In wenigen Wochen stehen Regionalwahlen in Italien an und für Premier Berlusconi sieht es nicht gut aus. Um Angriffen der staatlichen Medien zu entgehen, hat Berlusconi über die parlamentarische Kommission politische Talkshows bis zur Wahl abgesagt.
"Wenn
diese Entscheidung nur wegen mir getroffen wurde, wie einige behaupten,
dann wäre die Situation ja noch gravierender, denn um mich zu
bestrafen, zu zensieren, zensiert man alle, wirklich alle politischen
Talkshows, alle Sendungen, die eine Vertiefung politischer Themen
bieten."
Michele Santoro ist ärgerlich, sehr ärgerlich.
Der Talkmaster von "Annozero", einer der beliebtesten aber auch
kritischsten Sendungen der öffentlich-rechtlichen RAI, protestierte
gestern Abend vor dem römischen Hauptgebäude des Senders zusammen mit
Kollegen und Hunderten von Bürgern gegen eine umstrittene Entscheidung
der Regierung von Silvio Berlusconi.
Sie verlangt, dass das
Staatsfernsehen fortan, bis Ende März, bis zu den mit Spannung
erwarteten Regionalwahlen, nur noch politische Talkshows ausstrahlen
darf, deren Gästelisten genau kontrolliert wurden. Das heißt: Santoro
und seine Kollegen dürfen nicht mehr einladen, wen sie wollen.
Auch
Giovanni Floris protestierte gestern Abend. Floris moderiert "Ballarò",
eine Sendung, die ebenfalls hohe Einschaltquoten verzeichnet, bis zu 25
Prozent. Wie Santoro und die anderen Talkmaster wurde auch er von den
anwesenden und ebenfalls protestierenden Zuschauern wie ein Star
begrüßt.
"Ich habe immer gedacht,
dass unsere Programmpolitik darin besteht, aktuelle Probleme zu
diskutieren, zu vertiefen, und dass ich Politiker einladen kann, von
denen ich meine, dass sie die Dinge am besten darstellen können. Jetzt
muss ich Tage vor meiner Sendung Listen mit meinen Gästewünschen
einreichen und dann wird entschieden, ob und wie meine Sendung
stattfinden darf. Es stimmt nicht, wenn man behauptet, dass bei uns
nicht alle Seiten zu Wort kommen."
Genau das sieht
Italiens Regierungschef und Medienzar ganz anders. Ihm sind, und er
sagte es in den letzten Jahren oft, Sendungen wie "Annozero", "Ballarò"
und "Report" ein Dorn im Auge. Seiner Meinung nach geben dort
kommunistische Journalisten den Ton an, die es nur auf ihn und seine
Regierung abgesehen haben.
Berlusconi hat immer dann, wenn es
um politische Sendungen der RAI geht, eine ganz dünne Haut. Das wurde
deutlich, als er sich im letzten Jahr in der Sendung "In un mezz'ora"
einem Interview der Moderatorin Lucia Annunziata stellte. Ihm passten
die Fragen nicht, und schließlich kam es zum Streit und er verließ das
Studio. Legende sind seine Pressekonferenzen, in denen er RAI-Sendungen
und RAI-Nachrichten vorwirft, dass sie nur Negatives berichten und
kommunistisch unterwandert seien.
Vor diesem Hintergrund kam es
zu der Entscheidung der Regierung - in deren Verantwortlichkeit das
Staatsfernsehen liegt -, in den vier Wochen vor den Regionalwahlen den
politischen Talkshows - die von Montag bis Freitag an jedem Abend auf
einem der drei RAI-Kanäle ausgestrahlt werden - einen "Maulkorb
anzulegen", wie die Tageszeitung "La Repubblica" schreibt.
Die
Talkmaster müssen nicht nur Listen mit jenen Politikern, die eingeladen
werden sollen, einer RAI-internen Kommission vorlegen, deren
Entscheidungen das Plazet der Regierung haben müssen, sondern auch
dafür sorgen, dass ihre Sendungen politisch ausgewogen und rein
informierend sind. Keine Diskussionen mehr, keine Polemiken. Italiens
Talkshows sollen bis 28. März, bis die Regionalwahlen stattfinden,
Wahlkampfsendungen ähneln, bei denen jeder Kandidat das seine sagt,
aber eine Diskussion zu bestimmten Themen nicht mehr stattfindet.
Dazu Sandro Bondi, Kulturminister und politischer Berater Berlusconis:
"Ich
denke mir, dass es normal sein sollte, dass in der Endphase eines
Wahlkampfes die einzelnen Kandidaten zu Wort kommen, einer nach dem
anderen und jeder nach seinem politischen Gewicht, wie es bei
vorherigen Wahlen ermittelt wurde."
Bondi spricht sich
deutlich gegen die Allmacht von Santoro und Flores und den anderen
Talkmastern aus, die bisher allein entscheiden konnten, wen sie
einladen und wen nicht.
Interessant ist, dass sich die
politischen Diskussionssendungen der drei Privatsender von Silvio
Berlusconi nicht an das Regierungsdekret halten müssen. Begründet wird
das damit, dass sie ja auch keinen Staatsauftrag erfüllen müssen und
auch nicht von Steuergeldern finanziert werden. Interessant ist auch,
dass die Talkshows des Berlusconi-Fernsehens bisher nicht so hohe
Einschaltquoten verzeichnen konnten wie die Konkurrenz bei der RAI. Das
wird sich jetzt sicherlich ändern. Jedenfalls bis Ende des Monats,
solange das Dekret Gültigkeit hat.