Meinungen zu NPD-Verbot gehen vor dem Urteil auseinander

Erstveröffentlicht: 
15.01.2017

Sachsens Innenminister Markus Ulbig hält ein Verbot der NPD für nützlich – wie die meisten Deutschen. Extremismusexperten sind sich in der Frage des Nutzens indes uneins.

 

Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht über ein Verbot der rechtsextremen NPD entscheiden. Die Meinungen darüber, wie nützlich ein solches Verbot sein könnte, gehen kurz vor dem Urteil auseinander. So sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) der Deutschen Presse-Agentur, er halte das vom Bundesrat angestrengte Verbotsverfahren unabhängig vom Urteil für nützlich. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wird zeigen, wie weit Parteien in unserem Rechtsstaat gehen dürfen, wo also die verfassungsrechtlichen Grenzen von parteipolitischen Inhalten und Aktivitäten liegen", sagte Ulbig.

 

Der CDU-Politiker sagte, es habe vor dem Verbotsantrag zwar nicht wenige Mahner und Zweifler gegeben, die sich zu den Erfolgsaussichten skeptisch äußerten, aber er denke, "es war dennoch gut, dass sich die Länder hiervon nicht haben beirren lassen. Es wurde eine große Menge schlagkräftiger Beweismittel zusammengetragen, die belegen, dass wir es mit einer Partei zu tun haben, die eine ernst zu nehmende Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung darstellt".

 

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), ließ hingegen Zweifel erkennen, ob das höchste deutsche Gericht dem Verbotsantrag der Länder zustimmen wird. Er werde die Entscheidung zwar nicht kommentieren, bevor sie überhaupt vorliege, sagte er den Sonntagszeitungen der Funke Mediengruppe. "Aber ich fühle mich in meiner Empfehlung an den Bundestag, sich dem Verbotsantrag des Bundesrats nicht anzuschließen, durch die öffentlichen Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema bestätigt."

 

15 Prozent der Deutschen halten NPD nicht für verfassungsfeindlich

 

Im Dezember 2012 hatte der Bundesrat den Verbotsantrag beschlossen und im Dezember 2013 das Verbot der rechtsextremen Partei in Karlsruhe beantragt. Das Verfahren begann am 1. März 2016, nachdem 2003  ein erster Versuch, die NPD verbieten zu lassen, in Karlsruhe gescheitert war.

 

Die Mehrheit der Deutschen ist heute für ein Verbot der NPD. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervor. Von 1.007 Befragten sprach sich mehr als die Hälfte (58 Prozent) dafür aus, dass das Bundesverfassungsgericht die rechtsextreme Partei verbietet. 23 Prozent waren dagegen. Zwei Drittel sagten zudem, dass sie die NPD für verfassungsfeindlich halten. 15 Prozent stuften die Partei als nicht verfassungsfeindlich ein Extremismusexperten sind sich nach wie vor uneins, wie gefährlich die NPD überhaupt ist. Dabei soll dieser Aspekt bei der Urteilsfindung eine wichtige Rolle spielen. Der Extremismusforscher Eckhard Jesse beispielsweise hält laut Deutscher Presse-Agentur ein Verbot der NPD für unverhältnismäßig: "Die NPD ist ohne jede politische Relevanz und gesellschaftlich nicht verankert." Der Dresdner Politologe Steffen Kailitz, der auch für ZEIT ONLINE schreibt, hingegen warnt davor, die NPD wegen ihrer zuletzt schwachen Wahlergebnisse nicht zu verbieten. Ihr Einfluss lasse sich nicht nur daran festmachen. "Wer glaubt, die Partei sei tot, der täuscht sich."

 

Jesse und Kailitz waren in der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe im März 2016 als Sachverständige aufgetreten. Damals hatten die Richter des Zweiten Senats sehr kritisch hinterfragt, ob eine so scharfe Maßnahme wie ein Verbot im Fall der NPD wirklich gerechtfertigt wäre. Jesse hatte die NPD damals als "Zwerg" charakterisiert.

 

Die NPD war vor allem in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich gewesen. Angesichts der neuen Konkurrenz von der AfD ging es für die Partei zuletzt aber steil bergab, im Herbst flog sie in Schwerin aus dem letzten Landtag.

 

Kailitz plädiert dennoch für ein Verbot. "Die NPD plant mit der Vertreibung von Millionen Menschen Staatsverbrechen. Solche Positionen sind in einem demokratischen Parteienwettbewerb nicht tolerabel", sagte er. Er befürchtet, dass eine Entscheidung gegen ein Verbot der NPD neuen Auftrieb gibt.

 

Nach Jesses Überzeugung wäre ein solches Urteil indes "kein Persilschein für diese durch und durch verfassungsfeindliche Partei". Ein demokratischer Staat zeichne sich dadurch aus, wie er mit den Feinden der Demokratie umgehe. In Deutschland war seit 1956 keine Partei mehr verboten worden.