NPD-Verbotsverhandlung: Die "Popanz-Partei" bleibt im Gerichtssaal blass

Erstveröffentlicht: 
03.03.2016

In der NPD-Verbotsverhandlung haben die Bundesverfassungsrichter die Argumente des Bundesrates stark hinterfragt. Ebenso hart nahmen sie die Partei in die Mangel.

 

Einerseits die zunehmende Schwäche der NPD, andererseits ihre menschenverachtende Ideologie – in diesem Spannungsbogen bewegte sich die Diskussion am dritten Tag der NPD-Verbotsverhandlung vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe. Mehrere Innenminister trugen im Verhandlungssaal vor, warum der Bundesrat die Partei als rassistisch, menschenverachtend und damit verfassungsfeindlich verbieten lassen möchte. Die Verfassungsrichter hinterfragten deren Argumente kritisch, setzten sich aber auch intensiv mit dem Parteiprogramm und den Publikationen der NPD auseinander.   

 

Der NPD-Vorsitzende Frank Franz wurde unter anderem zu einer Broschüre befragt, in der es heißt: "Ein Afrikaner, Asiate und Orientale wird nie Deutscher werden können" – eine klare rassistische Ausgrenzung und damit ein Verstoß gegen Menschenrechte. Nicht immer konnte er auf Nachfragen schlüssig antworten, sein Auftritt blieb eher blass. Anders der NPD-Funktionär Jürgen Gansel, der zu den ideologischen Köpfen der NPD zählt: Er machte deutlich, dass Ausländer aus seiner Sicht zwar deutsche Staatsbürger, niemals aber Mitglieder der "Volksgemeinschaft" werden könnten.

 

Der frühere Bundesvorsitzende Holger Apfel bezeichnete die NPD dagegen als ein "Popanz, der nicht ernst zu nehmen ist". Ihre Schlagkraft sei in der Öffentlichkeit immer überschätzt worden. Die Partei inszeniere bewusst Tabubrüche, um eine größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Teile der Partei befänden sich immer noch in der Gedankenwelt des Nationalsozialismus.

 

Auch mehrere Gutachter hatten am zweiten Verhandlungstag die Auffassung vorgetragen, die Partei sei geschwächt und einflussarm. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen 2014 hatte sie den Einzug verfehlt, sie steht in Umfragen deutlich unter fünf Prozent. Der Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse sagte, die NPD sei bedeutungslos, ein Verbot damit verzichtbar. Der Dortmunder Politologe Dierk Borstel ergänzte, der Rechtsextremismus lasse sich durch ein Verbot nicht beseitigen. Die Fachjournalistin Andrea Röpke vertrat die Meinung, die NPD trachte danach, die gesamte Nation zu beherrschen. Zentrale Frage ist jedoch, wie groß die Chancen der Partei sind, solche Ziele zu erreichen.

 

Die Vertreter des Bundesrates hatten zu Beginn des dritten Verhandlungstages ihre Gründe für einen Verbotsantrag erläutert. In der Verhandlung kamen Angriffe auf Büros von zivilgesellschaftlichen Initiativen zur Sprache, die Vernetzung der Partei mit Neonazigruppen und Kameradschaften oder ihr Einfluss auf Sozialstrukturen, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Mecklenburg-Vorpommerns Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) stellte in der Diskussion das verbal-aggressive Vorgehen des NPD-Fraktionschef im Landtag, Udo Pastörs, heraus, der seiner Einladung zur Verhandlung nicht gefolgt war. Der CDU-Politiker sagte, die Partei erhebe den Anspruch, in einzelnen Orten des Bundeslandes die dominante Kraft zu sein. In dem Ort Jameln habe sie dies fast erreicht. Jameln ist dafür bekannt, stark von Neonazis beherrscht zu sein.

 

Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) schilderte nach Angaben von Reportern, wie die NPD-Fraktion das parlamentarische Arbeiten störe. So verweigerten sich die Mitglieder dem Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus. Sie erinnerte an einen Zwischenruf aus der Fraktion, Polen habe den Zweiten Weltkrieg selbst gewollt. NPD-Anwalt Peter Richter erklärte diese Zwischenrufe später als vor Gericht nicht verwertbar.

 

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete die NPD als stabile Plattform für Rechtsextremismus und billigte ihr eine ideologische Leitfunktion zu, auch wenn sie in Bayern keinen Wahlerfolg hat. "Es geht um die geistige Brandstiftung, die von der NPD ausgeht", sagte er. In der aktuellen Diskussion um Zuwanderung schüre die NPD Ängste in der Bevölkerung. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, derzeit Präsident des Bundesrates, sagte, die Partei schüchtere Bürger ein und bedrohe sie.

 

Die Minister trugen damit weitgehend vor, was sie bereits in ihrem Verbotsantrag und der angehängten Beweissammlung ausgeführt hatten. Die Gefährlichkeit der NPD und ihre Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus hatten die Verbotsantragsteller zudem von zwei Gutachtern belegen lassen. Mindestens einer davon, der Dortmunder Politologe Dierk Borstel, ist selbst gar nicht von der Verbotsnotwendigkeit überzeugt.

 

In ihren Nachfragen ließen die Verfassungsrichter deutliche Zweifel an den vorgebrachten Argumenten durchblicken. Die angeblichen Dominanzansprüche stünden im Gegensatz zu den Wahlergebnissen, die unter zehn Prozent liegen, sagte Verfassungsrichter Peter Müller. Die Richter zitierten aus Verfassungsschutzberichten, in denen die Partei als "in desolater Situation" und im Niedergang bezeichnet wird. Auch die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements rechtsextremistischer Kräfte zweifelten die Richter an. Sie stellten infrage, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht sei, wenn  jemand Kinderfeste veranstalte oder Hartz-IV-Beratung anbiete.

 

Damit könnte es für die Antragsteller vom Bundesrat schwierig werden: Eine Partei, die zwar eine rassisisch-völkische Ideologie hat, lässt sich schwerlich verbieten, wenn ihr, auch mangels Einfluss und Bedeutung, keine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorgeworfen werden kann. Die Partei ist derzeit in noch einem Landesparlament vertreten und hat lediglich etwa 300 von 250.000 Kommunalmandaten in Deutschland inne. Die strukturelle Schwäche der NPD und die wahrnehmbare Skepsis der Richter gegenüber dem Vortrag der Bundesratsvertreter spricht aus Sicht von Prozessbeobachtern nicht für ein Verbot.

 

Die Bundesländer hatten Ende 2013 beantragt, die NPD einschließlich ihrer Teilorganisationen, darunter die Jugend- und die Frauenorganisation, zu verbieten und ihr Vermögen einzuziehen (der Antrag als PDF). Die NPD konterte mit dem Antrag, das Verfahren einzustellen. 

 

Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages hatte das Gericht festgestellt, dass kein Grund besteht, das Verfahren zu stoppen, etwa wegen des Streits um die V-Leute. Damit gehen die Richter davon aus, dass die vom Bundesrat vorgelegten Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei ohne Einfluss staatlicher V-Leute gewonnen wurden und dass die Partei nicht von Polizei oder Geheimdienst überwacht wird. Die Partei zweifelt das an und hatte die dazu von den Bundesländern vorgelegten, teilgeschwärzten Belege als unzureichend bezeichnet. 

 

An der Problematik der V-Leute war das erste NPD-Verbotsverfahren 2003 gescheitert, bevor es überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung kam.

 

Ein Urteil in diesem Verbotsverfahren wird für den Sommer erwartet.

 

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