entscheidung und unterstützt sie bei weiteren Schritten, sich aus dem linksextremistischen, insbesondere gewaltbereiten Umfeld zu lösen“, heißt es dazu auf der Homepage. Das Bundesamt sichert allen, die sich melden, Vertraulichkeit zu. Interessenten können sich rund um die Uhr telefonisch unter 0221 / 792-6600 sowie per E-Mail melden.

Wie viele Straftaten begehen Linksextremisten?

 
2016 ging laut Verfassungsschutzbericht die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten leicht zurück: von 5620 Taten im Jahr 2015 auf 5230 Taten. Das BfV erklärt sich den Rückgang damit, dass es 2016 keine „Großanlässe“ in Deutschland oder benachbarten Ländern wie den G20-Gipfel in Hamburg gab, zu denen die Szene hätte mobilisieren können.


Schaut man sich die linksextremistisch motivierten Gewalttaten an, so richten sie sich vor allem gegen die Polizei- und Sicherheitsbehörden (687 Fälle 2016; 1032 Fälle 2015) sowie gegen echte oder vermeintliche Rechtsextremisten (2016: 432 Fälle; 2015: 572 Fälle). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Körperverletzungen deutlich zurück, und zwar von 986 Fällen im Jahr 2015 auf 638. Es kam zu sechs versuchten Tötungen (2015: 8).


Neben direkten Angriffen auf Polizei und politische Gegner ist „Massenmilitanz“ am Rande von Demonstrationen typisch. Aber auch Anschläge auf Sachen, die in der Regel nachts verübt werden, kommen häufig vor.


Rote Flora, Rigaer Straße, Connewitz – die Schlüsselorte der Szene


Es gibt in Deutschland mehrere Szenetreffs, die eine Schlüsselrolle spielen. Polizeiliche Aktionen wie Durchsuchungen werden von einer großen Unterstützerszene als Angriff verstanden und teils mit Ausschreitungen oder anderen Aktionen beantwortet. So befürchtete die Polizei im Leipziger Stadtteil Connewitz, es könne nach der G20-Randale in Hamburg auch Ausschreitungen in Leipzig geben. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster fordert aktuell die Schließung solcher Szenetreffs. Diese drei sind besonders wichtig:


„Rote Flora“, Hamburg
Das Kulturzentrum ist seit fast 30 Jahren besetzt. Es liegt im Schanzenviertel, einem Schwerpunkt der G20-Ausschreitungen. Auch wenn die "Flora" am 1. Mai stets geschlossen ist, werden die Krawalle am Tag der Arbeit regelmäßig den dortigen Linksautonomen zugeschrieben. In dem Zentrum finden allerdings auch „normale“ Kulturveranstaltungen wie Konzerte statt. Nicht jeder Besucher ist also dem autonomen Spektrum zuzuordnen.


Rigaer Straße 94, Berlin-Friedrichshain


In der Rigaer Straße kommt es seit längerem zu Angriffen von Linksautonomen auf die Polizei. Anlass der oft gewaltsamen Auseinandersetzungen ist der Streit um ein Haus in der Rigaer Straße 94, das als Szenetreff genutzt wird. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte zuletzt an, den Druck auf die Autonomen mit mehr Polizeipräsenz zu erhöhen.


Connewitz, Leipzig


In dem Stadtteil kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Linksextremisten und der Polizei sowie zwischen Links- und Rechtsextremisten. Ein Beispiel: Im Januar 2015 zogen hunderte Autonome, die der Szene in Connewitz zugerechnet wurden, randalierend durch Leipzig und griffen Polizisten sowie ein Amtsgericht an. Eigentliches Ziel der Randale sollte die rechtspopulistische Pegida-Bewegung sein.

Ausblick: Gehen die Randale bei der Bundestagswahl weiter?


Der Verfassungsschutz warnte bereits im Verfassungsschutzbericht 2016 vor „Besetzungsaktionen, Blockaden und Straßenkrawallen“ beim G20-Gipfel in Hamburg. Die Verfassungsschützer befürchten außerdem, dass es rund um die Bundestagswahl erneut zu Gewaltausbrüchen kommen könnte. Dann sei „mit einem Anstieg linksextremistisch motivier­ter Straf-und Gewalttaten gegen den politischen Gegner und die Polizei zu rechnen“.