Korruption: Der Drückerkönig, die Sexorgien und die Bauer Vertriebs KG

Erstveröffentlicht: 
12.01.2007

Der öffentlichkeitsscheue Verleger Heinz Bauer sieht sich derzeit mit einem Skandal konfrontiert, den man wohl eher als Titelgeschichte in einem seiner bunten Blätter erwartet hätte. Es geht um Korruption, gewalttätige Einschüchterungsversuche eines Drückerkönigs und Sexorgien bei der Bauer Vertriebs KG.

 

Von Marleen Gründel
   

Hamburg - Jeder kennt sie, hat sie mindestens einmal in seinem Leben auch vor seiner eigenen Haustür stehen sehen: die sogenannten Zeitungsdrücker. Hartnäckig und mit viel gutem Zureden versuchen sie arglose, meist ältere Bewohner von den Vorteilen eines Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnements zu überzeugen.

Die Branche, die sich selbst "Werbender Buch- und Zeitschriftenhandel" (WBZ) nennt, hat seit jeher keinen besonders guten Ruf. Und auch der Skandal beim Hamburger Heinrich Bauer Verlag, der derzeit immer größere Ausmaße annimmt, trägt nicht gerade zu einer Verbesserung des Images bei.

 

Im Mittelpunkt der Affäre steht die Bauer Vertriebs KG (VKG), eine Tochter des Hamburger Unternehmens. Wie viele andere Verlage auch greift die VKG auf der Suche nach neuen Abnehmern für "Das neue Blatt", "Bravo" und Co. gern auf die Hilfe der Drückerkolonnen zurück. Dabei hat das Unternehmen mehrere Jahre lang auch mit der Emrich Vertriebsgesellschaft (EMV) zusammengearbeitet.

 

Provisionen für gefälschte Abo-Verträge

Bei der Kooperation kam es allerdings zu Unregelmäßigkeiten: Verleger Heinz Bauer wirft dem Chef der EMV vor, ihn um mehrere Millionen Euro betrogen zu haben. Der auch als Drückerkönig bekannte Verdächtige soll vom Verlag Provisionen für rund 22.000 Neuverträge mit Abonnenten erhalten haben, obwohl diese nicht korrekt abgeschlossen worden waren.

 

Bauer erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover, dem Unternehmenssitz der EMV. "Wir ermitteln seit Ende 2003 wegen Unregelmäßigkeiten bei Provisionszahlungen an die Emrich Vertriebsgesellschaft", erklärt der Sprecher der Behörde, Manfred Knothe, gegenüber manager-magazin.de. Es bestehe unter anderem der Verdacht, dass Emrich selbst Zahlungen für Zeitschriftenabos geleistet habe, die von den eigentlichen Abonnenten bereits gekündigt wurden, nur um die Provisionen vom Verlag einzustreichen. Denn normalerweise verfallen diese Provisionszahlungen an die Drückerkolonnen, wenn die Abonnements innerhalb von sechs Monaten wieder gekündigt werden. Auch sollen Neuverträge schlicht gefälscht worden sein.

 

Geschmierte Manager

Von diesen mutmaßlichen illegalen Methoden haben offenbar auch Manager der VKG gewusst. Mehr noch: Auf Kosten des Verlags sollen sich die Führungskräfte auf Geschäftsreisen in mehreren Bordellen amüsiert haben - und der Drückerkönig soll Ehrengast gewesen sein, wie jüngst die "Hamburger Morgenpost" schrieb. Führungskräftetreffen der VKG seien zudem regelmäßig "in Orgien" ausgeartet.

 

Der Bauer Verlag wollte sich zu dem neuen Bericht nicht äußern. "Wir befinden uns in einem laufenden Verfahren und daher möchten wir zu der ganzen Angelegenheit nicht Stellung nehmen", so Bauer-Sprecher Andreas Fritzenkötter gegenüber manager-magazin.de.

 

Fest steht jedenfalls, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg seit Januar 2005 gegen zwei Manager der VKG ermittelt. "Es besteht der Verdacht auf Absprachen zwischen Verantwortlichen der VKG und der EMV hinsichtlich gefälschter Abos", sagte deren Sprecher Rüdiger Bagger gegenüber manager-magazin.de.

 

Gefeuert nach 35 Jahren im Verlag

Im Herbst 2006 hatte sich der Verdacht der Ermittler schließlich so weit erhärtet, dass Bauer mehrere Führungskräfte der VKG feuerte. Auch der Geschäftsführer der Vertriebstochter, Bernd Baginski, sowie sein Abo-Chef Johan van der Sluis mussten ihren Hut nehmen, obwohl beide nicht persönlich beschuldigt sind.

 

Sogar die rechte Hand des Verlegers, der Bauer-Geschäftsführer Manfred Braun, stolperte über die Korruptionsaffäre. Braun war gegen den Rauswurf der beiden VKG-Manager und stellte die Vertrauensfrage. Kurz darauf wurde er nach 35 Jahren im Verlag und 13 Jahren in der Geschäftsleitung entlassen. Zur Begründung hieß es damals lapidar, es habe "unterschiedliche Auffassungen über zentrale Fragen der Unternehmensführung" gegeben.

 

Bei der Präsentation des jüngsten Geschäftsberichts vergangenen Donnerstag präzisierte Bauer seine Entscheidung schließlich noch ein wenig: "Es hat damals keine Übereinstimmung über den Kurs bei der Aufklärung des Unterschlagungsfalls im Vertrieb gegeben", so der Verleger.

 

Mordanschlag auf "Verräter"

Im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal ist es sogar schon zu einem Mordversuch gekommen, als die zwielichtigen Geschäfte des dubiosen Drückerkönigs im November 2000 aufzufliegen drohten. Ein ehemaliger Geschäftspartner von Emrich wollte Bauer auf den vermuteten Betrug aufmerksam machen und bekam kurz darauf Besuch von einigen Schlägertypen. Diese schlugen mit einer Eisenstange auf den vermeintlichen Verräter ein. Nur mit Glück kam er mit dem Leben davon.

 

Ein Zusammenhang des Anschlags mit dem Drückerkönig ist derzeit nicht bewiesen. Allerdings wurde Emrich im vergangenen Sommer verhaftet und sitzt nun in Untersuchungshaft. Ihm wird Anstiftung zum Mord vorgeworfen.

 

Für Verleger Bauer ist der Skandal nicht nur wirtschaftlich, sondern auch persönlich ein harter Schlag. Der 67-Jährige gilt als besonders misstrauisch und vorsichtig, vor allem fremden Menschen gegenüber.

 

Unerschütterliches Vertrauen schenkt er nur seiner Familie; seiner Frau und seinen vier Töchtern, die bereits alle im Verlag mitarbeiten. So ist es auch kaum verwunderlich, dass er mit der Aufklärung des Korruptionsskandals ein Familienmitglied beauftragt hat: seine 29-jährige Tochter Yvonne Saskia.