Frauke Petry: Die Oppositionschefin in der AfD

Erstveröffentlicht: 
10.04.2017

So sehr unter Druck wie jetzt stand die Parteichefin in ihrer Partei noch nie. Nicht nur der rechte Flügel bringt sie in Bedrängnis: Stolpert sie kurz vor der Bundestagswahl über ihren Ehemann?

 

Dresden. Wenn es nach ihren immer noch sehr vielen Anhängern geht, dann wird Frauke Petry ab Herbst eines sein: Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag. Wenn es nach der Stimmungslage geht, die sich derzeit in Internet und Interviews widerspiegelt, dann hat Frauke Petry eines immerhin schon geschafft: Sie ist Oppositionsführerin. Allerdings nicht im nächsten Bundestag, sondern nur in ihrer Partei.

 

Widerstand dürfte die mit Abstand populärste Spitzenkraft der AfD erwartet haben - aber gleich an so vielen Fronten? Am 22. April will der Bundesparteitag in Köln das Wahlprogramm verabschieden und dabei -fünf Monate vor der Bundestagswahl - auch über die Spitzenkandidatur entscheiden. Dass Frauke Petry diese Position allein zuteil wird, darf inzwischen als unwahrscheinlich gelten - zu sehr rumort es an der Basis. Die Frage ist eher, ob sie überhaupt Parteichefin bleiben kann, wenn eigene Anträge zu Schlüsselfragen der Partei gegen ihren Willen entschieden werden.

 

Am vergangenen Donnerstag hat Petry auf ihrer Internetseite "Zukunftsantrag.de" einen Vorstoß zur künftigen Parteistrategie veröffentlicht. Zusammengefasst: Die AfD solle sich im "bürgerlichen Korridor" bewegen, um keine Wähler zu verschrecken und darauf hinzuarbeiten, dass sie möglichst schon zur übernächsten Bundestagswahl 2021 so stark ist, um als Seniorpartner oder mindestens gleichrangiger Koalitionspartner das Land in der Regierung zu verändern. Um diese Strategie nicht zu unterlaufen, brauche es eine Abkehr vom "fundamentaloppositionellen Ansatz", also "Disziplin" von allen Funktionären und einer Mehrheit der Parteibasis.

 

"Wir wollen gestalten, die bürgerliche Mitte sein und langfristig im Bundestag handlungsfähig werden, statt bis zum jüngsten Tag in der Oppositionsrolle zu verharren", warb Petry auch am Montag auf Facebook. Mehr als 200.000 Fans hat ihre Seite dort, Rekord nicht nur für AfD-Verhältnisse. Ihre Partei zählt bundesweit etwa 26.000 Mitglieder. Obwohl der Strategieantrag "auf vielfachen Wunsch", wie Petry seit Samstag schreibt, inzwischen auch für Nicht-AfD-Mitglieder offen ist, kamen bis zum Montagmorgen noch keine 1000 Unterstützer zusammen.

 

Über ihren Vorstoß reden mochte die AfD-Chefin am Montag nicht. "Die Debatte findet auf dem Parteitag statt", dazu sei der Antrag ja auch gestellt worden. Dafür melden sich andere AfD-Politiker zu Wort. Die Landeschefs Leif-Erik Holm (Mecklenburg-Vorpommern) und Georg Pazderski (Berlin), die zu den Unterstützern des Antrags gezählt haben sollen, wollten davon nach der Endfassung nichts mehr wissen. Darin wird Petrys Widersacher und Parteivize Alexander Gauland als Vertreter des fundamentaloppositionellen Ansatzes namentlich genannt.

 

Nachdem ihr schon ihr Co-Chef Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg Führungsqualitäten absprach, weil man nun die Reihen schließen statt spalten müsse, forderte am Montag Sachsen-Anhalts Landeschef André Poggenburg für den rechtsnationalen "Flügel" Petry zur Rücknahme des Antrags auf. Zugleich erinnerte Poggenburg an den Machtkampf der Partei 2015 und schrieb, "dass mancher vermeintliche Verlust letztlich ein Zugewinn sein kann" - und "dass die AfD stärker eine Themen- als eine Personenpartei sein muss".

 

Vor zwei Jahren in Essen hatte Parteigründer Bernd Lucke gegen Petry verloren. Schon damals entzündete sich der Konflikt am Umgang mit den Rechtsaußen um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Vergeblich hatte Lucke sein Unheil mit einem "Weckruf" zu verhindern versucht - und sich gegen die Integration von "radikalen Kräften" gestellt, "die grundsätzlich systemkritisch, fundamental-oppositionell und nationalistisch daherkommen". Von "Karrieristen, Intriganten und Vertretern der Neuen Rechten" war die Rede, die sich "in einer unheiligen Allianz" die AfD zu eigen machen wollten. Petry persönlich wurde um "Weckruf"-Unterstützung gebeten.

 

Damals entschied sie sich dagegen, nun hält sie selbst eine Ergänzung des Grundsatzprogramms für nötig, wonach "in der AfD für rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien kein Platz" sei. Im Internet reagieren Höcke-Fans hysterisch: "Ist die vom wilden Affen gebissen?" Dass es Petry ernst ist mit der Abgrenzung nach rechts, legen bekanntgewordene Auszüge des Parteiausschlussantrags gegen Höcke nahe. Darin wirft ihm der Bundesvorstand "Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus", Verfassungsfeindlichkeit sowie Kontakte zur Spitze der rechtsextremen NPD vor. Trotzdem könnte in Köln der Ausschluss abgelehnt werden. "Björn Höcke wird als eine herausragende Person des friedlichen politischen Widerstands gegen die herrschende Klasse in Berlin und Brüssel wahrgenommen", heißt es im Antrag der Bremer AfD.

 

Und als ob das alles nicht schon genug wäre, hat Petry mit einem weiteren Konflikt zu tun: Ihr Ehemann, Nordrhein-Westfalens AfD-Chef Marcus Pretzell, und der bisher in Diensten der sächsischen Landtagsfraktion stehende Berater Michael Klonovsky streiten sich über ausstehende Gehaltszahlungen. Daneben kursiert der Brief eines ehemaligen Mitarbeiters, der über die "destruktive Energie des Führungsduos Petry/Pretzell" klagt und sich bei beiden "an Walter Ulbricht" erinnert fühlt: "Es muss alles demokratisch aussehen, aber wir müssen es fest in der Hand behalten."