Polizei stoppte Liveübertragung aus der Türkei

Erstveröffentlicht: 
01.08.2016

Nachdem die Kundgebungen für und gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag (31.07.2016) ohne große Zwischenfälle verlaufen sind, herrscht bei Polizei und Politik Erleichterung. "Das war ein brisanter und komplexer Einsatz für die Polizei", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Obwohl die Situation bisweilen "emotional und hitzig" gewesen sei, hätten die Einsatzkräfte mit großer Umsicht und Professionalität gehandelt.

 

Entgegen dem Verbot der geplanten Live-Zuschaltung von Erdoğan während der Demonstration durch das Bundesverfassungsgericht waren auf dem Platz am Deutzer Rheinufer vor der Kundgebung Livebilder aus der Türkei übertragen worden. Doch dies gelang nur kurz. "Die Übertragung wurde durch die Polizei sofort unterbunden", sagte Polizeipräsident Mathies dem WDR. Weitere Bildübertragungen seien nicht festgestellt worden. "Wir hätten jederzeit entweder die Kabel gezogen oder den Schalter gedrückt. Hier ging es darum, konsequent dieses Verbot durchzusetzen", sagte Mathies.

 

Mathies: Zum Glück keine Gewalt

Rund 2.700 Polizisten waren am Sonntag (31.07.2016) im Einsatz. Bis zu 40.000 Erdoğan-Anhänger nahmen an der Kundgebung nach Angaben der Polizei teil. Nach dem Versagen in der Silvesternacht kam der Einsatz bei der Kundgebung und vier Gegendemonstrationen einer Bewährungsprobe gleich. Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies dankte seinen Kollegen. Die Lage sei sehr schwierig gewesen und habe erhebliche Arbeit gemacht, sagte er am Montag (01.08.2016) im WDR. Dazu beigetragen habe auch eine aufgeheizte Diskussion über die Begleitumstände. Auf der anderen Seite sei von rechtsextremen Gegendemonstranten eine Gefahr ausgegangen. Meinungen seien aufeinander geprallt, zum Glück aber keine Menschen und keine Gewalt.

 

Zu den Kosten des Einsatzes wollte Mathies keine Angaben machen. Die Frage, ob der massive Aufwand gerechtfertigt gewesen sei, beantwortete Mathies mit Ja. Die Versammlungsfreiheit zähle zu den höchstrangigen Grundrechten der Bürger in Deutschland. Deshalb sei der Aufwand zur Durchsetzung der Demokratie gerechtfertigt.

 

Auch der CDU-Vorsitzende in NRW, Armin Laschet, verteidigte den Aufwand. Wenn man zwei Wochen nach einem Putschversuch an der Demonstration teilnehme, sei dies in Ordnung, sagte er dem WDR. Er wünsche sich aber gleichermaßen, dass die Teilnehmer erkennen, dass der Präsident in Deutschland Joachim Gauck und nicht Erdoğan heiße.

 

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) dankte den Sicherheitskräften ebenfalls für einen "klugen, maßvollen, aber wirkungsvollen" Einsatz. "Köln hat heute wieder unter Beweis gestellt, dass die Sicherheit in dieser Stadt auch in schwierigsten Situationen gewährleistet ist", sagte Reker am Sonntag.

 

Die SPD-Politikerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete aus Köln, Lale Akgün, relativierte die hohe Zahl der Demonstranten. Zwar seien gestern Zehntausende Menschen nach Köln gekommen, ihr Kommen sei aber vielfach organisiert gewesen, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Menschen seien von Vereinen, die der AKP nahestünden, mit Bussen zum Veranstaltungsort gebracht worden.

 

Kritik an Erdoğan-Anhängern

Die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping kritisierte die Teilnehmer der Kundgebung. "Wer für Erdoğan auf die Straße geht, der unterstützt jemanden, der Terror gegenüber Andersdenkenden wirklich praktiziert, andere Menschen einschüchtert - in der Wissenschaft, in den Medien und so weiter", sagte sie im ARD-Fernsehen. Ähnlich äußerte sich der migrationspolitische Sprecher der Grünen, der Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck. "Das ist ein Konflikt zwischen jenen, die Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie unterstützen. Und jenen, die dagegen sind. Das sind unsere Feinde", sagte Beck der "Huffington Post". Dort, nicht zwischen Türken und Deutschen, verlaufe die Konfliktlinie.

 

In der Türkei sorgt das Verbot der geplanten Live-Zuschaltung von Erdoğan während der Demonstration für Empörung. Nach Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin hat auch Justizminister Bekir Bozdag die Entscheidung scharf kritisiert. Das Verbot der Übertragung sei auf widerrechtliche und unhöfliche Art erfolgt und eine "Schande" für Demokratie und Recht, schrieb Bozdag auf Twitter. Es sei von nun an inakzeptabel, wenn Deutschland gegenüber der Türkei die Begriffe Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Freiheit auch nur in den Mund nehme.