Pro-russische Netzwerke: Moskautreue Rechte

Erstveröffentlicht: 
29.04.2016

Viele Nationalisten in Europa bewundern Russlands Präsidenten Putin. Wie deutsche Rechte und pro-russische Aktivisten kooperieren, zeigt das Beispiel des "Zentrums für Kontinentale Zusammenarbeit" in München. Das Netzwerk reicht bis zur AfD.

 

Wie eine Kooperation zwischen deutschen Rechten und pro-russischen Aktivisten funktionieren kann, zeigt das "Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit" (ZKZ) in München, das sich als eine "internationale Nichtregierungsorganisation und intellektuelle Plattform von Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und Zivilaktivisten aus Europa und Eurasien" beschreibt. Ziel sei "die Befreiung Europas von der US-amerikanischen Hegemonie" sowie "das Ende des 'Großen Austausches' der europäischen autochthonen Bevölkerung durch Masseneinwanderung nichteuropäischer Völker".

Um diesen "Großen Austausch" - von dem auch Rechtsradikale gerne sprechen - zu verhindern, organisiere das ZKZ Vorlesungen, Seminare, Runde Tische, Konferenzen, Task Force Sitzungen, führe Umfragen durch, veröffentliche Forschungsberichte und Arbeitspapiere. Tatsächlich werden auf der professionell gestalteten Internet-Seite zahlreiche Aufsätze veröffentlicht und es wird regelmäßig berichtet, wie Mitglieder des Zentrums an Konferenzen in Russland teilnähmen oder Vorträge hielten.

Für einen Think Tank, der erst seit einigen Monaten in Deutschland aktiv ist und keine klaren Angaben zur Finanzierung macht, ein erstaunliches Pensum - vor allem, da die meisten Beiträge in mehreren Sprachen angeboten werden: Deutsch, Russisch, Französisch und Englisch.

 

Gute Kontakte nach Moskau

Der Chef des Instituts sowie dessen Stellvertreter sind dem Impressum zufolge nur über russische Telefonnummern zu erreichen. Über die konkrete Finanzierung der zahlreichen Aktivitäten und Veröffentlichungen erfährt man wenig. Das Zentrum sei bislang noch nicht als Nichtregierungsorganisation (NGO) registriert, heißt es lediglich. Neben einem Kontakt in München findet sich eine Adresse in Moskau - am "Eurasischen Club" der staatlichen Universität MGIMO, die Kader für internationale Karrieren ausbildet. Die MIGMO wird auf der Internet-Seite des ZKZ auch als Partner aufgelistet, ebenso der renommierte Russische Rat für internationale Angelegenheiten (RIAC). In dessen Kuratorium sitzt Russlands Außenminister Sergej Lawrow und im Präsidium Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Der Chef des Münchner Zentrums, Jurij Kofner, firmiert auf der Webseite des ZKZ als Gastdozent der MGIMO sowie als Experte der Gortschakow-Stiftung für öffentliche Diplomatie. Die Stiftung wurde vom russischen Außenministerium gegründet und dient der Vermittlung des russischen Weltbildes in der Welt. Seinem Facebook-Profil zufolge nahm Kofner im Herbst an einem Treffen des prestigeträchtigen Valdai-Clubs in Sotschi teil, wo er sich mit höchster Politikprominenz ablichten ließ, unter anderem mit Lawrow.

 

Wer hat was anzubieten?

Kofners Fotos mit diversen Persönlichkeiten und die auf der Homepage des ZKZ aufgeführten Partnerschaften legen nahe, dass er gut in die außenpolitische Elite Russlands vernetzt sei. Doch wie relevant er dort wirklich ist, bleibt unklar. Der Direktor des RIAC, Andrej Kortunow, kann sich nicht an eine Zusammenarbeit oder gemeinsame Projekte mit dem ZKZ erinnern. Möglich sei ein Informationsaustausch oder die Teilnahme von Mitgliedern des ZKZ an RIAC-Veranstaltungen. Was die Gortschakow-Stiftung angeht, so wird Kofner zwar in Artikeln als deren Experte genannt, aber unter den "Freunden der Stiftung" wird er nicht so wie andere Experten aufgeführt.

Der Politologe Anton Schechowzow beschreibt es als schwierig, Kontakte auch nur zu Kreml-nahen Kreisen in Moskau anzubahnen. Zunächst gebe es da Institutionen, die als Vermittler zwischen Russland und anderen Staaten aufträten. An begehrte Kontakte gelange man nur, wenn man etwas Interessantes anzubieten habe, gute Kontakte und Aktivitäten in Deutschland zum Beispiel.

Auf diesem Gebiet kann Kofner einiges bieten: So trat er beispielsweise beim Valdai-Club-Treffen als Reporter des Magazins "Compact" um den Publizisten Jürgen Elsässer auf. Am 24. Oktober 2015 nahm Kofner zudem an der "Compact-Souveränitätskonferenz" in Berlin als Leiter der "Eurasischen Bewegung Russlands" teil. Beim ZKZ hieß es dazu, die Konferenz sei "nicht nur dem traditionellen Problem des US-Neokolonialismus in Europa, sondern vor allem auch der Masseneinwanderungskrise, dem 'Großen Austausch' der europäischen Völker, gewidmet" gewesen. Bei der Konferenz interviewte Kofner Elsässer, der ebenfalls einen klar pro-russischen Kurs propagiert.

Eine weitere Verbindung in dem Netzwerk: Kofners Zentrum kooperiert nach eigenen Angaben mit dem neurechten "Institut für Staatspolitik" (IfS) in Schnellroda, wo der AfD-Politiker Björn Höcke mit einer Rede für Schlagzeilen sorgte. Das IfS ließ eine Anfrage unbeantwortet, inwieweit es diese Kooperaion gibt - dementierte sie aber auch nicht. Auch mit den neurechten "Identitären" arbeitet das ZKZ zusammen, vor allem in Wien. Dort ist auch das "Suworow Institut" beheimatet, ein weiterer Partner des Zentrums und ebenfalls ein pro-russisches Institut. Auf Facebook sind das ZKZ und Kofner in rechten russlanddeutschen Gruppen aktiv. Auf eine Anfrage von tagesschau.de zu seinen Aktivitäten reagierte Kofner nicht.

 

Das Konzept vom "Kontinentalismus"

Ein weiterer Kopf in diesem Netzwerk ist das ZKZ-Mitglied Algis Klimaitis, der nach eigenen Angaben bei "Compact"-Konferenzen auftrat. Der in Deutschland geborene und aufgewachsene Litauer veröffentlichte 2014 das Buch "Europäischer Kontinentalismus". Es spreche "sich dezidiert für eine kritische Haltung zum Transatlantismus aus", heißt es in der Selbstbeschreibung. Es behandele auch die Entwicklung hin zu einem neuen Kalten Krieg, dessen Ursache "in erster Linie im Transatlantismus und der von ihm beherrschten NATO" gesehen werde. Dem stellt Klimaitis einen "Kontinentalismus" gegenüber, bei dem Russland eine wichtige Stellung einnehmen soll.

Warum Ex-Sowjetrepubliken wie Litauen seiner Meinung nach keine Sorgen vor imperialen Bestrebungen Russlands haben brauchen, erklärt Klimaitis auf dem Portal "Byzantinische Arche", deren Redaktion in Moskau beheimatet ist. Nahe gelegt wird darin, dass nicht die Russen für die Taten der Sowjetunion verantwortlich seien. Vielmehr sei die sowjetische Führung lange von Nichtrussen dominiert worden. Ohnehin wisse es der Westen gar nicht zu würdigen, dass es die Russen gewesen seien, die den marxistischen Sozialismus aus eigener Kraft abgeschüttelt hätten.

 

Ex-Präsidentenberater und Ex-KGB-Kontakte?

Nach Erscheinen des Kontinentalismus-Buches wurde es über das ZKZ beworben und in der rechten "Jungen Freiheit" besprochen, über dessen "Buchdienst" es auch verkauft wird. Klimaitis war zudem Gast im russischen Auslandssender "Sputnik" und warnte vor den Gefahren der US-Politik in Europa. Vorgestellt wird er in Publikationen und bei öffentlichen Auftritten als Geopolitiker und Ex-Berater von Algirdas Brazauskas, in den 1990er-Jahren sozialdemokratischer Präsident und Ministerpräsident Litauens.

Was unerwähnt bleibt: In den 1990er-Jahren wurde Klimaitis in Litauen vor Gericht gestellt, weil der Verdacht bestand, er habe für den russischen Geheimdienst KGB gearbeitet. Er selbst bestritt dies in einer schriftlichen Antwort an tagesschau.de. Vielmehr handele es sich um eine Kampagne aus dem konservativen Lager um Ex-Staatsoberhaupt Vytautas Landsbergis.

Landsbergis wiederum verweist gegenüber tagesschau.de auf Akten und Daten in der Publikation "Dokumente zur neuesten litauischen Geschichte". Diese sollen eine Verstrickung Klimaitis' in die Machenschaften des KGB belegen. Klimaitis wurde vor Gericht in Litauen allerdings freigesprochen. Der konservative Landsbergis schreibt dies der linken Ausrichtung der Staatsanwaltschaft zu. Wie stark der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen und der vorhandenen Dokumente beeinflusst wird von bis heute andauernden politischen Rivalitäten, lässt sich nicht abschließend beurteilen.

 

"Ein Faktor hybrider Kriegsführung"

 
Viele Äußerungen und Aktionen Klimaitis' nennt der heutige litauische Außenminister Linas Linkevicius kontrovers und erstaunlich. Im Interview mit tagesschau.de sagt der Sozialdemokrat Linkevicius, er sei nicht überrascht, wenn Klimaitis Bücher wie jenes über den "Europäischen Kontinentalismus" schreibe. Überraschend sei es hingegen, wenn er dafür Aufmerksamkeit erhalte, seine Geschichte sei doch eigentlich bekannt. Offensichtlich handele es sich um einen weiteren Faktor hybrider Kriegsführung Russlands in Deutschland.

 

Klimaitis nennt diese Äußerungen "transatlantisches Propagandageschwätz" eines "jungkommunistischen Wendehalses". Was er jedoch nicht erwähnt: Er selbst war in der gleichen Partei wie Linkevicius aktiv - der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Arbeiterpartei, die aus der Kommunistischen Partei Litauens hervorging.

 

Wahlkampf für die AfD

Heute unterstützt Kontinentalismus-Verfechter Klimaitis den Wahlkampf der AfD. Dort könnte er für seine Vision von einem "Europa der Vaterländer" wohl tatsächlich am ehesten auf Zustimmung hoffen. Bei deutschen Rechten ist dieses Bild des "Europas der Vaterländer" gängig, Ex-NPD-Chef Udo Voigt benutzt diesen Terminus oder auch der AfD-Politiker Markus Frohnmaier, der erst kürzlich an einem Wirtschaftsforum auf der von Russland annektierten Krim teilnahm.

Im März 2016 trat Klimaitis kurz vor der Wahl in Sachsen-Anhalt bei einer Art AfD-Unterstützungsveranstaltung des "Compact"-Magazins in Magdeburg auf - gemeinsam mit AfD-Spitzenkandidat André Poggenburg, der ebenfalls über gute Kontakte zum "Institut für Staatspolitik" verfügt, welches wiederum zu den Partnern des ZKZ gehört. Klimaitis behauptete auf dieser Veranstaltung, die politische Elite des Westens schicke sich an, die Völker im Einflussgebiet der EU "mit fremden Ethnien zu vermischen", um so "die Nationen weiter zu zersetzen". Im weiteren Verlauf benutzte er den Begriff "Rassenvermischung" und betonte, es sei wichtig, dass der "Widerstand" gestärkt werde. Dieser werde durch die AfD repräsentiert.

 

Kurz vor dem AfD-Bundesparteitag am Wochenende wurden in genau dieser AfD Stimmen lauter, die einen Austritt Deutschlands aus der NATO ins Spiel bringen. AfD-Rechtsaußen Höcke äußerte sich in der "Welt" dementsprechend, zudem liegen zahlreiche Änderungsanträge zum Grundsatzprogramm der AfD vor, die in eine ähnliche Richtung zielen - was ganz im Sinne der pro-russischen Netzwerker sein dürfte.