[MA] Kämpferische Kundgebung in Andenken an die gefallenen Guerillas in Dersim

Kämpferische Kundgebung in Mannheim (1)

+++ ca. 100 Personen gedenken der gefallenen Guerillas +++ Protest gegen die zunehmende Repression und die Aggressionen vonseiten des türkischen Staates +++ erfolgreiche Beschwerde gegen die Auflagen der Polizei +++

 

Am Freitag, den 12. Mai fand in den Abendstunden eine Kundgebung am Mannheimer Hauptbahnhof anlässlich der aktuellen Situation in der Türkei und gegen die zunehmende Repression und Aggressionen des türkischen Staates gegen jegliche Opposition statt. Auch wurde in dem Kontext der in den vergangenen Monaten gefallenen Guerillas gedacht. Hierfür versammelten sich um die hundert Personen und trugen ihren Protest, ihre Wut und ihre Trauer auf die Straße.

 

Zu Beginn der Kundgebung kam es zwischen dem Anmelder und der Polizei zu einer kleinen Diskussion, da in den Auflagen der Stadt Mannheim die namentliche Benennung der OrdnerInnen vorgeschrieben wurde. Nach Hinweisen darauf, dass dies sämtlichen gerichtlichen Entscheidungen widerspräche, sah die Polizei davon ab, die Personalien der OrdnerInnen aufzunehmen.

 

Zu Beginn der Kundgebung wurde eine Schweigeminute für die Gefallenen und im Anschluss eine Rede zur aktuellen Situation in der Türkei gehalten. Als nächstes hat der Vertreter des Zentrums der kurdischen Gesellschaft auf kurdisch gesprochen. Anschließend folgten Redebeiträge des Rojava Kommandanten der TKP/ML, der ATIK und Yeni Kadin (Neue Frau) und ein kurzes Grußwort der MLPD. Zwischen den Redebeiträgen wurden immer wieder Lieder gespielt, die von den gefallenen Guerillas selbst gesungen wurden.

 

Zu den Entwicklungen in der Türkei


In den vergangen Monaten –insbesondere seit dem vergangenen Herbst – hat das türkische Militär seine Angriffe gegen oppositionelle Kräfte und vor allem gegen die dort stationierten Guerillaeinheiten verstärkt. Bei Gefechten in dieser Region wurden vom 27. bis 29. April 2017 neun Kämpferinnen und Kämpfer der kurdischen HPG durch das türkische Militär ermordet. Bei Auseinandersetzungen, die am 7. November 2016 stattfanden, kamen ebenfalls zehn Kämpferinnen und Kämpfer der DHKP-C und 14 von der HPG ums Leben.

 

Am 8. Mai wurde bekannt, dass zwölf Kämpferinnen und Kämpfer der TIKKO Guerilla bei Gefechten in derselben Region gefallen seien. Die Gefechte ereigneten sich bereits vom 24.-28. November 2016 – dass die Nachricht der gefallenen Guerillas erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt, hat mehrere Gründe.

 

Einer der wichtigsten Gründe in diesem Kontext ist jedoch, dass die Angriffe des türkischen Militärs bis dato anhalten – und zwar sowohl gegen die Guerillaeinheiten als auch gegen die Bevölkerung vor Ort. Zwischenzeitlich sitzen hunderte von Menschen in Gefängnissen, entweder weil sie sich weigerten mit dem türkischen Staat zu kollaborieren oder weil sie den Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates den Kampf ansagten.

 

Ein weiterer Punkt, warum die Nachricht erst so spät bekannt wurde, ist, dass das türkische Militär Chemikalien und Giftgas bei dem Angriff gegen die Guerillas verwendete. Familienangehörige, die die Leichen zu identifizieren versuchten, gaben an, dass die Leichen verkohlt seien und dadurch unkenntlich gemacht wurden. So wurde es notwendig, dass für den Nachweis der Personalien der gefallenen Guerillas DNA Abgleiche vorgenommen werden mussten.

 

Dabei gehört die Türkei zu den Staaten, die das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen, welches durch die Vereinten Nationen im Jahr 1997 ins Leben berufen wurde,  unterzeichnete und ratifizierte. Dass die Türkei jedoch Menschenrechtsverletzungen begeht und gegen internationale Abkommen verstößt, ist nichts Neues.


Die Repression, Aggression und Unterdrückung der türkischen Regierung hat nach der Niederlage der AKP in den Wahlen vom Juni 2015 eine neue Dimension angenommen und nimmt immer deutlichere faschistoide Züge an.


Seit den verlorenen Wahlen sorgte der türkische Staat für mehrere Explosionen und Angriffe und verordnete Ausgangssperren, führte regelrecht einen Krieg gegen die Bevölkerung und bombardierte Städte und Viertel und verursachte unzählige Morde in Nordkurdistan. Allein in der kurdischen Stadt Cizre wurden über 60 Menschen am lebendigen Leibe verbrannt – bis dato ohne jegliche Konsequenzen für den türkischen Staat.

 

Als eine weitere Folge dieser Angriffe und zunehmenden Aggression wurde im Oktober 2016 die Strafimmunität der Abgeordneten der prokurdischen und linken HDP aufgehoben und Anfang November 2016 ein Dutzend von ihnen festgenommen. Noch immer kommt es jeden Tag zu neuen Verhaftungen weiterer Abgeordneten, SympathisantInnen und MenschenrechtskämpferInnen.

 

Mit dem gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 wurde der Ausnahmezustand erklärt, der bis dato anhält und der türkischen Regierung uneingeschränkte Befugnisse erteilt. Im Rahmen dieses Ausnahmezustandes wurden unter lächerlichen Vorwänden zwischenzeitlich hunderttausende Richter, Staatsanwälte, Polizisten und vor allem AkademikerInnen entlassen und inhaftiert. Dutzende Zeitungen, Radio- und Fernsehkanäle wurden verboten und JournalistInnen verhaftet. Hunderte Vereine und Frauenhäuser wurden geschlossen.

 

Sämtliche Städte, in denen die Opposition eine starke Basis hat, wurden der direkten Aufsicht des Staates unterstellt. Desweiteren sind die Gewerkschaften zwar offiziell noch nicht verboten, jedoch kündigen  immer mehr Betriebe ihren ArbeiterInnen mit Gewerkschaftsmitgliedschaften die Verträge – und das ohne jegliche Konsequenzen für die ArbeitgeberInnen.

 

Gleichzeitig setzt das türkische Militär seine Angriffe auf die kurdischen Gebiete im Irak und in Syrien weiter fort, was ebenfalls gegen internationale Abkommen verstößt.


Unter diesen Bedingungen wurde dann am 16. April das verfassungsändernde Referendum durchgeführt. Nach offiziellen Angaben gewann das Ja-Lager um Erdogan nur ganz knapp das Referendum. Doch sowohl die momentan vorherrschenden Umstände als auch die dutzenden nachgewiesenen Wahlmanipulationen lassen darauf schließen, dass es des facto kein Sieg der faschistischen AKP gewesen ist.

 

Diese Aggressionen und Verbrechen sind nur mit Unterstützung der westlichen Mächte möglich…


Die Aggressionen, Verbrechen und Morde der türkischen Regierung sind im Grunde keine Entwicklung der letzten Monate, sondern ganz im Gegenteil halten seit Jahrzehnten an. In letzter Zeit werden sie nur immer offensichtlicher und nehmen immer mehr zu. Doch diese Entwicklungen sind de facto nur möglich, weil stets die treue Unterstützung und Rückendeckung der westlichen Mächte gegeben sind. Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland – als drittstärkster Waffenexporteur weltweit – steht immer ganz loyal der türkischen Regierung zur Seite. Nicht nur der deutsche Waffenverkauf ist hierbei zu benennen, sondern auch die innenpolitischen Entwicklungen, Gesetzesentscheide und Erlasse in der BRD. Seien es das Verbot der prokurdischen PKK und der DHKP-C, die Inhaftierung sämtlicher politisch aktiver Kurdinnen und Kurden nach § 129 b und die Verbote und Erlasse, die es einer ganzen Bewegung verbieten, ihre eigenen Fahnen zu zeigen und Parolen zu rufen. Aber auch die Festnahme der zehn ATIK-AktivistInnen im April 2015 und die gegen sie gerichtete Anklage nach §129 b – ohne sie wirklich belastende Beweise in der Hand zu haben – spielt ganz klar der türkischen Regierung und ihrer faschistischen Massenbasis in die Hände und führt zu einer Zuspitzung der Verhältnisse und kriegerischen Auseinandersetzungen in der Türkei.

 

Allen diesen Gewalten zum Trotz ist der Widerstand der Bevölkerung ungebrochen und diejenigen, die in diesem Kampf ihr Leben lassen, unvergessen.