Wer sponsert die AfD? Vier denkbare Möglichkeiten

Wer sponsert die AfD?
Erstveröffentlicht: 
26.08.2016

Dutzende von Großplakaten in ganz Mecklenburg-Vorpommern, die mit markigen Sprüchen zur Wahl der AfD aufrufen. Ein „Extrablatt“ in alle Haushalte, das zu dem Schluss kommt, nur die AfD sei „wählbar“. Verantwortlich für diese Unterstützeraktionen zeichnet die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ aus Stuttgart. Wer oder was das aber genau ist, bleibt überwiegend im Dunkeln.

 

Bereits im Frühjahr hatte der nicht im Vereinsregister eingetragene Verein in die Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg eingegriffen, hatte tausende Plakate gebucht und laut Medienberichten zwei Millionen „Extrablätter“ verteilen lassen. Damals war für die Aktion laut Impressum Josef Konrad verantwortlich, ein bayrisches AfD-Mitglied, der den Polifakt-Verlag in Leipzig betreibt. Themenschwerpunkt bei Polifakt: Die AfD.

 

In Mecklenburg-Vorpommern hat die Vereinigung auf einen verantwortlichen Redakteur in ihrem „Extrablatt“ ganz verzichtet, die Zeitung als „unadressiertes Mailing“ deklariert. Eine Postwurfsendung, Werbung also, für die laut dem Landespressegesetz kein verantwortlicher Redakteur benannt werden muss.

Auf der Webseite des Vereins wird als Verantwortlicher jedoch seit kurzem nicht mehr Konrad geführt, sondern das ehemalige Mitglied der Republikaner Michael Paulwitz. Dass überhaupt ein Name genannt wird, liegt wohl an den deutschen Gesetzen, die dies für (deutsche) Webseiten vorschreiben. Die bei der zentralen Domain-Registrierungsstelle DENIC hinterlegte Telefonnummer für die Seite führt aber immer noch zum Polifakt-Verlag nach Leipzig.

 

Hintergründe im Dunkeln

Besucht man die Webseite der Vereinigung, bleiben Hintergründe weiter im Dunkeln. Es gibt eine Online-Petition gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die trotz der massiven Werbung lediglich 6.700 Personen unterschrieben haben. Es gibt ein Thesenpapier, das sich in weiten Teilen mit Aussagen des AfD Landtagswahlprogrammes deckt. Es gibt einen Pseudo-Wahl-O-Mat, der als Wahlempfehlung jedoch lediglich „AfD wählen“ oder „Blockparteien wählen“ ausgibt.

Was jedoch fehlt, ist beispielsweise eine Satzung des Vereins. Nirgends werden die Ziele der Vereinigung erläutert. Die Vorstellung eines Vorstandes fehlt ebenso. Wer die Unterstützer sind? Wie viele Mitglieder sich in der Vereinigung engagieren? Wann der Verein gegründet wurde? Und von wem? Allesamt Fragen, die unbeantwortet bleiben.

Es gibt auf der Webseite des Vereins auch die Möglichkeit, für die Vereinigung online zu spenden. Im „Extrablatt“ selbst wird darauf verwiesen, dass sofort nach Eingang einer Spende eine Bescheinigung für die Steuererklärung zugestellt würde. Der Verein muss also vom Finanzamt als mildtätig oder gemeinnützig eingestuft worden sein. Eine Nachfrage beim theoretisch zuständigen Finanzamt Stuttgart-Körperschaften läuft erwartungsgemäß jedoch ins Leere. Finanzämtern ist nämlich nach §30 der Abgabenordnung selbst untersagt, Auskunft darüber zu geben, „ob und bei welcher Finanzbehörde ein Beteiligter steuerlich geführt wird“. Ein Außenstehender kann somit nicht einmal überprüfen, ob die Vereinigung überhaupt Spendenbescheinigungen ausstellen darf.

Warum das alles interessant ist? Bereits bei den beiden Aktionen zu den Landtagswahlen im Frühjahr dürften nach vorsichtigen Schätzungen deutlich über 300.000 Euro zur Werbung für die AfD eingesetzt worden sein. Auf die Frage nach der Herkunft hieß es damals auf Nachfragen nur nebulös, das Geld stamme von „Millionären“, denen, so die implizierte Legende, die Zukunft Deutschlands am Herzen liege. Auch in Mecklenburg-Vorpommern dürften die Werbeaktionen sich auf mehrere zehntausend Euro summieren.

 

Parteiengesetz fordert Transparenz

Nun ist es in Deutschland aber so, dass gerade für politische Parteien strenge Regeln in Bezug auf ihre Finanzen bestehen. Eine Partei muss einmal jährlich einen Rechenschaftsbericht beim Präsidenten des Deutschen Bundestages einreichen. Jede Partei muss für ein Kalenderjahr alle Spenden mit Name und Anschrift des Spenders sowie der Spendenhöhe erfassen.

Hat eine Privatperson oder ein Unternehmen in einem Jahr an eine Partei insgesamt 10.000 Euro oder mehr gespendet (alle Einzelspenden werden summiert), so muss dieser Spender namentlich und mit Anschrift und Höhe der Gesamtspende im Rechenschaftsbericht der Partei aufgeführt werden. So verlangt es §25 Abs. 3 des Parteiengesetzes. Beträgt eine Einzelspende 50.000 Euro oder mehr, so ist diese unverzüglich der Bundestagsverwaltung anzuzeigen.

Die Regelungen zur Transparenz bei den Parteifinanzen sind vor allem im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die so sehr leicht – und bei Großspenden auch zeitnah – nachvollziehen können, woher die Parteien eigentlich Geld bekommen und welche Interessengruppen sich hierdurch möglicherweise Einfluss verschaffen. Diese Transparenz ist ein wichtiger Bestandteil von Demokratie.

Bei den nun vorliegenden Werbeaktionen der „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ fehlt diese Transparenz. Diese müsste aber im vollen Umfang hergestellt werden, um den Wählerinnen und Wählern zu offenbaren, wer die AfD unterstützt – und welche Anliegen möglicherweise dahinter stehen.

Jedoch: Da die AfD beharrlich behauptet, von den Aktionen nichts gewusst zu haben, muss sie kaum rechtliche Konsequenzen fürchten. Vor Gericht gilt die Unschuldsvermutung, so lange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Allerdings müsste die AfD sich jetzt trotzdem mit der Vereinigung aus Stuttgart beschäftigen. Denn nach §26 Absatz 1 des Parteiengesetzes gilt der Begriff der „Einnahme“ einer Partei auch für „(…) die Übernahme von Veranstaltungen und Maßnahmen durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird, (…)“. Im Rechenschaftsbericht der AfD für das Jahr 2016 müssten dieser Regelung folgend auch die von der Vereinigung erbrachten Werbemaßnahmen als Einnahmen auftauchen.

 

Woher stammt das Geld?

Offen bleibt: Woher kommt das Geld? Es gibt mehrere denkbare Motive, warum jemand auf diesem intransparenten Weg die AfD unterstützen möchte. Diese sind jedoch mangels recherchierbarer Fakten und mangels der Möglichkeiten, außerhalb behördlicher Ermittlungen Zugang zu Daten zu erhalten, spekulativ. Bei den folgenden vier Versionen handelt es sich folglich nicht um belegbare Fakten, sondern um theoretische Möglichkeiten.

 

Version 1 – Die Millionärs-Version

Die Geldzuwendungen an die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ stammen tatsächlich von wenigen wohlhabenden Deutschen, die die AfD unterstützen möchten, ohne jedoch namentlich im Rechenschaftsbericht genannt und mit der AfD in Verbindung gebracht zu werden. In ihrem Programm vertritt die AfD ja einige Positionen, die sehr wohlhabenden Menschen nützen würden.

Version 2 – Die Rechts-Version

Die Geldzuwendungen an die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ stammen von Personen, die eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Für diese spekulative These spräche vor allem der Inhalt der verbreiteten Pro-AfD-Werbung. Um der Partei aber nicht durch die direkte Verbindung zur rechten Szene zu schaden, wird der Verein zur Verschleierung der Zuwendung verwendet.

Version 3 – Die Auslands-Version

Die Geldzuwendungen an die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ stammen aus dem Ausland. „Verschwörungstheorie“ wird sicherlich gleich jemand rufen. Fakt ist aber, dass das Parteiengesetz in §25 eindeutig regelt, dass Spenden „von außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes“, also aus dem Ausland, von Parteien nicht angenommen werden dürfen. Ausnahmen gibt es nur für Spenden von im Ausland lebenden Deutschen. Es wäre auch egal, ob es sich um eine Spende eines russischen Oligarchen handelte oder um die Zuwendung eines österreichischen Rechtspopulisten. Beide Fälle wären, ungeachtet der Intention einer solchen Zuwendung, unzulässig.

 

Version 4 – Die Graswurzel-Version

Die Geldzuwendungen an die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ stammen von einer Graswurzelbewegung besorgter Bürger, die zu tausenden für diese Unterstützung der AfD gespendet haben. Die Frage wäre nur, warum sie dann nicht direkt an die AfD spenden (was für die AfD finanziell lukrativer wäre)? Und warum von einer solchen Graswurzelbewegung noch niemand gehört hat?

Wie man es auch dreht und wendet – vor der Landtagswahl am 4. September wird es auf die offene Frage nach der Herkunft des AfD-Unterstützergeldes vermutlich keine befriedigende Antwort geben. Denkbar wäre ja auch, dass alle vier Versionen gänzlich falsch sind.

Schaden dürfte dies vor allem der AfD. Denn gerade die AfD selbst müsste es sein, die die Herkunft der Gelder bei der „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ lückenlos aufklärt. Alles andere wäre für eine Partei, die mehr Transparenz in der Politik fordert, nur unglaubwürdig.