Wertheim: „Wir wollen keine Angst mehr haben“

Erstveröffentlicht: 
31.01.2016

"Wir haben Angst." Diese Feststellung haben bei der gestrigen Demonstration im Rathausinnenhof die Redner immer wieder wiederholt. Gleichzeitig betonten sie: "Wir sind nicht rechtsradikal."

 

Wertheim. "Ich fühle mich sicher", erklärt Alexander Obert vor Beginn der unter dem Motto "Nicht wegschauen - reagieren" stehenden Demonstration. Die wandelt sich später mangels eigentlich geplantem Marsch zum Marktplatz in eine rund 45-minütige Kundgebung, an der nach Schätzungen der Polizei "etwas über 400 Leute" teilgenommen haben. Für eine Unterbrechung sorgt mittendrin das Läuten der Stiftskirche-Glocken.

 

Zunächst versuchen der Dietenhaner, seine Frau und weitere Redner (Namen werden auf Nachfrage von den Verantwortlichen nicht genannt), die nach ihrer Meinung falschen Anschuldigungen gegen Obert zu entkräften. Dieser habe lediglich die Demonstration bei der Verwaltung angemeldet. Seine Absichten würden verdreht, sagen sie. Veranstalter der Aktion seien Bürger vom Wartberg und Reinhardshof.

 

Für Alexander Obert steht fest: Den Zeitungen und dem Verein "Willkommen in Wertheim" habe "ich es zu verdanken, dass ich jetzt als Hetzer dastehe". Doch es gehe "heute um die Problematik und Sorgen der Menschen auf dem Wartbeg und Reinhardshof." Beifall signalisiert ihm Unterstützung.

 

"Wir sind eine Multi-Kulti-Gesellschaft", stellt eine Rednerin fest und erklärt energisch: "Nicht jeder, der in Deutschland Missstände anprangert", sei "ein Rechtsradikaler". Angst sieht sie als "falschen Weg, etwas zu verändern". Gleichzeitig warnt sie, "Angst ist gefährlich". Und fordert: "Wir wollen, dass man unsere Ängste ernst nimmt, bevor etwas passiert". Dies sei im Sinne der hier lebenden und der hier Schutz suchenden Menschen.

 

Wer für das Entstehen dieser Angst aus ihrer Sicht verantwortlich sei, wird von den Rednern klar beschrieben. Sie schildern die unguten Gefühle, die von fremdländischen, in Gruppen auftauchenden Männern hervorgerufen würden. Vor ihnen fürchteten sich nicht nur Bewohner des Wartbergs oder des Reinhardshofs, sondern auch Frauen in anderen Orten, wurde betont. Das versucht man anhand von Schilderungen eigener Erfahrungen oder Auszügen aus Zeitungsberichten etwa zu den Straftaten in der Silvesternacht in Köln zu verdeutlichen. Doch die Redner geben zu, dass das nicht zeige, "dass es zu Übergriffen kommt".

 

Zitiert wird Stadtteilbeiratsvorsitzender Walter Ploch. Er hatte die Zahl der auf dem Reinhardshof unterzubringenden Flüchtlinge einst als "Wahnsinn" bewertet. Dennoch ist zu hören: Menschen, die auf ihrer Flucht hier Schutz suchen, Kinder, Frauen, kranke und alte Menschen "sind willkommen".

 

Den Politikern werfen die Sprecher vor, kein Interesse daran zu haben, "was unsere Bürger denken". Das müsse sich schleunigst ändern, wird mit Blick auf Kehrtwendungen anderer europäischer Regierungen in der Flüchtlingsfrage gemahnt: "Das politische Chaos soll aufhören." Straftaten dürften nicht vertuscht, Sicherheit und Ordnung nicht vernachlässigt werden. "Wir sind alle gegen Gewalt." Von den jüngsten Vorkommnissen seien alle in Deutschland und in Wertheim lebenden Nationen betroffen.

 

Um etwas gegen Gewalt tun zu können, bedürfe es mehr Polizisten, heißt es weiter. Zu den aufgezählten Forderungen gehören auch die strengere Ahndung von Sexualdelikten sowie eine dauerhafte Polizeipräsenz auf dem Wartberg und Reinhardshof. Und Frauen, Kinder, ältere und kranke Flüchtlinge seien bei ihrer Einreise nach Deutschland an der Grenze vorrangig zu behandeln. Klar sei: ""Wir wollen keine Angst mehr haben."

 

Nach den Ansprachen löst sich die Kundgebung recht schnell auf. Besondere Vorkommnisse gab es offensichtlich keine. Alles "ist ruhig und friedlich abgelaufen", zeigt sich Wertheims Polizeirevierleiter Olaf Bamberger zufrieden. Alexander Obert habe als Versammlungsleiter alle Auflagen erfüllt und kooperiert.

 

Ruhig und friedlich


Nach den Worten Bambergers waren insgesamt 30 Beamte des Reviers, der Kriminalpolizei Tauberbischofsheim und Heilbronn sowie der Bereitschaftspolizei im Einsatz. Aus "vorbeugenden" Gründen habe er Letztere nach der Veranstaltung noch an der Erstaufnahmestelle (EA) auf dem Reinhardshof positioniert.

 

Für Aufruhr hat die Veranstaltung vor ihrem Beginn in Dietenhan gesorgt, wie Ortsvorsteher Andreas Blum sagt: "Die Aktion ist nicht gut für den Frieden im Dorf", in dem Obert wohnt. Er, so Blum, hätte das Gespräch mit dem Oberbürgermeister, dem EA-Leiter und dem Regierungspräsidium vorgezogen. Aber auch Ängste müssen gehört werden.