Dritte verdeckte Ermittlerin enttarnt

Erstveröffentlicht: 
18.05.2016

Die linksradikale Szene in Hamburg entdeckt erneut eine Polizistin in den eigenen Reihen. Der Fall ist umso brisanter, als dass es sich um die dritte Beamtin innerhalb von nur eineinhalb Jahren handelt. Um die Rechtmäßigkeit der Einsätze gibt es heftige Debatten.

 

Die linksradikale Szene in Hamburg hat in ihren Strukturen zum dritten Mal innerhalb von nur eineinhalb Jahren eine verdeckte Ermittlerin der Polizei enttarnt. Eine Recherchegruppe aus der autonomen Szene hat in der Nacht zu Mittwoch in einem Weblog und auf dem Szene-Portal „Indymedia“ ein Dossier über die vermeintliche Ex-Mitstreiterin Astrid S. veröffentlicht. Bei der Frau, die zwischen 2006 und 2013 „tief in unsere Strukturen eingetaucht“ sei, handele es sich in Wirklichkeit um eine Polizistin mit Namen Astrid und einem anderen Nachnamen, heißt es darin.

Im Herbst 2014 und im August vergangenen Jahres waren in der Hansestadt bereits zwei Polizistinnen durch linksradikale Recherchen aufgeflogen, die unter den Tarnnamen „Iris Schneider“ und „Maria Block“ über Jahre hinweg die Szene unterwandert hatten. Um die Rechtmäßigkeit ihrer jeweiligen Einsätze gibt es seitdem intensive Debatten.

Laut den Angaben ihrer vermeintlichen Freunde und Genossen war „Astrid S.“ über ein offenes „Antifa-Café“ in Bergedorf im Hamburger Osten in die Szene eingetaucht. Nach und nach habe sie sich in einem linken Jugendtreff, bei den Protesten gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und gegen Nazi-Aufmärsche, in autonomen Strukturen und im Plenum des linken Zentrums Rote Flora eingebracht. In der Flora sei sie „Teil der sozialen/freundschaftlichen Kontakte im Projekt“ geworden. Zwischendurch habe die Polizistin die Antifa-Gruppe „Nella Faccia“ mitgegründet und dem neuen Zirkel sogar seinen Namen gegeben.

Im Rahmen ihres Einsatzes habe die Beamtin immer wieder Privatwohnungen betreten, an szeneinternen Debatten über Gewaltanwendung und nächtlichen Plakataktionen teilgenommen, schreiben die anonymen Autoren. Obwohl zwischendurch sogar der Verdacht aufgekommen sei, die Frau könnte Polizistin sein, habe ihre Tarnung gehalten. Im Frühjahr 2013 habe „Astrid S.“ plötzlich erklärt, mit ihrer politischen Arbeit unzufrieden zu sein und mit ihrem Freund nach Italien auswandern zu wollen.

Wie die beiden bereits enttarnten Ermittlerinnen habe die Beamtin sich ihre Glaubwürdigkeit „langfristig über Jahre erarbeitet“, heißt es in dem Dossier. Sie sei stets souverän und selbstbewusst aufgetreten. Da sich ihr Einsatz mit dem der Ermittlerin „Iris Schneider“ zeitlich überschnitten habe, hätten „erschreckender Weise zeitweise zwei verdeckte Ermittlerinnen auf demselben Plenum gesessen“.

Ein Sprecher der Hamburger Polizei bestätigte der Frankfurter Rundschau am Mittwoch, „dass eine Polizeibeamtin der Stadt Hamburg in diesem Sachverhalt betroffen ist“. Die Hintergründe würden derzeit intern aufgearbeitet. Sollten die Vorwürfe aus der autonomen Szene zutreffen, würde die Enttarnung erneut ein schlechtes Bild auf die Arbeit der Hamburger Polizei werfen: Privatwohnungen dürfen verdeckte Ermittler etwa nur im Rahmen eines konkreten Ermittlungsverfahrens betreten.