Ministerin rügt Hans J. Naumann, beruft ihn aber nicht ab

Erstveröffentlicht: 
21.04.2017

52 Vereine raten, dem als rassistisch aufgefallenen Chef von Niles Simmons, die Ehrendoktorwürde abzuerkennen.

 

Dresden/Chemnitz. Die Äußerungen des Unternehmers Hans J. Naumann schlagen immer mehr Wellen. Angesichts der Ehrendoktorwürde und des Amts als Mitglied im Hochschulrat, die der US-amerikanische Chef des Chemnitzer Unternehmens Niles-Simmons an der Technischen Universität (TU) Chemnitz innehat, kritisiert Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) Naumanns Aussagen. Im Interview mit der "Freien Presse" hatte dieser der weißen Bevölkerung Amerikas, Europas und Australiens geraten, gegen sechs Milliarden Asiaten zusammenzustehen. Er regte an, die afroamerikanische Jugend zum Militär einzuziehen, um sie zu disziplinieren. Die Äußerungen hätten "deutlich rassistischen Tenor", so Stange gestern.

 

Naumann habe sich als Unternehmer zweifellos um die Entwicklung der TU Chemnitz verdient gemacht, sagte Stange. Auch habe er sich "als Privatperson" geäußert und seine Aussagen nicht in Zusammenhang zur TU gesetzt. Doch widersprächen seine Äußerungen "der gelebten Internationalität, Weltoffenheit und Toleranz" des Hochschulwesens in Sachsen. "Die hohe Zahl internationaler Studierender und Wissenschaftler" sei "Ausweis der Internationalität unserer Hochschulen", so Stange. Rund ein Fünftel der Chemnitzer Studenten stammt aus Asien. Eine Empfehlung zur Abberufung Naumanns aus dem Chemnitzer Hochschulrat gab Stange öffentlich nicht. Der Chemnitzer Studentenrat (Stura) hatte am Vortag Naumanns Rücktritt aus dem Gremium gefordert. "Die Grenze des Tolerierbaren" sei "massiv überschritten". Mit der "Diskriminierung nicht weißer Menschen und Zuschreibung abwertender Eigenschaften, wie Faulheit oder Disziplinlosigkeit" dokumentiere der 81-Jährige eine rassistische Sichtweise und klammere "ökonomische und soziale Benachteiligung und Diskriminierung komplett aus", urteilte Ines Knöfel, Stura-Referentin für Antidiskriminierung. Die Wissenschaftsministerin wurde ersucht, "von ihrem gesetzlichenGestaltungsspielraum Gebrauch zu machen".


Das Chemnitzer Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit geht noch weiter. Naumann werte "Menschen aufgrund von Herkunft und Hautfarbe ab" und diskreditiere so junge Nicht-Europäer, die in Chemnitz studieren. "In diesem Zusammenhang sollte die TU Chemnitz der Frage nachgehen, ob die Aufrechterhaltung der Ehrendoktorwürde das richtige Signal an junge Menschen ist", teilte das Netzwerk gestern mit. Unter seinem Dach sind 52 Vereine der Chemnitzer Kultur- und Jugendarbeit zusammengeschlossen.

 

In der Online-Kommentar-Spalte der "Freien Presse" wird auch die Frage nach anderen Würdigungen aufgeworfen. Wegen seines wirtschaftlichen Wirkens ist Naumann seit 2001 Träger des Bundesverdienstkreuzes, seit 2004 des Sächsischen Verdienstordens. Eine Entziehung dieser Ehren, wie im Netz gefordert, ist möglich, im Falle des sächsischen Ordens laut Regierungssprecher aber nur, wenn Entgleisungen die Schwelle einer Straftat nehmen. Auch beim Bundesverdienstkreuz gilt laut Statut: "Erweist sich ein Beliehener durch sein späteres Verhalten, insbesondere durch Begehen einer entehrenden Straftat, der Auszeichnung unwürdig", kann ihm der Orden entzogen werden. Auf eine Anfrage hat sich das Bundespräsidialamt bisher nicht geäußert.