Die AfD schickt bei der Landtagswahl Sympathisanten als Beobachter zu den Stimmauszählungen in den Wahllokalen. Helfer aus der Region fühlen sich diskreditiert.
Die AfD sucht "Wahlbeobachter". Mit einem Flyer leitet sie Mitglieder an, wie sie am Wahlabend darauf bestehen können, unter Umständen auch gegen den Willen der Wahlhelfer bei der Stimmenauszählung dabei zu sein. Seit Monaten kursieren im Internet Hinweise, die rechtspopulistische Partei müsse mit Wahlbetrug durch die "Blockparteien" rechnen.
Der Aufruf sei kein Grund zur Aufregung, sondern "unser gutes demokratisches Recht", sagt der AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Jörg Meuthen. Er wolle, dass es bei den Wahlen "korrekt und geordnet" zugehe. Indirekt unterstellt er damit allerdings, dass es ansonsten nicht korrekt und geordnet zuginge.
Persönlich diskreditiert
Ein Wahlhelfer aus Bad Friedrichshall fühlt sich dadurch persönlich diskreditiert und "bloßgestellt": "Wir sind doch keine Bananenrepublik", sagt der Mann, der nicht namentlich genannt werden möchte. Er habe viele Auszählungen mitgemacht, deshalb sei für ihn gar nicht vorstellbar, dass systematisch geschummelt werde.
Die AfD ist nicht die einzige Gruppierung, die diesen Weg geht. Die NPD in der Region sucht über die Bürgerinitiative "Einprozent" "unabhängige Wahlbeobachter". Ebenso die Plattform linksunten.indymedia.org.
Fehlende Ecke als Orientierungspunkt
Beim Landratsamt Heilbronn sind erste Nachfragen eingegangen, ob Stimmzettel möglicherweise gekennzeichnet wurden. Die rechte obere Ecke sei abgeschnitten worden. "Das hat mit Wahlmanipulation nichts zu tun, alle Stimmzettel sind so gekennzeichnet", erklärt Tamara Waidmann vom Landratsamt Heilbronn. Es sei ein Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte, damit sie ihre Schablonen korrekt auflegen können. In allen vier Wahlkreisen der Region wird diese Form der Kennzeichnung genutzt.
In ähnlicher Form wurden schon bei Wahlen in den vergangenen Jahren Stimmzettel für die Nutzung von Schablonen vorbereitet, so dass Sehbehinderte ohne Hilfe einer Vertrauensperson zur Wahlkabine gehen können. Die dazu notwendige Anleitung auf CD sowie die Kunststoffschablonen gibt es kostenlos vom Blinden- und Sehbehindertenverband. In den meisten Fällen werden sie automatisch zugesandt. Wer eine Schablone benötigt und diese bis Ende dieser Woche nicht erhalten hat, kann sie bei Wolfgang Heiler beantragen,
Die Landeswahlleiterin Christiane Friedrich informierte deshalb am Montag die Kreise über die Entwicklung. Friedrich geht davon aus, dass Wahlbeobachter gegebenenfalls "über ihre Zuschauerrolle hinaus Forderungen an den Wahlvorstand erheben". Doch ein Wahlvorstand müsse beispielsweise nicht dulden, dass der Wahlraum während der Ergebnisermittlung "für Zwecke der Wahlpropaganda" missbraucht wird. Auch gebe es kein ausdrückliches Recht, die Auszählung mithilfe von Handys oder Fotoapparaten aufzuzeichnen. Dem stehe das Persönlichkeitsrecht der Mitglieder der Wahlvorstände und eventuell betroffener Dritter entgegen.
Ablauf erschwert Fälschung
Eine gezielte Fälschung der Wahl wird durch den vorgegebenen Ablauf erschwert. Der sieht so aus: Auf Wählerlisten sind die Wahlberechtigten eines Wahlbezirks aufgelistet. Mit Wahlschein ist dann eine Stimmabgabe möglich. "Über die Anzahl der Wahlscheine ist schon klar, wie viele Stimmen abgegeben wurden", erklärt der Wahlhelfer. Nach der Auszählung sollte also die Anzahl der Stimmzettel mit der Anzahl der Wähler übereinstimmen.
Ungültige und fragliche Stimmzettel werden aussortiert und gegebenenfalls noch einmal kontrolliert. Gültige Stimmen werden nach Partei sortiert und gezählt und mindestens von einer weiteren Person noch einmal nachgezählt. "Dazu kommt, dass hier ja sechs Leute am Werk sind, die Hälfte aus der Gemeinde- oder Stadtverwaltung, die andere Hälfte freiwillige Helfer." So wäre in jedem Wahlbezirk eine breit angelegte Absprache notwendig, um das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Richtig liegt die AfD nur mit ihrer Einschätzung, dass bei einer demokratischen Wahl die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden darf. So sehen es das Landeswahlgesetz und die Landeswahlordnung seit 1955 vor. Gleichzeitig formuliert die Partei in ihren Flyern aber ganz konkret: "Der Wahlvorstand muss Ihnen Zutritt und Anwesenheitsrecht gewähren." Damit spricht sie dem Wahlvorstand sogar das Hausrecht ab. Wahlbeobachter wegschicken − das dürfe "nur die Polizei".