AfD-Chef hält Rede vor extrem rechtem Verein

Erstveröffentlicht: 
02.12.2016

Auf der mehrseitigen Einladung ist sein Name prominent platziert: Armin Paul Hampel, Chef der AfD in Niedersachsen, ist erster Redner an diesem fünften November in einer Kneipe in Hollenstedt im Landkreis Harburg. Als "ARD-Fernsehjournalist und Filmautor" wird er dort bezeichnet. Thema seines Referats ist die "Aktuelle politische Situation in Deutschland". 45 Minuten soll der Vortrag dauern, eine Viertelstunde Diskussion ist anschließend eingeplant. 

 

Von Angelika Henkel und Stefan Schölermann

 

Verfassungsschutz kennt Verein als rechtsextrem


Doch die Diskussion um diesen Auftritt wird Wochen später wohl noch etwas länger dauern. Denn Gastgeber an diesem Tag ist der "Arbeitskreis für deutsche Politik e.V." (AfdP), gegründet 1991 und gelistet unter der Nummer VR 1917 beim Vereinsregister Lübeck. Ein Verein, den die Verfassungsschutzbehörden schon lange auf dem Schirm haben: Erstmals zwei Jahre nach Gründung und dann wieder im Jahr 2000 führt Schleswig-Holsteins Verfassungsschutz die Gruppierung unter dem Merkmal "rechtsextreme Bestrebungen". Auch Niedersachsens Verfassungsschutz kennt den Club. Auf Anfrage des NDR bezeichnet er den AfdP als "organisationsübergreifendes Sammelbecken für eher intellektuell orientierte Personen aus rechtskonservativen bis offen rechtsextremistischen Kreisen." 

 

Hampel: Von rechtem Hintergrund nichts gewusst


Vom NDR telefonisch mit diesem Umstand konfrontiert, räumt Hampel ein, den Vortrag gehalten zu haben. Die Bezeichnung "Arbeitskreis für deutsche Politik" habe interessant geklungen. Deshalb sei er der Einladung gefolgt. Von dem rechtsextremen Hintergrund habe er nichts gewusst, sagt er. Die Namen der Co-Referenten seien ihm unverdächtig vorgekommen. Auch die Zuhörerschaft habe nicht vermuten lassen, dass es sich um einen extremistischen Arbeitskreis gehandelt haben könnte. Eine kurze Online-Suche per Computer vorab habe nichts Auffälliges ergeben. 

 

AfdP lädt auch Holocaust-Leugner ein

 

Eine gründlichere Internetrecherche hätte den früheren Nachrichtenchef allerdings durchaus auf die rechtsextreme Spur bringen können. Zweimal im Jahr trifft sich der AfdP in Gasthöfen in der Nordheide, meist zu zweitägigen Seminaren. Stolz wird zum 20-jährigen Bestehen die immer länger werdende Liste der Gastautoren präsentiert. Redner aus dem rechtskonservativen Spektrum sind darauf zu finden, aber auch Prominenz aus dem rechtsextremen Spektrum: Holocaust-Leugner wie der vom RAF-Terroristen zum glühenden Antisemiten gewandelte Horst Mahler oder der wegen seiner besonders hetzerischen Reden berüchtigte Ex-Vorsitzende der Schweriner NPD-Landtagsfraktion, Udo Pastörs. Auch regionale Größen wie der Mitbegründer der rechtsextremen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" und spätere NPD-Spitzenfunktionär Ingo Stawitz aus Uetersen in Schleswig-Holstein oder Rigolf Hennig aus Verden waren laut dieser Liste schon Redner beim AfdP. Niedersachsens Verfassungsschutz hält Hennig für einen der "seit Jahren meinungsführenden niedersächsischen Rechtsextremisten". 

 

Funke: "'Who is Who' der Rechtsextremen"


Für den angesehenen Politikwissenschaftler Hajo Funke aus Berlin ist die Liste der Redner Programm: "Was wir hier lesen, ist geradewegs eine Art 'Who is Who' der Rechtsextremen und der Neonazi-Szene."

 

Zwar geht Niedersachsens Nachrichtendienst davon aus, dass sich die Aktivitäten des AfdP auf die Veranstaltung von halbjährlichen Treffen im internen Kreise beschränken, die keine Außenwirkung entfalten. Es gibt aber noch eine andere Sicht der Dinge: Gerhard Bücker vom "Zentrum demokratische Bildung" in Hannover spricht von einer Art "Scharnierfunktion": Er sieht eine Gefahr in der "Verschmelzung der Gedanken aus unterschiedlichen Szenen am rechten Rand". 

 

Journalist Aden: "Aktive Neonazis" bei Tagungen


Und offenbar ist der AfdP trotz seiner langen "Tradition" beileibe kein reiner "Debattierclub" älterer Herren. Das zumindest meint der Journalist André Aden aus Niedersachsen. Aden beobachtet die rechtsextreme Szene seit vielen Jahren. Seine Recherchen enthüllten die Aktivitäten der sogenannten "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ), die später unter anderem wegen ihrer Wesensverwandtschaft zur "Hitler-Jugend" des Dritten Reiches  verboten wurde. An den Tagungen des AfdP hat Aden mehrfach teilgenommen - als Journalist, ganz offiziell mit Namensschild auf dem Tisch. Dem NDR sagt er: "Ich habe aktive Neonazis aus dem norddeutschen Raum dort unter den Teilnehmern gesehen. Auch ein NPD-Landesvorsitzender war dabei." 

 

AfdP-Vorsitzender weist Verbindungen zum Rechtsextremismus zurück


Für Politikwissenschaftler Funke sind Vereinigungen vom Schlage eines AfdP deshalb gefährlich. Er spricht von einer Vorfeldorganisation: "Solche Organisationen stählen die Ideologie." Auch wenn sie zunächst nur in kleinen Kreisen verbreitet würden: Die Gedanken hätten "Strahlkraft im Milieu am rechten Rand", die "für eine Gewaltentfesselung zentral ist".

 

Der Vorsitzende des "Arbeitskreises für deutsche Politik", Wolfgang Dahlmann aus Kiel, weist gegenüber dem NDR Verbindungen zum Rechtsextremismus zurück. Die Rednerliste zum 20-jährigen Bestehen seines Vereins sei allerdings authentisch. 

 

Kneipe erteilt noch während der Tagung Hausverbot


AfD-Chef Hampel sagte im Telefonat mit dem NDR, er habe bei der Vorbereitung des Termins am fünften November möglicherweise nicht "genau genug hingeschaut". Genau hingehört haben an diesem Tag dagegen die Servicekräfte der Kneipe. Wie der Wirt dem NDR bestätigte, hätten seine Mitarbeiter aus den Wortbeiträgen der Arbeitskreis-Gäste eindeutig rechtsextreme Inhalte herausgehört. Deshalb sei dem Arbeitskreis noch während der laufenden Veranstaltung am Nachmittag Hausverbot erteilt worden.

 

Gern hätte der NDR den AfD-Landesvorsitzenden vor Kamera und Mikrofon ausführlich zu Wort kommen lassen. Das aber scheiterte: Er sei "terminlich bis Weihnachten vollständig ausgelastet", ließ Hampel wissen.