Die Interventionistische Linke erklärt, warum es für die gesamte Bewegung wichtig ist, 2017 in Hamburg zu protestieren
Am Wochenende findet in Hamburg die erste Aktionskonferenz gegen den
G20-Gipfel im kommenden Jahr statt. Wozu dient diese Konferenz?
Es gibt bereits zahlreiche Akteure, die Ideen für Protestaktionen haben.
Wir als Interventionistische Linke sind auch einer dieser Akteure. Auf
der Konferenz kommen nun alle Akteure zusammen, um eine gemeinsame
Großdemonstration zu planen und über mögliche Blockaden zu diskutieren.
Bereits angemeldet ist eine Demonstration am 8. Juli 2017, dem zweiten
Tag des Gipfeltreffens.
Das Motto der Proteste lautet: »Kommst du mit mir ins Gefahrengebiet?«. Wie ist das gemeint?
Wir wollen mit diesem Motto darauf aufmerksam machen, wie die Stadt
Hamburg mit Gegendemonstranten umgeht. Die Polizei wird aufgerüstet,
außerdem soll ein neuer Polizeipanzer zum Einsatz kommen. Wieder einmal
besteht also die Gefahr, dass die Proteste kriminalisiert werden. Wir
werden trotzdem demonstrieren.
Zentrale Themen des Gipfels sind Flucht und Migration – politische
Handlungsfelder, die auch für die linke Bewegung von großer Bedeutung
sind. Wie wichtig ist es daher aus Sicht der Bewegung, dass sich auch
die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer mit diesen Themen
beschäftigen?
Seit 2007 treffen sich die G20 auf der Ebene der Staats- und
Regierungschefs. Ursprünglich waren diese Gipfel darauf angelegt,
Antworten auf die Finanzkrise zu finden. Um die Flüchtlingsfrage geht es
also nur vordergründig, ansonsten steht die Stabilisierung des globalen
Kapitalismus im Mittelpunkt. Und überhaupt: Wir sind doch diejenigen,
die sich – insbesondere seit dem »Sommer der Migration« im letzten Jahr –
mit Geflüchteten engagieren und für deren Rechte auf die Straße gehen.
Seit der US-Präsidentschaftswahl steht fest: Donald Trump wird als
neuer Präsident der Vereinigten Staaten am Gipfeltreffen teilnehmen.
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird nach Hamburg
kommen. Und sollte Marine Le Pen im nächsten Jahr zur neuen
französischen Präsidentin gewählt werden, wäre auch sie dabei. Was
bedeutet das für die Proteste?
Der G20-Gipfel war einmal ein Treffen der Neoliberalen. Seit dem Brexit,
spätestens aber seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten, ist jedoch
klar: Die radikale Rechte, die sich eigentlich gegen das neoliberale
Establishment wenden will, ist ebenfalls auf höchster politischer Ebene
angekommen. Die rechten Monster sind jetzt auch auf dem Gipfel. Wir
wollen beide Gruppen kritisieren: die Neoliberalen und die Rechten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dagegen erst in dieser Woche
betont, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Staaten wichtig ist, um dem
Nationalismus entgegenzuwirken.
Richtig ist: Wenn man sich Trump, Erdogan und Le Pen anschaut, dann
wirkt Merkel fast schon wie eine linke Alternative. Jedoch hat die
scheinbare Alternativlosigkeit des Neoliberalen ja gerade die
Alternative von Rechts befeuert. Und: Auch sie hat
Asylrechtsverschärfungen durchgesetzt und Staaten, in denen Krieg
herrscht, zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Damit wirkt man dem
Nationalismus auf jeden Fall nicht entgegen.
Beim letzten großen Gipfeltreffen in Deutschland, dem G7-Gipfel 2015
auf Schloss Elmau, wirkte die Protestbewegung gespalten. Es gab einen
großen Alternativgipfel in München, nur wenige Tausend kamen zur
Demonstration nach Garmisch-Partenkirchen in die Nähe des Schlosses. Wie
kann die Bewegung wieder geeint werden?
Die erfolgreichen Proteste und Blockaden gegen den G8-Gipfel 2007 in
Heiligendamm waren die Geburtsstunde der Interventionistischen Linken.
Aber die globalisierungskritische Bewegung wurde von der Finanzkrise
abgelöst. Die Zeit der Gipfelproteste ist nicht vorbei, es treten nur
andere Themen in den Vordergrund. Heute beschäftigen wir uns damit,
linke Antworten auf die Krise zu finden. Als Teil des
Blockupy-Bündnisses haben wir uns in den letzten fünf Jahren in breiten
Bündnissen gegen neoliberale und autoritäre Krisenlösungen aufgestellt.
Diese Kämpfe führen wir auch bei G20 fort.
Das beantwortet aber noch nicht die Frage, ob die Bewegung bei den Protesten 2017 auch wirklich geeint auftreten wird.
Wir sind auf jeden Fall nicht allein: Viele der in den letzten Jahren
gewachsenen sozialen Bewegungen haben eine solide Kritik an den G20. Zum
Beispiel die Klimabewegung, die einem Klimaleugner Trump und einer
Bundeskanzlerin Merkel gegenüberstehen wird, die sich weigert, den
Kohleausstieg jetzt durchzusetzen. Oder unsere kurdischen und türkischen
Freunde, die nicht nur Erdogan ansprechen werden, sondern auch eine
Kanzlerin, die am EU-Türkei-Deal festhält anstatt ein direktes Wort
gegen den Diktaturaufbau ihres Bündnispartners Türkei zu sprechen. Zum
G20-Gipfel werden wir unsere Bereitschaft, in der Pluralität unserer
globalen sozialen Bewegungen zusammenzukommen, erneuern.
2007 in Heiligendamm gab es teilweise schwere Ausschreitungen, 2015
wirkten die Proteste dagegen recht harmonisch. Ist die Bewegung
insgesamt harmloser geworden?
Die Zeiten und die politischen Themen, die wir beantworten, haben sich
geändert. Eines hat sich aber nicht geändert: Wir glauben immer noch
daran, dass die andere Welt möglich ist. Die Interventionistische Linke
hat seit Heiligendamm immer und immer wieder bewiesen, wozu wir fähig
sind: gemeinsam mit vielen in die Opposition zu gehen. Gerade jetzt, mit
dem Erstarken der Rechten, brauchen wir die unüberhörbare dritte Stimme
der globalen sozialen Bewegungen von unten. Die werden wir nächstes
Jahr nach Hamburg tragen
Emily Laquer ist Pressesprecherin der Interventionistischen Linken für die Proteste gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Vor der ersten Aktionskonferenz am kommenden Wochenende, bei der verschiedene Akteure zusammentreffen und Proteste planen, sprach Max Zeising für das »nd« mit ihr über die Bedeutung des Gipfels für die linke Bewegung.