Auto angezündet - Rechte Brandstifter terrorisieren Neukölln

Erstveröffentlicht: 
11.07.2017

Erneut zünden Unbekannte das Auto einer SPD-Politikerin an. Ermittler haben mittlerweile einen Neonazi als Verdächtigen im Visier.

 

Wieder haben Unbekannte in der Nacht von Montag zu Dienstag Autos in Neukölln angesteckt. Und wieder traf es mit Gabriele Gebhardt eine SPD-Politikerin. Die Anschläge reihen sich ein in eine seit Monaten andauernde Serie von Attacken. Ziel sind Gewerkschafter, Buchhändler, Politiker oder Menschen, die sich gegen Rechts engagieren. Nun gerät ein Neonazi ins Visier der Ermittler.

 

Der Süden Neuköllns gilt seit Jahren als Kerngebiet vieler Rechtsextremer. Die "Freien Kräfte Neukölln" hatten im vergangenen Jahr etwa unter dem Motto "Neukölln wehrt sich gegen Linksextreme" zahlreiche Adressen "linker" Treffpunkte veröffentlicht. Seit Dezember vergangenen Jahres gab es nach Informationen der Berliner Morgenpost mindestens 20 eindeutig rechts­extreme Straftaten in Neukölln. Innensenator Andreas Geisel (SPD) setzte im Januar dieses Jahres eine eigene Ermittlungsgruppe dafür ein.

 

Bei der Serie ist eine deutliche Eskalation zu sehen. Handelte es sich am Anfang noch um Schmierereien an Hauswänden oder eingeworfene Fensterscheiben, wurden zuletzt mehrfach Autos angezündet. Darunter das der SPD-Politikerin Mirjam Blumenthal, das eines Gewerkschafters, eines Buchhändlers und einer Frauenrechtlerin. Allen ist gemein, dass sie sich öffentlich gegen Rechts engagierten.

 

Für SPD-Politikerin Gebhardt ist es ein Schock, dass es sie nun offenbar auch getroffen hat. In der Nacht zum Dienstag gegen 2.30 Uhr wurde sie von einem 24-jährigen Nachbarn aus dem Bett geklingelt. Er war es auch, der Polizei und Feuerwehr alarmiert hatte. Auf dem Wiedehopfweg: ein großer Feuerball. Ihr Auto stand in Flammen und brannte vollständig aus. Ihr Mann habe sein Fahrzeug, das dahinter stand, noch schnell wegfahren können. 

 

"Wer macht so etwas"


"Ich habe dafür keine Erklärung. Wer macht so etwas", sagt die 55-Jährige. Sie sei politisch engagiert, fest verwurzelt in der SPD und lange Abgeordnete in der BVV Neukölln. "Auf keinen Fall werde ich mein politisches Engagement aufgeben", sagte sie der Berliner Morgenpost. Gebhardt saß bis 2016 in der BVV Neukölln, war Ausschussvorsitzende im Ausschuss für Gesundheit und Soziales und Mitglied im Integrationsausschuss. Seit der Wahl im vergangenen Jahr ist sie Bürgerdeputierte.

 

Doch warum sie ausgerechnet jetzt in den Fokus der Brandstifter geraten ist, wisse sie nicht. Allerdings ist sie mit Mirjam Blumenthal befreundet, deren Auto auch schon angezündet wurde. Gut fünf Minuten nach dem Anschlag auf das Auto von Gebhardt zündeten die Unbekannte den Wagen einer anderen Frau an der Schönefelder Straße an. Sie gehört zum "Aktionsbündnis Rudow gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit".

 

Die Liste der rechtsextremen Straftaten im Bezirk ist inzwischen lang und findet oft auch unter dem öffentlichen Radar statt. "Das grenzt an Psychoterror", sagt eine, die aus Angst nicht namentlich genannt werden möchte. Die Täter verhalten sich dabei konspirativ und dringen in den privatesten Lebensbereich ihrer Opfer ein. So wurden etwa am 23. Dezember vergangenen Jahres mehrere Fenster einer Privatwohnung eingeworfen und zwei Räume mit Farbe verwüstet. Der Wohnungsinhaber war früher in der linken Szene aktiv. Anfang Februar wurde an die Wohnungseingangstür einer Frau "Antifahure wir kriegen dich" geschrieben, nur wenige Tage später an die Wohnung eines anderes Linken "Rote Drecksau". 

 

Tatverdächtiger im Fokus der Ermittler


Doch nun haben die Behörden einen Tatverdächtigen im Fokus. Nach Informationen der Berliner Morgenpost ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen einschlägig bekannten 27-jährigen Neonazi, dessen Name der Berliner Morgenpost bekannt ist. Offenbar gab es bei dem Mann auch schon eine Hausdurchsuchung. Gegenstand des Verfahrens sind zwei Brandstiftungen vom Januar dieses Jahres. In einem Fall ging dabei das Fahrzeug des Inhabers einer Rudower Buchhandlung in Flammen auf, auf die bereits im Dezember ein Anschlag verübt worden war. Der Buchhändler war offenbar ins Visier der Rechtsextremisten geraten, nachdem er eine Veranstaltung gegen Rechtspopulismus organisiert hatte. Das zweite angezündete Auto gehörte einem Gewerkschafter.

 

Der wegen der Brandstiftungen beschuldigte Mann hatte einst für die NPD kandidiert und gehört zum Umfeld der Neonazi-Gruppierung "Nationaler Widerstand Berlin", die als eine der gewalttätigsten der Hauptstadt gilt. Er ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, gefährlicher Körperverletzung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Nach Informationen der Morgenpost steht er zudem im Verdacht, am 9. November vergangenen Jahres, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, als Verantwortlicher der Facebook-Seite "Freie Kräfte Neukölln" eine Berlin-Karte mit Standorten jüdischer Einrichtungen, sowie dem Schriftzug "Juden unter uns" und dem Kommentar, "Heute ist so ein schöner Tag", gepostet zu haben.

 

Beobachtern der militanten Neonazi-Szene ist der Beschuldigte bestens bekannt. Die Ermittlungen gegen ihn seien wenig überraschend. "Wir haben stets darauf hingewiesen, dass der Kreis von potenziellen Tätern extrem überschaubar ist", sagte die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), Bianca Klose. "Ich hoffe, dass die Verantwortlichen für die menschenverachtenden Feindeslisten als auch für die Anschläge zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Klose weiter.