Das Rechtsrock-Konzert mit rund 6000 Besuchern in Unterwasser vom vergangenen Wochenende hat ein juristisches Nachspiel. Und wird zum Thema auf dem politischen Parkett: Jetzt wird der St.Galler Nationalrat und Sicherheitspolitiker Jakob Büchler aktiv.
Rund 6000 Rechtsextreme hatten am vergangenen Samstag in Unterwasser an
einem Konzert teilgenommen. Im St.Galler Kantonsrat gibt die Sache zu
reden: SP und Grüne wollen in einer einfachen Anfrage von der Regierung
wissen, welche Massnahmen notwendig seien, "damit solche
Neonazi-Konzerte, die mit den Werten der schweizerischen Gesellschaft
nicht vereinbar sind, in Zukunft verhindert werden können".
Kritisch hinterfragt wird, warum die Polizei das Konzert als private
Veranstaltung eingeordnet habe. Weiter verlangen SP und Grüne eine
Erklärung dafür, weshalb die Polizei auf ein Betreten der Konzerthalle
verzichtete, "obwohl sie davon ausgehen konnte, dass die Gefahr
strafrechtlicher Handlungen bestand".
Nachrichtendienstchef muss bei der SIK antraben
Der Anlass in Unterwasser war am Dienstag auch Thema in der
Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SIK).
Nachrichtendienstchef Markus Seiler nahm Stellung. Die
Kommissionsmitglieder hätten jedoch nichts Neues erfahren, sagte
SIK-Präsidentin Corina Eichenberger (FDP/AG) auf Anfrage.
Wann der Nachrichtendienst von der Veranstaltung der Neonazis erfahren
hat, geben die Kommissionsmitglieder nicht bekannt. Es handle sich um
vertrauliche Informationen, sagte Jakob Büchler (CVP/SG). Seilers
Angaben hätten sich aber nicht von jenen der Kantonspolizei St.Gallen
unterschieden.
Büchler geht davon aus, dass die Veranstaltung verhindert worden wäre, wenn es eine rechtliche Grundlage dafür gegeben hätte.
Die Diskussion mit Markus Seiler, Chef des Nachrichtendienstes des
Bundes, habe ihm gezeigt, "dass solche Anlässe in der Schweiz möglich
sind, in Deutschland aber verboten wären". Deshalb hätten die
Organisatoren des Rockkonzerts auch die Schweiz als Austragungsort
gewählt, erklärte Jakob Büchler gegenüber Tagblatt Online. Büchler sieht
darin "ein grosses Problem für das Image unseres Landes". Er werde sich
nun informieren, welche gesetzlichen Grundlagen zu schaffen seien,
damit die Durchführung solcher Anlässe in der Schweiz künftig nicht mehr
möglich seien, so Büchler. Einen entsprechenden Vorstoss werde er in
der Wintersession einreichen.
Auf Nachfrage hin präzisierte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB)
gegenüber Tagblatt Online, wie der Informationsfluss im Fall des
Rockkonzerts von Unterwasser zeitlich und inhaltlich abgelaufen ist.
Danach hat der NDB am Dienstag, 11. Oktober, erstmals alle Schweizer
Kantonspolizeien informiert, dass in der Schweiz mit einem solchen
Konzert zu rechnen sei. Die entsprechende Information habe man von einem
europäischen Partnerdienst erhalten, so die Auskunft des NDB. Zwei Tage
später, also am 13. Oktober, präzisierte der NDB bereits: Das Konzert
finde im Grossraum Zürich statt. Die entsprechende Meldung ging auch an
die Kantonspolizei St. Gallen. Die letzte NDB-Meldung, jene vom Samstag,
15 Uhr, nannte schliesslich den korrekten Ort der Veranstaltung:
Unterwasser.
Polizei sprach von "privatem Anlass"
Des Weiteren wurde am Dienstag bekannt, dass die Stiftung gegen
Rassismus und Antisemitismus (GRA) die Veranstalter und die Bands wegen
Rassismus anzeigt. Die Anzeige sei der St.Galler Staatsanwaltschaft
eingereicht worden, teilte die Stiftung am Dienstag mit. Sie richtet
sich gegen die Schweizer Band "Amok", die deutschen Gruppen
"Stahlgewitter", "Confident of Victory", "Exzess", "Frontalkraft", die
in Unterwasser auftraten, und gegen die Organisatoren des Konzerts.
Die Öffentlichkeit des Grossanlasses im Toggenburg sei mit 5000
Teilnehmern sicher gegeben, sagte der GRA-Präsident Ronnie Bernheim der
Nachrichtenagentur sda. Öffentlichkeit ist eine Voraussetzung dafür,
dass Rassismus in der Schweiz bestraft wird. Die St.Galler Polizei hatte
das Konzert als privaten Anlass bezeichnet.
Die Stiftung gegen Rassismus will sicherstellen, dass die Behörden
mögliche Verletzungen der Rassismusartikels prüfen. "Wir haben keine
Beweise", sagte Bernheim. Dies sei Sache der Polizei und der
Staatsanwaltschaft. Eine Strafuntersuchung wäre "ein wichtiges Signal
ans Ausland und an die Schweizer Rechtsextremen-Szene".
Paradies für Neonazis
Auf jeden Fall müssten aus dem Event in Unterwasser Lehren gezogen
werden, erklärte der GRA-Präsident. Die Grösse des Anlasses sei
erschreckend. Die Schweiz sei heute "ein Paradies für
Neonazi-Aktivitäten".
Die St.Galler Kantonspolizei und die Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann,
zu der Unterwasser gehört, waren vom Grossaufmarsch der Rechtsextremen
am vergangenen Samstag überrumpelt worden. Der Polizei und dem
Nachrichtendienst des Bundes (NDB) war zwar seit längerem bekannt, dass
im Raum Bodensee ein Rechtsrock-Konzert geplant war. Den genauen Ort
hatten sie aber nicht herausgefunden. Die Konzertbesucher, die aus halb
Europa anreisten, wurden vom Treffpunkt Ulm kurzfristig nach Unterwasser
geleitet. Die St.Galler Polizei erfuhr laut ihrem Sprecher Gian Andrea
Rezzoli den Ort des Konzerts erst, als die Besucher mit Cars und
Privatautos in Unterwasser eintrafen.
Naive Behörden
Gemeindepräsident Rolf Züllig räumte nach dem Konzert eine "gewisse
Naivität" ein. Man habe den Anlass auf Grund falscher Angaben der
Veranstalter bewilligt. Diese hätten ein Konzert mit Schweizer
Nachwuchsbands und 600 bis 800 Besuchern angekündigt. Laut Züllig prüft
die Gemeinde rechtliche Schritte gegen die Veranstalter. (sda/cla.)
Weiteres Rechtsrock-Konzert geplant
Der Ostschweiz droht bereits neues Ungemach: Am Samstag soll in der Region Rapperswil ein weiteres Rechtsrock-Konzert stattfinden - um die Gründung von fünf Ostschweizer Sektionen der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) zu feiern. Angekündigt sind Reden von Pnos-Chef Dominic Lüthard und den Sektionsvorstehern sowie ein Konzert der Band Flak. Brisant: Die Band wird im November an einem weiteren Neonazi-Event in Deutschland auftreten - zusammen mit Frontalkraft, die in Unterwasser ebenfalls auf der Bühne stand. (sg)