Frankreich und Deutschland verabreden Sicherheitsforschung zu „gezielter Gewalt in Städten“
Laut Agenturmeldungen wollen die Regierungen Frankreichs und Deutschlands neue Anstrengungen zur „Terrorforschung“ unternehmen. Entsprechende Vorhaben wurden von der Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) im Interview gegenüber der BILD-Zeitung angekündigt. Städte müssten „sicherer werden“, damit Notfallorganisationen wie Polizei und Feuerwehr „die Bevölkerung besser schützen können“. Die Sicherheitsforschungen fokussieren auch auf den Ausfall kritischer Infrastrukturen.
Wanka skizziert ein „neues Ausmaß an gezielter Gewalt in Städten“. Dies gipfele in Terroranschlägen. Welche weitere „Gewalt“ zu beobachten sei, erklärt die Ministerin nicht. Genannt werden öffentliche Plätze, Einkaufszentren oder Schulen, aber auch Märkte und religiöse Stätten. Die Ergebnisse der Forschungen sollten helfen, dort „Schlimmeres zu verhindern“.
Näheres hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestern in einer Pressemitteilung umrissen. Demnach startet das Ministerium mit der französischen nationalen Forschungsagentur ANR ein Programm „Zukünftige Sicherheit in Urbanen Räumen“. Zu den Teilnehmenden gehörten „Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis“. Von den Forschungen sollten auch Verkehrsbetriebe und private Sicherheitsdienstleister profitieren.
2009 hatten Deutschland und Frankreich die offizielle Kooperation in der der zivilen Sicherheitsforschung gestartet und zwei Förderbekanntmachungen veröffentlicht. Neuere Projekte untersuchen etwa das „Szenario einer terroristischen Bedrohung“ im deutsch-französischen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr. Zur Verbesserung der „Systemresilienz“ wird an der „Detektion von Sprengstoffen in Personenströmen“ geforscht. Beteiligt sind die Bundeswehruniversität München, die Deutsche Bahn AG und die Bundespolizei.
Vermutlich drehen sich die neuen Forschungen um die weitere Automatisierung der Überwachung des öffentlichen Raums. In Deutschland sind entsprechende Anwendungen im Zusammenhang mit dem EU-Forschungsprojekt INDECT bekannt geworden. Ziel war die Entwicklung einer Plattform, die mehrere Überwachungssensoren zusammenführt und mithilfe von Mustererkennung analysiert. So sollte ein Algorithmus erkennen, wenn sich per Videokamera beobachtete Personen verdächtig verhalten.
In anderen Programmen wird die Einbindung weiterer Sensoren im öffentlichen Raum untersucht, etwa um Sprengstoffe oder auch Drogen zu „erschnüffeln“. Die intelligente Auswertung der anfallenden Daten, aber auch von öffentlich verfügbaren Informationen im Internet, wird in Forschungen zur Verarbeitung von Massendaten verbessert. Schließlich werden auch zahlreiche Sicherheitsanwendungen entwickelt, die auf der Nutzung unbemannter Flug- und Fahrzeuge basieren.
Der deutsche Bundesinnenminister hatte bereits im Sommer angekündigt, die EU-Kommission zu einem Forschungsprojekt zu „Predictive Policing“ bewegen zu wollen. Auch das Bundeskriminalamt will sich demnach daran beteiligen. Frankreich habe laut dem Staatssekretär Ole Schröder (CDU) „bereits Erfahrung“ mit Vorhersagesoftware, daher habe der französische Innenminister „dazu eingeladen, sich auf Expertenebene über das Thema auszutauschen“.
Die französischen Behörden hätten vorgeschlagen, auch Polen, Italien, Großbritannien und Spanien hinzuziehen. Der Nutzen von Vorhersagesoftware sollte in einem „Expertenkreis im G6-Format“ (die sechs einwohnerstärksten EU-Staaten plus die USA) untersucht werden. Zuletzt hieß es aus dem Innenministerium, die europäischen „Experten“ (vermutlich die Kriminalämter und Angehörige von Softwarefirmen) hätten noch nicht getagt.
Auf ähnliche Weise will die EU-Polizeiagentur Europol Auswertung offener Quellen im Internet mithilfe von Software erleichtern. Die Agentur nimmt dafür als Teilnehmerin an drei Vorhaben des EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ teil. Die Polizeibehörden EU-Mitgliedstaaten skizzieren hierfür zunächst ihren „Bedarf“.
Zur Koordination von Forschungsaufgaben für die Polizeien der Mitgliedstaaten hat die Europäische Union vor drei Jahren eine „Technologie-Beobachtungsstelle“ gestartet. Die Abteilung ist beim „Europäischen Netz technischer Dienste für die Strafverfolgung“ (ENLETS) angesiedelt, das wiederum einer Arbeitsgruppe des Rates angehört. Ziel ist die verstärkte Einbeziehung der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden „in die sicherheitsbezogene Forschung und Industriepolitik“.