Eine Nördlinger Amtsrichterin spricht drei Männer schuldig, die die Bundesrepublik samt ihrer Rechtsordnung nicht anerkennen. Es gab erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im Gericht. Von Verena Mörzl
„Mensch Martin“, das klingt nach Fernseh-Comedy mit Lachern aus dem Off. Für einen Mann, der am Dienstag vor dem Nördlinger Amtsgericht stand, ist diese Namensbezeichnung aber offenbar sehr ernst. Er wollte erst dann vor der Richterin Platz nehmen, nachdem er als „Mensch Martin“ aufgerufen wurde.
Gleich drei Fälle musste Richterin Andrea Eisenbarth gestern verhandeln, bei denen sich Männer strafbar gemacht haben, die die Bundesrepublik und deren Rechtsordnung nicht anerkennen. Einer von ihnen war ein sogenannter Reichsbürger, die anderen distanzierten sich von der Bezeichnung. Auch wenn im Gerichtssaal die wirren Ansichten sowie Fantasie-Rechtsordnungen der Angeklagten an etlichen Stellen wie ein Scherz aus einer Comedy-Serie wirkten, so verdeutlichte die Richterin, dass hierzulande nur eine Rechtsordnung gelte und die Auffassungen der Männer keinesfalls belächelt werden sollten. Zuhörer, Zeugen und die Angeklagten wurden stärker als sonst durchsucht und die Polizei zeigte mehr Präsenz.
„Mensch Martin“ ist ein eher unscheinbarer, älterer Mann aus dem Allgäu. Unauffällig bis zu dem Zeitpunkt, als er sich auf „Alliiertengesetze“ beruft und einen Militärstaatsanwalt fordert. Er wolle deutlich machen, dass das Nördlinger Amtsgericht ihn nicht belangen könne. Wie kürzlich bei einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung vor dem Augsburger Amtsgericht: „Mensch Martin“ forderte 10.000 Feinunzen Silber Schadenssumme, weil er wegen versuchten Betrugs und Beleidigung angeklagt war, argumentierte mit der päpstlichen Bulle von 1540 und berief sich auf den Staatenbund Bayern.
Am Ende der Verhandlung verhängte Eisenbarth eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung wegen versuchter Erpressung und versuchter Nötigung. Sie verurteilte ihn bereits 2016 wegen Schuldscheinen (wir berichteten). „Mensch Martin“ forderte unter anderem in einem absurden, nicht rechtskräftigen Schadensersatzvertrag von einem Rechtspfleger des Nördlinger Amtsgerichts 300.000 Euro plus Zinsen. Dieser ging nicht darauf ein. Es folgte ein Strafverfahren. „Mensch Martin“ wollte mit seinem Schreiben die Zwangsversteigerung seiner Grundstücke im Kreis Dillingen verhindern. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte das Fax mit der geforderten Summe an den Rechtspfleger geschickt hat.
„Der Staat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen“, sagte Staatsanwalt Michael Nißl. Er forderte in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Der Angeklagte sei ein „Bewährungsversager“. Er wurde bereits wegen „gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, kam gegen Ende auf Bewährung frei. Man müsse „generalpräventiv“ gegen das Verweigern der Rechtsordnung vorgehen.
Richterin muss Reichsbürger zügeln
Genau diese Prävention sollte auch in den beiden anderen Fällen gelten. In einem weiteren Prozess ging es um versuchte Nötigung. Der Mann, den die Richterin immer wieder zähmen musste, weigerte sich, Rundfunkgebühren zu zahlen. Er glaubte, die Forderung wäre nicht rechtens. Mahnungen folgten. Dem Zwangsvollstrecker ließ er nach dessen Arbeit einen Vertrag zukommen, der bekannt klingt, weil ein Geldbetrag auch hier in Feinunzen ausbezahlt werden sollte. Für den Angeklagten sollte das eine Art Entschädigung sein, weil der Gerichtsvollzieher seine Forderung vor dem Arbeitgeber überreicht hat – die Suspendierung folgte. Er wurde zu 60 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt. Der Angeklagte aus dem Landkreis wehrte sich gegen die Bezeichnung „Reichsbürger“. Er sagte, er forsche noch nach seiner Staatszugehörigkeit...
Bei einer weiteren Verhandlung hob Richterin Eisenbarth ihre Stimme noch häufiger. Der Angeklagte aus dem Donauwörther Raum, der als Droide oder Kelte gesehen werden wollte, versuchte ständig seine Ansicht einer Rechtsordnung kund- zutun. Er war wegen Verstößen gegen das Bundesstatistik-, das Agrarstruktur- und das Ordnungswidrigkeitengesetz angeklagt und wurde zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt. Seine Frau war wegen desselben Delikts angeklagt, wurde aber freigesprochen, weil sie nach eigenen Angaben keine Bußgeldbescheide des Bayerischen Landesamt für Statistik erhalten hatte. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.