Der Osten überwacht von Leipzig aus die Bösen

Erstveröffentlicht: 
04.04.2017

Die Bundesländer Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin errichten in Leipzig ein gemeinsames Zentrum zur Telekommunikationsüberwachung. Das teilte Sachsens Innenminister Markus Ulbig am Dienstag mit. Mit dem Bau des "Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums" (GKDZ) soll noch in diesem Jahr begonnen werden, die Inbetriebnahme ist für 2019 vorgesehen.

 

Geballte Kompetenz


Die fünf Länder investieren in den kommenden fünf Jahren 15,8 Millionen Euro, 4,8 Millionen davon steuert Sachsen bei. Dafür wird in Leipzig auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei der Hauptsitz des GKDZ errichtet. Zudem entsteht in Dresden ein zweites Rechenzentrum. Die fünf Bundesländer müssen damit fast elf Millionen Euro weniger ausgeben, als wenn jedes ein eigenes Zentrum zur Telekommunikationsüberwachung errichten würde. Es koste die Länder auch weniger, nur einen Standort immer auf dem neuesten technischen Stand zu halten, betonte Ulbig. Zudem kann nach derzeitigen Planungen auf einen Pool von etwa 50 hochqualifizierten Mitarbeitern zugegriffen werden. Das könnte sich ein einzelnes Bundesland kaum leisten, sofern es überhaupt ausreichend Spezialisten finden würde. 

 

Keine neuen Freiheiten für die Behörden


Das neue Abhörzentrum ist laut Sachsens Inneministerium vor allem eine technische Einrichtung und keine "Spionagezentrale". Es wird weder mit neuen oder besonderen Kompetenzen ausgestattet noch dürfen die Mitarbeiter hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Der Überwachungsablauf bleibt im Wesentlichen der gleiche: Die Ermittler müssen im jeweiligen Bundesland eine Überwachung beantragen, ein Richter zustimmen. Dann kann der Ermittler sich an das Zentrum wenden, das die Überwachung beim Telekommunikationsprovider veranlasst und die Daten dem Ermittler live oder als Aufzeichnung zur Verfügung stellt. Das können unter anderem Verbindungs- und Standortdaten sein, bei besonders schweren Straftaten aber auch Inhalte, zum Beispiel E-Mail-, SMS- oder Whatsapp-Texte sowie Gesprächsmitschnitte. 

 

Hoher Datenschutz


Sind Daten verschlüsselt, helfen die Experten des GKDZ bei der Dechiffrierung. Sie dürfen aber sämtliche Daten nicht einsehen, auswerten oder an andere Personen als die jeweils zuständigen Ermittler weitergeben. Außerdem werden aufgrund entsprechender Forderungen von Datenschützern die Daten für jedes Bundesland getrennt verarbeitet und gespeichert. Die eigentliche Arbeit bei der Strafverfolgung müssen also weiter die Ermittler selbst leisten.

 

In welchen Fällen darf abgehört werden? Eine Telekommunikationsüberwachung ist nur bei schweren Straftaten erlaubt. Grundlage ist der Paragraph 100a der Strafprozessordnung (StPO). In diesem sind die schweren Vergehen aufgelistet.
Beispiele sind Völkermord, Kriegsverbrechen, Terrorverdacht, organisierte Kriminalität, Mord und Totschlag, Vergewaltigung und Kinderpornographie, Geiselnahme, Raub und Erpressung.