Rechtsgrundlage für Terrorabwehr fehlt noch immer

Erstveröffentlicht: 
26.04.2016

Staatsrechtler kritisiert Austausch der Behörden

 

Von Manuel Bewarder Politikredakteur

 

Der Karlsruher Staatsrechtler Matthias Bäcker hat eine Überprüfung der deutschen Terrorabwehr gefordert. Bäcker, der Mitglied einer Expertenkommission der Bundesregierung zur Evaluation der Sicherheitsgesetze nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war, sagte der "Welt" mit Blick auf das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Berlin-Treptow (GTAZ): "Das Terrorabwehrzentrum arbeitet ohne besondere Rechtsgrundlage." Die vereinzelte Übermittlung von Informationen zwischen Behörden sei zwar über Vorschriften geregelt. Im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum sei aber ein ständiger Austausch vorgesehen. "Ich bin der Meinung, dass das über die bisherigen Vorschriften nicht abgedeckt ist", erklärte Bäcker.

Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel besucht am Dienstag nun Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und den Chefs aller großen deutschen Sicherheitsbehörden das Terrorabwehrzentrum. Nicht nur, dass Politiker die Arbeit der Beamten vor Ort immer wieder loben – in Zeiten höchster Terrorgefahr wird das Zentrum auch als Vorbild für eine neue gemeinsame europäische Terrorabwehr herangezogen. Allerdings verstummt auch mehr als zehn Jahre nach der Gründung nicht die Kritik an der Einrichtung. Denn das Zentrum agiert in einem rechtlichen Graubereich – ohne wirkliche Kontrollmöglichkeiten.

Nach Ansicht von Bäcker wird durch die täglichen Besprechungen im GTAZ das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei "zwar nicht abgeschafft, aber zumindest aufgeweicht". Um diese rechtliche Grauzone wissen auch die Verantwortlichen. Einen Chef des Zentrums gibt es deshalb auch nicht. Die Erfolgsformel laute: Experten möglichst nahe zusammenbringen. Die Beamten sitzen deshalb auf einem Gelände, treffen sich täglich in der zweiten Etage eines der Gebäude und tauschen sich an einem Konferenztisch aus. An der Wand hängt ein Foto von Bundespräsident Joachim Gauck. Dazu Uhren mit den Ortszeiten von Washington D.C., Berlin, Riad und Kabul.

Die Idee hinter dem Zentrum klingt simpel. Otto Schily (SPD), bei der Gründung Bundesinnenminister, hält sie jedoch für genial. Über den Mann hinter dem Plan, den heutigen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Engelke, sagte der ansonsten mit Lobesworten eher sparsam umgehende Schily vor ein paar Jahren: "Ich verneige mich vor ihm." Und der heutige Innenminister de Maizière erklärte beim zehnjährigen Jubiläum des Zentrums 2014 mit Blick auf die Kritik: "Es ist möglich zusammenzuarbeiten – bei gleichzeitiger Wahrung des Trennungsgebotes."

Juristen wie Matthias Bäcker sehen das dennoch weiterhin anders – wobei Bäcker darauf hinweist, dass er sich damit nicht gegen die Einrichtung an sich aussprechen will. Ihn stört, dass das Abwehrzentrum zum großen Teil eine Blackbox darstellt. "Bislang gibt es niemanden, der für die Kontrolle des Zentrums als solches zuständig ist", sagt Bäcker. "Es gibt immer nur Verantwortliche für die jeweiligen Behörden im Bund und in den Ländern." Bäcker findet, dass eine Kontrollkompetenz bei der Bundesdatenschutzbeauftragten richtig angelegt wäre.

Dafür gibt es derzeit aber kaum Unterstützung in den Regierungskoalitionen von Union und SPD. In Hannover ging gerade erst eine 15-jährige Anhängerin der Terrormiliz Islamischer Staat mit einem Messer auf einen Bundespolizisten los. Auch ein Bombenanschlag auf ein Sikh-Gebetshaus in Essen hat offenbar einen islamistischen Hintergrund. Hinzu kommen immer wieder Warnungen, dass es auch hierzulande einen großen Anschlag geben könnte. Angesichts der erhöhten Terrorgefahr konzentriert sich die Politik derzeit vor allem darauf, die Sicherheitsbehörden weiter zu stärken.

In den aktuellen Haushaltsverhandlungen sieht es so aus, als ob Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt für die kommenden Jahre Tausende neue Stellen zugesprochen bekommen könnten. Das Abwehrzentrum in Treptow könnte dann vor einem anderen Problem stehen: dass dort nämlich der Platz knapp wird.