Rentner buddelt Stolperstein immer wieder aus

Hans Bär hat den Gedenkstein bereits zweimal wieder ausgegraben.
Erstveröffentlicht: 
03.02.2016

Johann Wilkens ist nur 32 Jahre alt geworden. Der Emder starb 1943 im berüchtigten "Strafbataillon 999" in Tunesien. Heute erinnert ein sogenannter Stolperstein an das Opfer des Nazi-Regimes. Der Stein liegt auf dem Fußweg direkt vor dem Haus, in dem Wilkens einst gewohnt hat. Doch das passt Rentner Hans Bär so gar nicht. Bär wohnt jetzt in dem Haus - und er hat den Stolperstein schon zweimal wieder ausgebuddelt. Warum? Weil er die Parteizugehörigkeit des getöteten jungen Mannes nicht akzeptieren kann.


"Kann ich als ehemaliger Bundeswehrsoldat nicht dulden"

Als der Arbeitskreis Stolperstein den zehn mal zehn Zentimeter großen Betonstein mit gravierter Messingplatte Anfang Dezember auf dem Bürgersteig in den Boden ließ, beobachtete der 73-jährige Hans Bär das aus dem Fenster. "Ich wusste weder, wer da verlegt hat, noch was ein Stolperstein ist", sagt Bär NDR.de. Immer, wenn er jetzt das Haus verließ, machte er sich Gedanken über den Stolperstein. Und er wurde mit jedem Tag wütender. "Ein Grabstein eines Kommunisten direkt vor meiner Haustür, das kann ich als ehemaliger Bundeswehrsoldat nicht dulden", schimpft der Rentner. "Zumal die KPD in Deutschland ja verboten ist."

 

Rosen noch während der Gedenkfeier weggefegt

Nach zwei Wochen schnappte Bär sich einen Spaten und grub den Stolperstein aus, "damit ich ihn nicht mehr sehen musste", wie er erklärt. Er legte ihn für Passanten sicht- und lesbar unter seine Hecke. Der Arbeitskreis reagierte am vergangenen Montag: Der Stein wurde wieder an der ursprünglichen Stelle verlegt. Angehörige des gestorbenen KPD-Mitglieds legten in einer Zeremonie Rosen nieder. Hans Bär griff noch während dieser Gedenkfeier zu seinem Besen und fegte die Rosen in den Rinnstein. "Absolut respektlos dem Opfer und seinen Angehörigen gegenüber", sagt Edda Melles vom Arbeitskreis Stolperstein. Keine Stunde später griff Hans Bär zum Spaten und pflanzte den Gedenkstein erneut um. Weg von seinem Eingangsbereich, drei Meter nach links: "Dann muss ich nicht jeden Tag drüber laufen."

 

Stolpersteine: Für Hans Bär reine Heuchelei

Doch der neue Standort ist nicht im Sinne des Erfinders. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat europaweit mittlerweile 50.000 aus Spenden finanzierte Stolpersteine verlegen lassen, als Gesamtkunstwerk gegen das Vergessen von Opfern des NS-Regimes. Seine Idee sei, dass die Steine direkt am Eingang der früheren Wohnhäuser der Opfer liegen, erklärt Renate Skoruppa vom Emder Arbeitskreis. Johann Wilkens sei ein mutiger Mann gewesen, der gegen die Nazis Widerstand geleistet habe.

Doch das interessiert Hans Bär nicht: "Der Künstler hat eine Marktlücke entdeckt und macht damit viel Geld, der Arbeitskreis will was für den Frieden tun und Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt. Das passt nicht", wettert der 73-Jährige. Und kündigt an: Sollte der Stein wieder vor der Haustür verlegt werden, buddelt er ihn wieder aus. "Ich habe mehr Zeit als die vom Arbeitskreis."


"Ich gebe zu, provozieren zu wollen"

Die Stadt Emden will noch einmal ein Gespräch mit dem Rentner führen. Doch der sieht keinen Bedarf. "Ich gebe ja zu, provozieren zu wollen, aber das ziehe ich durch, notfalls auch vor Gericht", sagt Bär. Sollte er dann eines Tages verlieren, hat er schon eine andere Idee. "Dann verlege ich eben meine Hecke und damit meinen Eingangsbereich, dann muss ich nicht mehr jeden Tag über den Grabstein laufen."


Arbeitskreis führt Projekt weiter

Über so viel Verbohrtheit können die Frauen des Arbeitskreises nur den Kopf schütteln. Sie wollen das Projekt auf jeden Fall weiterführen. 191 Steine liegen bereits in Emden, im April wird es 25 weitere geben. Ziel sei es, eines Tages für alle rund 1.000 Opfer des Nazi-Regimes in Emden einen Stein gepflastert zu haben, sagt Edda Melles.