Anwalt darf Bayerns Innenminister "wunderbares Inzuchtsprodukt" nennen

Erstveröffentlicht: 
08.05.2016

Der Deutsche mit ghanaischen Wurzeln habe sich im Wortlaut an Joachim Herrmanns "Neger"-Spruch orientiert, urteilt ein Gericht in Karlsruhe.

Von Christian Rost

 

Roberto Blanco nahm es Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht weiter übel, als der ihn in einer ARD-Talkshow als "wunderbaren Neger" bezeichnete. Der Sänger, Ehrenmitglied der CSU, konterte in einem Interview gewohnt locker: "Sie sind ein wunderbarer Weißmann."

 

Damit war die Geschichte allerdings nicht ausgestanden, denn andere Leute mit dunkler Hautfarbe fühlten sich durch Herrmanns verbalen Ausfall sehr wohl beleidigt. Ein Rechtsanwalt aus Karlsruhe, väterlicherseits afrikanischer Abstammung, beleidigte zurück und bekam es prompt mit der Justiz zu tun. Anders als der Minister sollte der 44-jährige Anwalt bestraft werden für seine Beleidigung. Das Amtsgericht Karlsruhe spielte da aber nicht mit.

 

David Schneider-Addae-Mensah schrieb dem Minister nach dessen Äußerung in der Sendung "Hart aber fair" im September 2015 einen Brief. Betreff: "Ihre rassistische Gesinnung". Und dann heißt es weiter: "Hallo, Herr Herrmann, Sie sind ein ganz wunderbares Inzuchtsprodukt! Mit freundlichen Grüßen."

 

Das Schreiben landete auf dem Schreibtisch von Herrmann, der das offenbar gar nicht spaßig fand. Er zeigte den Anwalt an. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellte beim dortigen Amtsgericht Antrag auf einen Strafbefehl. Schneider-Addae-Mensah sollte für seinen Brief eine Geldstrafe zahlen.

 

Der zuständige Richter lehnte dies aber ab und stellte fest, dass schon Herrmanns "Neger"-Spruch nichts anderes gewesen sei, als "eine abwertende rassistische Bezeichnung". Deshalb stellten die Worte "Ihre rassistische Gesinnung" in der Betreffzeile des Briefs auch keine strafbare Beleidigung dar. Der Richter wertete sie offenbar als zutreffende Feststellung. 

 

Recht zum Gegenschlag


Auch die Bezeichnung "Inzuchtsprodukt" ging unbeanstandet durch. Schneider-Addae-Mensah hatte in einer Stellungnahme an das Gericht argumentierte, dass er sich beim Verfassen seines Schreibens "am Wortlaut des Herrn Herrmann" orientiert und nur seine Meinung frei geäußert habe.

 

Der Richter folgte dieser Argumentation und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach jemandem das "Recht zum Gegenschlag" eingeräumt werden müsse bei ehrverletzenden Angriffen oder überspitzter Kritik. In so einem Fall dürfe der Betroffene "scharf und drastisch erwidern". Deshalb seien die beleidigenden Worte im Brief an Herrmann nicht als strafbar anzusehen.

 

Für Schneider-Addae-Mensah ist die Entscheidung eine Genugtuung. Der schmächtige Mann mit leiser Stimme, dessen Mutter eine Lektorin aus Deutschland war und dessen Vater ein Professor aus Ghana ist, hatte schon oft Ärger mit der Polizei - gerade mit der bayerischen. Etwa 30 Mal ist er seinen Angaben zufolge nur wegen seiner Hautfarbe kontrolliert worden.

 

Besonders kurios war eine Situation 1997 in seiner Geburtsstadt München. In einer U-Bahn-Station klopften sechs Polizisten verdächtig erscheinende Personen nach Drogen ab. Auch Schneider-Addae-Mensah wurde angehalten und gefragt, ob er schon mal etwas mit der Polizei zu tun gehabt habe. Der Anwalt antwortete: "Ja, ich singe im Polizeichor und kenne den Polizeipräsidenten", was tatsächlich stimmte damals. Daraufhin wurden ihm Handschellen angelegt.