Nach dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts prescht die Stadt Büdingen vor und streicht der rechtsextremen Partei Fraktionsgelder. Ob das rechtens war, entscheiden nun die Richter.
Wenn es um Rechtsextremismus geht, zeigt das hessische Büdingen gerne mal klare Kante. Die Kleinstadt setzt ein Verbot von Fackeln bei einem Neonazi-Aufmarsch durch. Oder ändert kurzerhand ihre Satzung, um Mitgliedern der NPD die Fraktionsgelder zu streichen. Dieser deutschlandweit wohl einmalige Schritt war die prompte Reaktion auf das NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar. Am kommenden Mittwoch (5. April) nun muss der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel entscheiden, ob die Satzungsänderung bestand hat - oder nur ein symbolischer Schnellschuss war.
Das Vorgehen Büdingens sorgt auch bundesweit für Interesse: Das sei ein bislang „singulärer Fall“, sagt Uwe Lübking, Rechtsexperte beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Vom Gericht erhoffe man sich eine Entscheidung in der Sache. „Um Klarheit zu bekommen, unter welchen Voraussetzungen Kommunen die Möglichkeit haben, Parteien und Fraktionen, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, öffentliche Gelder zu verweigern.“
Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass die rechtsextreme NPD zwar verfassungsfeindlich, aber für ein Verbot derzeit zu unbedeutend sei. Die obersten Richter wiesen in ihrer Begründung auf „andere Reaktionsmöglichkeiten“ hin wie den Entzug der Parteienfinanzierung. Die Länder griffen das kurz darauf auf: Der Bundesrat beschloss am 10. Februar eine Entschließung zum Ausschluss von Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen von der Parteienfinanzierung und sonstigen Leistungen.
Büdingen war mit seiner Satzungsänderung einige Tage schneller: Bereits Ende Januar hatte die Büdinger Stadtverordnetenversammlung dafür gestimmt. Demnach sollen „Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen„ von den sogenannten Entschädigungszahlungen für Fraktionsmitglieder ausgenommen sein. Die NPD, die in dem Kommunalparlament vier Sitze hat, sah darin einen rechtswidrigen Vorgang. Man suche nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts „krampfhaft nach Möglichkeiten, um der NPD schaden zu können“, teilte die Partei mit - und reichte Klage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) ein.
Büdingen gilt als eine Hochburg der NPD in Hessen. Bei den letzten Kommunalwahlen im März 2016 hatte die Partei kräftig Stimmen gefangen - auch weil hier lokale Protagonisten der Partei verwurzelt sind. Die Rechtsextremen holten 10,2 Prozent der Stimmen und vier Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Zuvor, im Januar 2016, hatte ein Aufmarsch von etwa 150 Neonazis - und eine Gegendemo mit mehreren Hundert Teilnehmern - für Schlagzeilen gesorgt.
Schon lange kämpft die ländliche Kommune dagegen an, vor allem mit der NPD und Neonazis in Verbindung gebracht zu werden. Allen voran Bürgermeister Erich Spamer (Freie Wähler). Er verweist immer wieder auf das Engagement von Stadt und Bürgern für Toleranz und Vielfalt oder auf das relativ problemlose Zusammenleben mit Flüchtlingen. Das Städtchen beherbergt eine große Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Im Stadtparlament gebe es keine Zusammenarbeit mit den NPD-Vertretern, so Spamer vor einigen Monaten in einem Interview. Man setze sich aber mit den Anträgen der Partei auseinander.
Dass die Stadt mit ihrer Satzungsänderung Neuland betritt, ist dem Rathauschef klar. Man sei «gerne in der Vorreiterrolle», hatte er kurz nach dem Beschluss gesagt und mit Blick auf den Rechtsstreit angekündigt: „Wir klären das jetzt mal.“ Ein Urteil würde zwar zunächst nur einen Präzedenzfall für Hessen bedeuten, erläutert Lübking vom Städte- und Gemeindebund. Doch daraus könnte man durchaus Rückschlüsse für andere Kommunen und Bundesländer ziehen.