17. Juni: Naziaufmarsch fast ohne Resonanz

Neonazis am 17.Juni in Dresden

Die lokale Naziszene kündigte großspurig einen ganzen Aktionstag zum Jahrestag des „Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953“ an. Unterm Strich hat es allerdings selbst in der eigenen Szene nur ein geringes Interesse am Thema gegeben, sodass die Aktionen entsprechend mau ausfielen.

 

Bereits vor 10 Uhr am Vormittag besuchten einige in ihrer Eigenwahrnehmung wohl „junggebliebene“ Nazis der lokalen NPD Strukturen das Denkmal „Panzerkette“ auf dem Postplatz. Im Namen der NPD-Jugendorganisation JN ließen sich dort Jens Baur, Nele Schier, Dietmar Grahl und der tatsächlich noch recht junge Nico Koal beim Kranzablegen und Geradeaus-gucken ablichten.

 

Für 12 Uhr hatte die NPD zu einer Demonstration unter dem Motto „Damals wie heute: Soziale Gerechtigkeit für deutsche Arbeiter!“ aufgerufen. Treffpunkt war der S-Bahnhof in Niedersedlitz. Kurz vor 12 Uhr holten Marcel Opitz, einer der jüngeren lokalen Nazis und eine Begleiterin Flaggenstangen aus dem Objekt in der Reisstraße 40 ab und brachten sie zum Treffpunkt.

 

Während der Auftaktkundgebung sprachen Jens Baur und Dietmar Grahl von der NPD zu den insgesamt circa 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.


Nach den ersten Reden zogen die Nazis schließlich über die Straße des 17.Juni und die Stephensonstraße zur Pirnaer Landstraße, wo während einer Zwischenkundgebung der Vorsitzende der tschechischen Nazipartei DSSS (Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit) Tomáš Vandas sprach. Von dort aus ging es dann wieder zurück zum Bahnhof Niedersedlitz.

 

Den Lautsprecherwagen stellte wiedermal Jens Baur, gefahren wurde er allerdings während der Demo vom ehemaligen SSS-Mitglied Thomas Sattelberg. Womöglich da die demonstrierenden Nazis nicht so recht Lust hatten Parolen zu rufen, spielte der Lautsprecherwagen während der Demo wieder und wieder den selben Jingle ein, um den Umstehenden den Grund dieses kleinen Aufmarsches zu vermitteln – blöd nur, dass so gut wie niemand auf der Straße war.

 

Weitere Aufgaben wurden erwartbar von bekannten Protagonisten der Szene übernommen. Als Ordner stand neben den bereits jahrenlang aktiven Rene Krulis, Dennis Schiller und Steve Leukert auch Nico Koal zur Verfügung, der in der jüngeren Vergangenheit einer der aktivsten Nachwuchskader der NPD/JN in Dresden geworden ist. Für die Übersetzung der tschechischen Rede, sowie die Fotos für die Internetauftritte war der „JN-Stützpunktleiter“ Maik Müller verantwortlich. An Fahnen und Transparenten liefen u.a. Nele Schier, Ines Schreiber, Alexander Neubert (Leipzig), Arne Schimmer, Marcel Opitz und Tom Vetter. Auf der Demo fanden sich weitere Nazis, die bereits seit Jahren zur NPD oder ihrem engen Umfeld gehören, wie zum Beispiel Petra Müller, Andreas Klose, Peter Schreiber, Holger Löwe, Simon Richter oder Hartmut Krien.

 

Zur Delegation aus Tschechien gehörten neben Tomáš Vandas auch Erik Vlk, Štěpánek Jiří, der Vorsitzende der DSSS Jugendorganisation Hynek Rint, sowie auch der inzwischen regelmäßig bei NPD-Veranstaltungen auftauchende Viktor Táborský aus Usti nad Labem.

 

Gefehlt haben nicht nur viele aus dem Umfeld der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD), die sich möglicherweise angesichts des Repressionsdrucks nun etwas zurückhalten, oder aber einfach nur das Thema langweilig finden (O-Ton Dave Lubatsch am 17. Juni 2016 „Immer dieses dumme Gequatsche“). Auch der langjährige Dresdner NPD-Kader René Despang fehlte ein weiteres Mal bei einer Nazidemo in der Stadt. Womöglich schmollt er noch immer, nachdem er im vergangenen Jahr für seine Rolle im Bezug auf die FKD einige, teils nicht ganz sachlich vorgetragene, Kritik einstecken musste.

 

Nach Beendigung des Aufzuges gingen noch einige der Nazis, darunter Maik Müller, Simon Richter und Viktor Táborský zum Nazitreff in der Reisstraße. Dort stellte Sascha Krolzig aus NRW sein neues Magazin „N.S. Heute“ vor. Krolzig ist bereits seit einigen Jahren in der Naziszene in NRW aktiv und zur Zeit als Beisitzer im Bundesvorstand der Partei „Die Rechte“. Er ist bereits einschlägig vorbestraft, u.a. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und rassistisch motivierter Beleidigung. Zur Zeit muss er sich für eine gefährliche Körperverletzung vor Gericht verantworten.

 

Die Zeitschrift „N.S. Heute“ gibt es erst seit Kurzem, die erste Ausgabe erschien im März 2017, was erklärt, warum Krolzig auf Werbetour ist. Mit den positiven Bezügen auf den Nationalsozialismus hält die Redaktion kaum hinter dem Berg. So heißt es in deren Selbstbeschreibung unter Anderem:


„Wir wollen ein ganzheitliches nationales und sozialistisches Weltbild vermitteln.“

 

Als wäre das nicht eindeutig genug wird weiter erklärt: „Natürlich ist auch der Begriff ‚Nationaler Sozialismus‘ nur ein Kompromiss, den wir eingehen mussten, um dem System keine Handhabe zu bieten, seinen Repressionsapparat gegen unser neues Magazin in Gang zu setzen. Deshalb werden wir uns auch mit einer inhaltlichen Bewertung des Dritten Reiches und bestimmten damaligen Geschehnissen zurückhalten. Schließlich ist es auch gar nicht das Anliegen unserer Zeitschrift, die Kämpfe von vorgestern neu auszufechten. Wir wollen einen modernen und zukunftsgewandten Nationalen Sozialismus vertreten, der auf alle Fragen der Gegenwart eine Antwort hat und der angetreten ist, die Existenz unseres Volkes zu sichern und seine Zukunft neu gestalten.“

 

Das Neonazis solche klare NS-Propaganda im Objekt der Firmengruppe Nestler betreiben können, lässt Fragen offen. Unterstützt das Familienunternehmen dergleichen Positionen? Bereits am 30. Mai 2017 wurde die Aussage des FKD-Mitglieds Nick Fischer veröffentlicht, die nochmals bestätigt, dass das Objekt auch von gewaltbegeisterten Nazis genutzt wird. Zumindest Nachfragen beim Vermieter wären angebracht.

 

Den Abend des „Aktionstages“ ließen Müller, Krolzig und Co. dann im Haus Montag in Pirna ausklingen.

 

Auch 2017 blieb die Resonanz in der Naziszene zum 17. Juni weit hinter der aus vergangenen Jahren zurück. Damit wird ein weiteres Mal belegt, dass vor allem die jüngere Szene für inhaltliche Arbeit nach Vorstellung der älteren Kader einfach nicht zu begeistern ist. Maik Müller jedenfalls fragt neuerdings orthodoxe Heilige um Rat. Dass ihm das den Durchbruch bei der Jugend beschert, darf bezweifelt werden.