Auf Stimmenfang in Gewerkschaften - Wie die AfD um die Arbeiter buhlt

Erstveröffentlicht: 
04.04.2017
Düsseldorf. Gleich drei Arbeitnehmerorganisationen innerhalb der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland versuchen, im Beschäftigtenlager Mitglieder zu gewinnen. Die Gewerkschaften sind alarmiert - auch weil ihre Mitglieder für die Partei gestimmt haben. Von Maximilian Plück und Julia Rathcke

 

Beim letzten Gewerkschaftstag der IG Metall trat die Opelanerin Martina Pracht in der Messe Frankfurt ans Rednerpult, um vor Hunderten Zuhörern den Finger in die Wunde zu legen. Pracht, selbst aus Thüringen, wetterte gegen den dortigen AfD-Fraktionschef Bernd Höcke ("ein Brandstifter"), sprach davon, dass Argumente und die Methoden von AfD und Pegida jenen ähnelten, die im Dritten Reich ein Adolf Hitler verwendet habe. Und sie forderte ihre Kollegen auf, Toleranz und Menschlichkeit in die Betriebe zu tragen. "Allerdings wird es wirklich schwer, weil auch viele IG-Metall-Mitglieder bei solchen Organisationen leider mitmachen, obwohl sie sich selber niemals als Faschisten oder sonst was bezeichnen würden."

 

Für die Gewerkschaften ist das Thema AfD bis heute ein höchst unappetitliches. Offiziell vergeht keine Betriebsräte-Tagung und keine Mai-Kundgebung ohne Bekenntnis gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Doch selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärt, dass man die Wahlergebnisse des letzten Jahres mit Sorge zur Kenntnis nehme: "Da auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter eine rechtspopulistische Partei wie die AfD gewählt haben, müssen sich Maßnahmen - zum Beispiel zur Demokratiebildung - auch an sie richten", sagte eine DGB-Sprecherin. 

 

AfD gründet Arbeitnehmerorganisationen


Die rechtspopulistische Partei will diese Wähler gezielt ansprechen. Dafür wurde in Hamburg und Baden-Württemberg eigens der Verein "Arbeitnehmer in der AfD" - kurz AidA - gegründet, in NRW entstand die "Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer" (AVA) und auch Berlin soll eine eigene AfD-Arbeitnehmerorganisation bekommen. AidA wirbt provozierend mit dem Spruch "Das neue Rot der Arbeitnehmer ist blau" - in Anlehnung an die roten Logos des DGB und das Blau der AfD.

 

Auch der Tag der Arbeit wird von den AfD-Anhängern vereinnahmt: "Als besonderen Event haben wir am 1. Mai eine Großkundgebung in Düsseldorf angemeldet", erklärte Uwe Witt, AVA-Bundesvorsitzender. Zudem sollen im Mai und Juni je ein weiterer Landesverband gegründet werden. "Viele unserer Mitglieder sind auch Mitglied in Gewerkschaften", sagt Witt. Die AVA habe jedoch nicht die Ambition, als Gewerkschaft anzutreten. "Wir verstehen uns vielmehr, ähnlich wie der CDA oder CSA, als Sprachrohr und Interessenvertretung unserer Mitglieder im Hinblick auf die arbeits- und sozialpolitische Ausrichtung der AfD." 

 

Gewerkschaften werfen AfD Verschleierung vor


Die Gewerkschaften sind dennoch alarmiert: "Wir betrachten die sogenannten Arbeitnehmergruppen innerhalb der AfD mit außerordentlich großer Skepsis und Distanz", sagt Christoph Schmitz, Leiter der Verdi-Grundsatzabteilung. "Aussagen von Frauke Petry zur Anhebung des Rentenalters und zur weiteren Kürzung der Renten oder von Jörg Meuthen zur Abschaffung der gesetzlichen Rente und zur Privatisierung der Alterssicherung stehen in völligem Gegensatz zu sozialpolitischen Forderungen der Gewerkschaften und den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland." Die IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE) warf der AfD vor, "absurde Bilder unseres Landes" zu zeichnen. Die Lehrer-Gewerkschaft GEW bezeichnete die Partei als neoliberal und arbeitnehmerfeindlich: "Die Gründung einer Arbeitnehmervereinigung ist ein Versuch, dieses zu verschleiern."

 

Doch wie mit AfD-Vertretern umgehen - etwa bei der Einladung zu Podiumsdiskussionen? Verdi-Stratege Schmitz erklärt, es gebe keine generelle Vorgabe, die AfD nicht einzuladen, "denn wir bedienen nicht den eigenen ,Opfermythos' der Partei". Viele Gewerkschaften sehen das anders, etwa die IG BCE, die GEW, die IG Bau, die IG Metall, die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten und auch die Dachverbände DGB und Deutscher Beamtenbund. Der Bundesvorsitzende des Verbands Erziehung und Bildung, Udo Beckmann, erklärte, grundsätzlich behalte sich der VBE vor, zu Veranstaltungen demokratisch gewählte Parteien einzuladen. Der VBE Bundesverband beabsichtige nicht, aktiv auf die AfD zuzugehen. 

 

Wie mit Mitgliedern umgehen?


Das Eine ist die Einladung auf ein Podium. Doch was tun, wenn Mitglieder sich in der AfD engagieren? Prominentes Beispiel ist der von der SPD übergelaufene Guido Reil aus Essen. Bergmann, Betriebsrat und IG-BCE-Mitglied. Reil sei, als einer der diversen Ex-SPD-Mitglieder, die sich der AVA angeschlossen hätten und noch Gewerkschafter seien, ein wichtiges Sprachrohr, sagt Witt. Reil ist seit Januar einer von zwei Landesvorsitzenden der AVA NRW.

 

Im Falle der DGB-Gewerkschaften sehen die Satzungen unterschiedliche Regelungen zum Ausschluss wegen gewerkschaftsschädigendem Verhalten vor. Bei der IG Bau wäre ein Grund die Mitgliedschaft in einer rechtsradikalen, ausländerfeindlichen Organisation oder Partei. "Ob diese Regelung auch für die Mitgliedschaft in der AfD oder dem Engagement bei Pegida anwendbar ist, ist nicht geklärt, weil es dazu bisher keinen Anlass gibt", sagt ein Sprecher. Alle Gewerkschaften gaben auf Anfrage an, dass sich ihres Wissens kein hauptamtlicher Gewerkschafter in der AfD engagiere.