Die Feminismusdebatte ist langweilig geworden. Wir wollen das mit Radikalpositionen verändern. In Teil 2 unserer Serie sagt Ronja von Rönne, warum der Feminismus sich selbst abschafft.
Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin. Ich weiß nicht, ob "man" im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an. Feminismus klingt für mich ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat.
Ich habe einfach selbst noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist. In einem Land, in dem der mächtigste Mensch eine Vagina hat, wird "Frauenquote" für mich immer ein bisschen nach Vorteilsbeschaffung riechen. Das Gendern der Sprache finde ich ausgesprochen hässlich. Wenn Firmen ihre Produkte mit nackten Frauen bewerben, halte ich das für gerechtfertigt, offensichtlich gibt es ja den Markt dazu. Ich finde den Hashtag #aufschrei albern. "Ein Mann sagte mir, ich könnte gut ein Dirndl ausfüllen" halte ich für einen etwas mageren Plot für ein ganzes Buch. Ich möchte lieber keine Feministin sein.
"Aber du musst doch mal an die anderen denken!", flötet mir der Feminismus zu. "All die alleinerziehenden Mütter, all die Frauen, die immer noch unterbezahlt werden." Das irritiert mich. Früher hat sich der Feminismus doch durchgesetzt, weil die Frauen, die mürrisch auf die Straße gingen, selbst betroffen waren. Sie kämpften nicht für eine obskure dritte Instanz, sondern für sich selbst. Mittlerweile ist der Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime.
Gleichheit und Gerechtigkeit ist für den Feminismus ein Fünfzig-Prozent-Frauenanteil, außer bei Scheißjobs. Wenn insgesamt mehr Männer als Frauen mit Buchpreisen ausgezeichnet werden, ist mir das völlig egal. Mir ist mein Glück wichtig. Dafür kämpfe ich. Nicht für die Planwirtschaft einer Fünfzig-Prozent-Ideologie.
Ich kenne viele erfolgreiche Frauen. Keine von ihnen ist Feministin, weil sich keine von ihnen je in einer Opferposition gesehen hat. Die Feministinnen, die ich kenne, sind hingegen Studentinnen oder schreiben in der Zeitung darüber, dass sie trotz Studium keinen Job finden.
Vielleicht liegt meine Abneigung gegenüber dem Feminismus an den aktuellen Vertretern. Das "Emma"-Magazin fordert eine Frauenquote im Cockpit, weil Männer eher zum Amoklaufen neigen würden. Das ist so weltfremd, dass man die Autorin eigentlich nur fest in den Arm nehmen möchte.
Der Feminismus hat das Los eines engagierten Nachhilfelehrers gezogen, der seine Arbeit so gut erledigt, dass er seine Notwendigkeit abschafft. Jetzt windet sich der Feminismus und sucht sich panisch die Probleme, für die er doch so hübsche Lösungen hätte. Die Alternative zum senilen Birkenstock-Feminismus findet sich im Internet, der sogenannte Netzfeminismus, die etwas gestörte Tochter des traditionellen Feminismus. Sie leidet unter der Übermutter und kämpft verstörend inhaltsleer um Klicks und Unterstriche in der deutschen Sprache.
Inhalte hat der neue Feminismus abgeschüttelt, die Latzhosen in den Altkleidercontainer geworfen, sich einen Twitteraccount angeschafft. Frauenrechte sind zur Performance geworden, Entrüstung zu Hashtags. Deutsche Ableger der Femen zeigen Brüste, der Kampf um Aufmerksamkeit ist hart, wenn die Dringlichkeit nicht für sich spricht. Der Feminismus kämpft an allen Fronten, aber nicht mehr für Gerechtigkeit, sondern um Aufmerksamkeit. In der Zwischenzeit machen die Frauen, die sich um den Feminismus nicht scheren, Karriere. Das ist über einen Kamm geschoren, das ist subjektiv, das ist mein Eindruck. Das Bild vom bösen Chef, der seine Sekretärin lieber ein bisschen angrabbelt als befördert, erscheint mir fremd wie eine Welt, die ich nur aus Loriot-Sketchen kenne.
Wirtschaft ist nicht niedlich
"Aber guck mal, ich will doch nur, dass Männer und Frauen gleich viel verdienen", quengelt der Feminismus und schiebt die Oberlippe vor, "das ist doch voll wichtig!"
Mir ist das nicht wichtig. Mir ist wichtig, dass ich so viel verdiene, wie ich für angemessen halte. Wenn ich mich benachteiligt fühle, stelle ich direkte Forderungen und keinen Antrag auf eine_n Gleichstellungsbeauftragte_n. An die Stelle des Kampfes um Frauenrechte ist schon lange der Kampf des Individuums um sein Glück getreten, aber das wird nicht gerne gehört, das ist egoistisch und unromantisch, das Feindbild nicht klar und die Fronten diffus. Für sich selbst kämpfen macht keinen Spaß, man malt nicht gemeinsam Plakate, man retweetet sich nicht. Man kann dann keine "angry, white men" mehr für sein Versagen verantwortlich machen. "Laaangweilig!", ruft der Feminismus dazwischen.
Ich glaube, dass das Einkommen keine Frage des Geschlechts ist, sondern ob man sich Geschlechterklischees entsprechend verhält. Eine Frau, die ihren Puppenhaus-Traum vom eigenen Café wahr machen möchte und dabei an selbst gebackenen Karottenkuchen denkt, wird weniger verdienen als ein Mann, der sich vornimmt in der Gastronomie Karriere zu machen. Wirtschaft ist nicht niedlich.
"Aber es macht so Spaß, für etwas zu kämpfen!", ereifert sich der Netzfeminismus und verheddert sich in einer Onlinepetition mit dem Titel: "Einhorn-Gifs und Equal Pay!" Vielleicht gebärdet sich der deutsche Feminismus, ob kruder Emma-Text oder online, deswegen so seltsam, weil er weiß, dass er im Sterben liegt. Dass er nicht mehr richtig gebraucht wird. Dass es immer mehr eine Frage des Selbstbewusstseins und nicht des Geschlechts ist, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Wir leben in einem Land, in dem der Einzelne für sich kämpft. Aufrechte Haltung hilft. Gendern nicht.
Der Feminismus bleibt im Flur stehen und beschwert sich, dass Frauen keine Türen offen stehen. Bis irgendwann eine Frau kommt, über den zeternden Flurfeminismus steigt und die Tür selbst aufmacht.
(Inzwischen distanziert sich die Autorin von diesem Text, der Teil einer Debatte war und ohne diese unverständlich bleibt.)